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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

welche sie von sich giebt, für ihren Urin, und er ist unter manchen Umständen mehr oder weniger schädlich. Ein Milchsaft, der aus ihrem ganzen Körper schwitzt, und der Geifer, der ihr aus dem Munde läuft, vergiften Kräuter und Früchte, die sie berührt, so daß diese schädlich werden können, wenn man sie ungewaschen genießt. Dieser Geifer und der Milchsaft können nach Maßgabe des Klima’s und der Nahrungsmittel nach ätzender werden und, je nachdem sie empfindliche Theile berühren, noch schädlichere Wirkungen äußern. Die Fußstapfen einer Kröte können daher unter gewissen Umständen so schädlich werden, als ihr Anblick widrig ist. Man könnte fragen: warum man eine Thierart nicht ausrottet, an der nichts Erträgliches, geschweige Nützliches ist?“ Ja, an einer andern Stelle giebt derselbe Autor sogar an, zu welcher Zeit man erfolgreich ihrer am meisten tödten könne. Kein Wunder also, daß man deren Verfolgung noch heutzutage in voller Blüthe sieht.

Solch grausen Unfugs, wie des eben angeführten, ist nun, zur Beruhigung sei es gesagt, die arme Kröte nicht fähig. Die gewissenhaftesten Untersuchungen haben ergeben, daß die wohl meist mehr aus Angst, als zur Vertheidigung ausgespritzte Flüssigkeit nichts weiter ist als der Urin der Kröte, und daß die schleimige Absonderung ihrer Hautdrüsen, auf die Schleimhäute des Menschen gebracht, nur ein vorübergehendes Brennen verursacht, sonst aber durchaus ungefährlich ist. Schreiber dieses hat wiederholt Kröten in den Händen gehabt und, von ihrem Urin benetzt, sowie von ihrem Drüsensaft angeschleimt, weder fühlbare, noch sichtbare unangenehme oder nachtheilige Folgen empfinden können. Ja, Adanson[WS 1] (Naturgeschichte des Senegal) berichtet uns von ihr das Umgekehrte, da heißt es. „Meine Neger, die von der Sonnenhitze und dem brennenden Sande sehr gelitten hatten, rieben sich die Stirn mit lebendigen Kröten, die sie unter den Gesträuchen fanden. Sie thun das auch oft, wenn sie Kopfschmerzen haben, und spüren viel Erleichterung darnach.“

Was die Vermehrung der Kröte anbelangt, so ist sie überschätzt worden, denn da während der Paarung zur Ablegung und Befruchtung des Laichs, was im März und April nur im Wasser geschehen kann, ihnen jeder Tümpel, jede Pfütze genügt, so geht durch Vertrocknung derselben eine ganz bedeutende Anzahl von Brutcolonien zu Grunde. Feinde hat sie wenig. Von den meisten Raubthieren, jedenfalls wegen ihres Drüsenschleims, verschmäht, stellt ihr nur die Schlange nach, „jedoch der schrecklichste der Schrecken“ für sie „das ist der Mensch in seinem Wahn“ und der Undank, welcher überhaupt der Welt Lohn ist.

Arme Kröte, verkannte Unschuld, setzen wir dich in die „Gartenlaube“! du gehörst hinein, hast ein Recht dazu! Du wirst, von da aus die Aufmerksamkeit mehr auf dich lenkend, nicht versäumen dich nützlich zu machen, auf daß das noch vorhandene Ungeziefer von Irrthum, Vorurtheil und Aberglauben verschwinde und Schule und Haus mit dir sich befreunde, dich schirme und schütze. Dies Streben zu unterstützen und immer wieder von neuem anzuregen, war der Zweck der Illustration und dieser Zeilen. Wer eingehender über den Entwickelungsgang und die Lebensweise der Kröte und ihrer Arten unterrichtet sein will, der greife zu Brehm’s „Thierleben“, dem bekannten Pracht-Verlagswerke des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen! Sicherlich gelingt es der anmuthigen Belehrungskunst Brehm’s, den Leser auch mit diesem verkannten armen Thiere so zu versöhnen, daß er ihr gern mit uns zum Abschied zuruft: „Gehab dich wohl!“

E. Schmidt.


Zwei Leckerbissen aus dem Kieler Hafen.

Es haben sich neuerdings Vereine und Gesellschaften zum Schutze und besseren Betriebe der Fischerei in den beiden deutschen Meeren, der Ost- und Nordsee, gebildet, denen der Staat bereitwilligst allen möglichen Vorschub leistet. Da ist es nun der Kieler Hafen, welcher einen hervorragenden Platz unter den fischreichen Meerbusen der Ostsee einnimmt, sowohl was die Mannigfaltigkeit, als was die Menge der gefangenen Fische anbetrifft. Außer den renommirten Sprotten, die wir hier zuerst nennen, weil sie den Namen Kiels weit hinausgetragen haben über die Grenzen des meerumschlungenen Landes und sogar in der Poesie verherrlicht worden sind, nennen wir: den Häring, den Dorsch, den Wittling, den Gold- und Steinbutt, den Aal, den Hornhecht, die Makrele, die Mießmuschel, die Krabbe, sowie endlich den Krebs, welche alle im Laufe des Jahres reichlich gefangen und zum großen Theil nach auswärts versandt werden. Wie aber so manche welthistorische Schlacht nicht nach dem Dorfe oder kleineren Orte, wo doch der Hauptkampf wüthete und die Entscheidung fiel, benannt worden ist, sondern nach der naheliegenden Stadt, so geht es auch hier, wo es sich um den Siegespreis einer Friedensarbeit handelt. Wenn wir daher die Stadt Kiel ihres fremden Schmuckes entkleiden, so geben wir damit nur der Gerechtigkeit die Ehre.

Wir führen unsere Leser hinüber an das südliche Ufer des Hafens zu dem alten, malerisch gelegenen Dorfe Ellerbek. An den äußersten Abhängen desselben, in einer horizontalen und senkrechten Curve, stehen die kleinen, einstöckigen Häuser mit ihrem weißen Mauerwerk und den grüngestrichenen Thüren und Fensterladen, dem Strande der Ostsee oft so nahe gerückt, daß der sandige Ufersaum nicht selten den kleinen Hofplatz bildet und eine niedrige Steinmauer die Häuser gegen die anschlagenden Wellen schützen muß. Bei gewöhnlichem Wasserstande kann noch ein sandiger Pfad außerhalb derselben für die Passage benutzt werden, von dem eine steinerne Treppe hie und da zu den Häusern hinaufführt. Diese sind nach altsächsischer Weise eingerichtet. Tritt man durch einen Flügel des grobgezimmerten Doppelthores auf die Tenne (Lohdiele), so sieht man zur Rechten und Linken eine Kuh oder Ziege neben einer Masse von Fisch- und Hausgeräth untergebracht, während am innersten Ende sich der große altmodische Kamin befindet, an dessen beiden Seiten blankgescheuertes Messing und Kupfergeschirr hängt. Auf dem Heerde brennt fast beständig ein Torf- oder Spahnfeuer, dessen bläulichen Qualm nur daran gewöhnte Lungen ertragen können. Kleine, niedrige, braun oder grün angestrichene Thüren führen in ebenso niedrige Wohn- und Schlafstuben, deren Fenster nie geöffnet werden. Die meisten Häuser kehren ihre längliche Frontseite dem Meere zu, und nur die älteren haben eine Tiefe in entgegengesetzter Richtung. Kaum daß Raum übrig bleibt zur Anlegung eines kleinen Obst- und Gemüsegartens, welcher den ganzen ländlichen Grundbesitz des Ellerbekers repräsentiert.

Nun freilich, diese Dorfbewohner treiben auch weder Ackerbau, noch irgend ein Handwerk, sondern sind lediglich Fischer. In der richtigen Erkenntniß, daß die Kraft des Einzelnen allein nicht ausreiche, um einen guten Fang zu thun, haben sie unter sich förmliche kleine Innungen geschlossen, welche treu zusammenhalten, gemeinschaftlich ihre Fischzüge unternehmen und mit zehn bis zwanzig Böten oft Tage lang ausbleiben, wenn sie außerhalb der Kieler Bucht in der offenen Ostsee ihre Netze auswerfen. Als gute Christen jedoch fühlen sie sich verpflichtet, stets den Sonntag über zu Hause zu sein. Die Geschäfte sind so vertheilt, daß die Männer den Fang thun, die Frauen aber denselben präpariren und verwerthen.

Wir werden in dieser Ordnung das Ellerbeker Fischerleben unsern Lesern vorzuführen versuchen, nicht zwar in seiner Totalität, das möchte zu weit führen und ermüdend sein, sondern so, daß wir beispielsweise zwei der interessantesten Partien herausgreifen: den Mießmuschel- und Sprottenfang, welche – um ein allerdings etwas gewagtes, aber doch zutreffendes Bild zu gebrauchen – des Ellerbekers Garten- und Feldarbeit repräsentiren. –

Wenn anhaltende Westwinde viel Wasser aus der Kieler Bucht herausgetrieben haben, so sieht man einige hundert Schritte vom Ellerbeker Ufer entfernt, auf einer Linie, die mit der Häuserreihe parallel läuft, hie und da die Spitze eines seiner Krone und Zweige beraubten Baumes aus dem niedrigen Wasserspiegel hervorragen, und wenn man bei ruhiger See in einem Boote über diese Strecke dahinfährt, so bemerkt man unter dem klaren Wasser eine zahlreiche Menge solcher Bäume, fest und unbeweglich mit ihren Spitzen im Grunde steckend, welche sich ausnehmen wie die Einfriedigungen unterseeischer Gärten. Das sind die Muschelpfähle, deren jährlich gegen tausend in dem Kieler Hafen „gesetzt“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Michel Adanson, Vorlage: Adonson
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_134.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)