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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Ja, hat doch selbst der Künstler unsrer Illustration sich dieses Gefühls, wenn auch in berechtigterer Form, nicht erwehren können und die Kröte als einen neidischen Gesellen dargestellt, der mit gierigem Blick nach der Fliege hinschielt, die der glücklichere Jagdnebenbuhler schon gepackt hat. Als Wetterprophet sagt der Engländer Dr. Jenner[WS 1] in dem Gedichte „Es wird regnen“ von ihr:

„Die schmutzige Kröte im Dämmerschein
Hüpfte und schlüpfte über den Rain.“

Das Feld der Krötenverketzerung, des Aberglaubens und der Lüge verlassend, sei uns nun gestattet, einen unbefangenen Blick auf das Thier selbst und dessen Leben und Treiben zu werfen, um an der Hand der Wissenschaft zur Wahrheit zu gelangen. Allerdings: „Schön war ich auch, und das war mein Verderben“ kann die Kröte keineswegs von sich sagen, denn es ist nicht zu leugnen, sie ist und bleibt ein häßliches Thier; aber dennoch kann man auch ihr, wie die Illustration zeigt, immerhin noch eine einigermaßen erträgliche, malerische Seite abgewinnen.

Während der Frosch, der kühne Springer und liebeslustige Schreier, in Farbe, Form und Bewegung noch Eleganz und „Ein freies Leben führen wir“ repräsentirt, ja sogar durch sein Concert mit beitragen hilft, die Stimmung einer schönen warmen Frühlingsnacht zu vollenden, finden wir von alledem nichts bei unserer Kröte, die den stolzen Namen Phryne vulgaris führt. Diese unsere heimische Erdkröte hat einen plumpen, reich mit dicken Warzen und mit Schleim überzogenen, die Feuchtigkeit liebenden Körper, und diesem entspricht ihr Gang und ihre ganze Aufführung. Sie hat bei Weitem kürzere Hinterbeine als der Frosch, und deshalb gestatten sie ihr nicht, den lustigen Springinsfeld zu spielen; sie watschelt mehr, als sie geht, und wenn sie Beute erjagend oder die Flucht ergreifend hüpfen will, so wird mehr ein unbeholfenes Schlüpfen daraus. Ein nächtlicher Wegelagerer, sitzt sie Tags über melancholisch in ihrem Schlupfwinkel, um denselben erst zu verlassen, wenn die Sonne zu Rüste gegangen ist. Ausnahmsweise jedoch thut sie dies auch zuweilen am Tage, aber nur dann, wenn der Himmel trübe und bewölkt ist und sich ein warmer Regen ergossen hat. Daß sie nach letzterem oft in großen Massen erscheint, ist ja allbekannt und der vermeintliche Frosch- und Krötenregen dadurch längst aufgeklärt. In der Wahl ihres Wohnortes ist sie durchaus nicht heikel; man findet sie allenthalben, wo sie sich verbergen kann, in Gruben, Gräben und Gärten, unter Steinen, Baumwurzeln, in Wäldern, Gebüschen und Hecken. Deshalb fragt Goethe:

Was schlürfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein
Wie eine Kröte Nahrung ein?

Findet sie kein passendes Unterkommen, so gräbt sie sich mit Hülfe ihrer Hinterfüße einen Bau leicht unter der Erde. So wird sie häufig in der Umgegend von Leipzig, vorzüglich bei den Kohlgartenbauern in Crottendorf, ein Name, der ja auch von Crote (sprich Crotte), Kröte abgeleitet wird, im Frühjahre beim Umarbeiten des Erdreiches gefunden. Ihr Bau bildet einen über die Bodenfläche wenig erhabenen, sattelähnlichen Damm, in welchem sie, wie sich der Volksmund ausdrückt, herumfährt; daher die Ausdrücke „Reitkröte“, „Fahrkröte“.

Leider herrscht bei vielen unserer Bauern noch immer die Unsitte oder vielmehr der Unverstand, die Kröten, wie sie es nennen, „zu prellen“, d. h. sie auf den Spaten legend hoch in die Luft zu werfen und sie auffangend wieder auf den Spaten aufprellen zu lassen, daß sie das Zeitliche segnen. Wie unrecht sie thun, darüber könnte sie die Nahrung der Kröte belehren. Die Jagd derselben erstreckt sich auf allerhand Insecten, Würmer und Schnecken; vorzugsweise Nacktschnecken scheinen ihr Leckerbissen zu sein, in Folge dessen sie für Gärtnereien ein durchaus nützliches Thier ist. Dies hat man in England längst gewürdigt; dort werden Kröten in den großen Gärtnereien nicht nur gehegt und gepflegt, sondern auch schockweise aufgekauft. Erspäht die Kröte eine Beute, die aber jederzeit lebendig sein und sich bewegen muß, dann verliert auch sie ihre plumpe Gestalt. Den Körper mehr streckend, den Kopf erhebend, den Blick lauernd und spannend fest auf ihren Raub gerichtet, funkeln ihre Augen wie Juwelen. Blitzschnell wird die schleimige Zunge herausgeschnellt, und daran angeklebt verschwindet die Beute in dem unlieblichen Maule.

Nur Schmetterlinge läßt sie unbehelligt, weil nach Fothergill wahrscheinlich der Flügelstaub derselben ihre schleimige Zunge bepudert, dadurch den schlüpfrigen Schlund trocken macht und so ihr Schlucken erschwert. Ebenso verursacht es ihr, nach der Mittheilung eines Beobachters, welcher eine Kröte in Gefangenschaft hielt, viel Mühe, große Laufkäfer zu verschlucken; es gelingt ihr dies erst, wenn sich dieses Kerbthier wiederholt aus dem Rachen der Kröte befreite. Um so ärgerlicher muß es daher für sie sein, wenn vielleicht nach langem Darben und Hungern, worin die Kröte, gleichwie in der Gefräßigkeit, viel leisten kann, ein solcher geharnischter, nächtlicher Wegelagerer anderer Art, wie es unser Bild zeigt, ihr den fetten Bissen vor der Nase wegschnappt. Wohl hätte auch dieser mit sammt seiner Beute Raum genug in dem Krötenmaule, doch ist der Ritter zu flink und, im Fall ihn wirklich die verhängnißvolle Zunge erreicht, so behende, daß er sich ganz ritterlich selbst noch in dem Maule der Kröte zu wehren weiß, und so glückt es ihm schließlich meist der Gefahr zu entrinnen. Ihre Vorliebe für starkriechende Pflanzen, namentlich für Salbei und Schierling, welcher letztere daher auch im Französischen Persil du crapaud, Krötenpetersilie, bei uns Krötendill, heißt, gab Anlaß zu der Meinung, welche wir noch von Lacépède vertreten finden, daß die Kröte außer Insecten stinkende giftige Kräuter fresse.

Nun zu ihrem vermutlichen, gefürchteten Gifte! – Der Glaube daran hat sich im Volke so tief eingeprägt, daß die Redensart. „kleine Kröten haben auch Gift,“ fast überall gang und gebe ist. Hören wir, wie selbst wissenschaftliche Männer in den Zeiten ungenügender Beobachtungen und Untersuchungen mit sündigen halfen, die Kröte in dem Pfuhl des Aberglaubens stecken zu lassen. Noch der berühmte französische Naturforscher Lacépède behauptet: „Die Kröte, wenn sie gedrückt wird spritzt sie einen stinkenden Saft von sich. Man hält diese Flüssigkeit,


Eduard Lasker.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jänner
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_132.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)