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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

sich dabei von der hiesigen königlichen Hofapotheke zum weißen Adler hülfreiche Hand leisten. Daß aber eine Art medicamentös-siamesischen Verhältnisses zwischen diesen beiden Arzneiern existirt, läßt die Erklärung des Herrn Bierey in dem „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ (Nr. 45, 1873) ahnen, wo letzterer sagt: „meine Verbindung mit der hiesigen königlichen Hofapotheke beruht auf der Vereinbarung des Commissionsdebites“. Und damit hierbei das Gelaufe nicht immer ist, bereitet die Hofapotheke der Schulbuchhandlung gleich große Töpfe voll von Medicin, aus denen letztere dann kleine Fläschchen füllt. So verfertigt zum Beispiel (und zwar nach der Aussage des betheiligten Apothekers vor Gericht) die Hofapotheke eine Champagnerflasche von schwedischer Lebensessenz für sieben Thaler und Herr Bierey macht für einhundertzwanzig Thaler Fläschchen daraus. Diese Lebensessenz verfertigt aber die Hofapotheke blos nach einer Anweisung der Schulbuchhandlung, trotzdem daß die Ingredienzen dazu (und zwar nach dem gerichtlichen Ausspruche des Apothekers) sehr starke und kräftige sind. Ja in den Bierey’schen Gichttropfen, welche von der Schulbuchhandlung zu beziehen sind, giebt die Schulbuchapotheke dieser Apotheke gegen Recht und Pflicht eine gifthaltige Arznei zum Verkauf in die Hände. Beleuchten wir nun einige wenige der vielen von der Schulbuchhandlung verlegten Schriften mit ihren arzneilichen Anhängseln etwas genauer.

1) Mit der Schrift „Sichere Hülfe für Männer“ verkauft Herr Bierey ein untrügliches Mittel zur Erreichung voller Manneskraft, welches er „Stanley’sche Kraftessenz“ getauft hat und welches (die ganze Flasche für elf Thaler, die halbe für sechs Thaler) einzig und allein von der Schulbuchhandlung bezogen werden kann. Dieses Geheimmittel, welches Herr Bierey selbst zu brauen scheint, ist nur wenige Groschen werth und besteht aus einer Anzahl sehr erregender Gewürze. Es wird, trotz seiner stark erregenden Wirkung, sogar bei Keuchhusten, Wassersuchten, Ruhr und Lähmungen nach Schlagfluß als überaus günstig wirkend empfohlen. – Wo diese Kraftessenz doch noch nicht so kräftig wirken sollte, als es gewünscht wird, da hilft die Schulbuchhandlung durch eine elektrische Bandage (Suspensor) nach, welche aus Pelzwerk besteht und an ihrer innern Fläche mit einem Geheimpulver bestreut ist. Sie kostet nur einen Ducaten, wirkt aber so kräftig, daß sie nicht stets, sondern nur am Tage, oder nur einige Stunden oder wöchentlich nur einige Mal getragen werden darf.

2) Der „Zuverlässige Gichtarzt“ heißt ein Schriftchen, welches die Schulbuchhandlung nur zur Warnung vor schwindelhaften und schädlichen Medicamenten gegen Gicht herausgegeben hat, nebenbei aber dem Leser, welcher an Gicht oder Rheumatismus leidet, ihr einzig sicheres, leicht und schnell heilendes Verfahren, mit Hülfe zweier vortrefflicher Präparate, anräth. Diese Präparate, welche angeblich die vollständigste Sicherheit eines guten Erfolges geben, sind Gicht- und Rheumatismus-Tropfen, à Flacon zwanzig Groschen und Spiritus, à Flacon einen Thaler. Es bestehen diese Tropfen aus Sherrywein mit der giftigen Herbstzeitlose und werden, und zwar ohne ärztliches Recept, in der Hofapotheke bereitet, und wie Herr Bierey sagt, mit der höchsten Sorgfalt. Daß diese Tropfen gefährliche Magenentzündungen etc. veranlassen können, kümmert weder die Schulbuchhandlung, noch die Hofapotheke.

3) Die „echte spanische Klosteressenz“, und die „schwedische Lebensessenz“, welche echt lediglich in der Schulbuchhandlung zu haben sind, sollen von einem Alchymisten Werner in Upsala zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts stammen, und Herr Bierey will neuerdings mit Freuden die Gelegenheit ergriffen haben, das echte Recept zu diesen Essenzen erwerben zu können, zumal da er den hohen Werth derselben aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat. – Die Klosteressenz besteht aus verschiedenen ätherischen Oelen in starkem Alcohol, kostet einen Thaler die Flasche und heilt angeblich nicht nur alle Nervenleiden, sondern auch Katzenjammer, Ohrenzwang, Durchfall, Leber- und Milzanschwellung etc. – Die Lebensessenz soll nicht nur im Stande sein, jede Krankheit (sogar Läusesucht) zu heilen, sondern auch jeden gesunden Menschen gesund und sein Leben bis zur äußersten Grenze der Möglichkeit zu erhalten. Werner soll durch den Gebrauch derselben ein Alter von hunderteinundvierzig Jahren erreicht haben und wäre noch lange nicht gestorben, wenn er sich nicht durch einen Sturz vom Pferde den Tod geholt hätte. Der Vater Werner’s, welcher erst in seinem sechzigsten Lebensjahre anfing sich der Essenz zu ergeben, wurde hundertvier, die Mutter hundertsieben, der Schwiegersohn hundertsechszehn, der Enkel hundertzehn Jahre alt. Diese Lebensessenz, von welcher das Fläschchen einen Thaler kostet und nur den Werth von einigen Groschen hat (siehe oben), ist ein Purgirschnaps aus Aloe, Rhabarber und Lärchenschwamm und durchaus nicht so unschädlich, wie sie von Herrn Bierey gemacht wird.

4) Die Heilung der körperlichen Schwäche kann nach einem Schriftchen der Schulbuchhandlung nur durch Dr. Ardant’s Extrait de chair composé erreicht werden, nicht aber durch das Liebig’sche Fleischextract, da dieses wohl zu nähren, aber nicht zu heilen vermag. Das herrliche Präparat der Schulbuchhandlung, aus dem kräftigsten Fleische mit der höchsten Sorgfalt bereitet (von Wem? ist nicht gesagt), ist ebenso bei schwächlichen Kindern, wie bei matten Greisen und greisenhaften Jünglingen von der wunderbarsten Wirkung. In leichten Fällen reicht eine halbe Flasche für drei Thaler zehn Groschen, in schweren eine ganze für sechs Thaler zur vollständigen Kräftigung aus.

5) Gegen Bleichsucht und Blutarmuth, wogegen nach Bierey in der Regel so undienliche, oft sogar widersinnige Mittel angewendet werden, daß man sich nicht wundern darf, wenn diese Krankheiten häufig so übel verlaufen, besitzt und verkauft (für einen Thaler die Schachtel) nur die Schulbuchhandlung frisch und echt „Dr. Fremont’s Ariston“, ein aus kostbaren und höchst dienlichen Stoffen zusammengesetztes Pulver. Es enthält Eisen und ist nur einige Pfennige werth; wo es bereitet wird, erfährt man nicht.

6) Wer Falten und Runzeln aus der Haut des Gesichts und der Hände verjagen will, dem bietet die Schulbuchhandlung ein unfehlbares Mittel im „Esprit d’Espagne“ von Dr. Laurent. Es reinigt gleichzeitig auch die Haut von allen Flecken. Aber man hüte sich ja vor betrügerischen Nachahmungen und wende sich nur an die Schulbuchhandlung, da es dieser erst in neuerer Zeit nach langem Nachdenken und vielen Versuchen gelungen ist, diese Composition zu entdecken.

7) „Keine Furcht vor der Cholera“ braucht man nach dem Ausspruche der Schulbuchhandlung mehr zu haben, denn diese besitzt Mittel, welche nicht nur Schutz gegen Ansteckung, sondern auch rasche und sichere Hülfe bei ausgebrochener Cholera gewähren. Diese ganz vortrefflichen Präparate, deren heilsame Kräfte unumstößlich festgestellt sein sollen, gehören nicht zu den Speculationsproducten; es sind: Dr. Stern’s Präservativ-Elixir (à Flacon fünfzehn Groschen) und asiatische Cholera-Tropfen (à Flacon zehn Groschen).

Wie meine Herren Collegen, die Mitglieder des ärztlichen Bezirksvereins der Stadt Leipzig, über das Bierey’sche Gebahren urtheilen, geht aus der Zuschrift hervor, mit welcher mich dieselben erfreuten und welche lautet: „Nachdem durch die stattgehabte öffentliche Verhandlung in dem Processe des Professors Bock gegen die Bierey’sche Buchhandlung Thatsachen bekannt geworden sind, welche über das verwerfliche und schimpfliche Treiben jener Buchhandlung ebensowenig Zweifel mehr aufkommen lassen, wie über die Art der Geschäftsthätigkeit der ihm assistirenden Aerzte, hält es der ärztliche Bezirksverein für seine Ehrenpflicht, öffentlich ebensowohl Herrn Professor Bock seinen Dank dafür auszusprechen, daß er jenen tadelnswerthen Geschäftsbetrieb aufgedeckt und für immer gebrandmarkt hat, als auch seine volle Zu- und Uebereinstimmung zu erklären mit den von den Herren Professoren Wagner und Sonnenkalb und Dr. Kühn als Sachverständigen abgegebenen Gutachten.“

Bock.

Kleiner Briefkasten.

M. F. in Basel. Wenden Sie sich an die Herren Daube & Co. Sollen wir zum zehnten Male erklären, daß die „Anzeigen zur Gartenlaube“ nicht ein Unternehmen der Verlagshandlung unseres Blattes sind und daß weder unsere Redaction noch die Verlagshandlung irgend welche Verantwortlichkeit für den Inhalt derselben übernehmen kann? Es fehlte nur noch, daß unsere Redaction auch die Heirathsofferten vermittelte. Die Anzeigen erscheinen bei Daube & Co. in Frankfurt und Leipzig.

Robert a. C. in Philadelphia. Die erwähnte Schriftstellerin, in Süddeutschland lebend, ist keine „liederliche Dirne“, sondern eine durchaus anständige und liebenswürdige Frau, die bejahrte Gattin eines höheren Beamten. Man hat Ihnen einen bösen Bären aufgebunden.

E. J. H. in N. Y. Weder unter den in Leipzigs Nachbarschaft gelegenen „wüsten Marken“, das heißt vormaligen Dorfstätten, noch unter den noch heute vorhandenen Ortschaften befindet sich der Name „Richtig“. Entfernte Aehnlichkeit mit demselben haben Rittmitz, in Urkunden Richnitz genannt, bei Leisnig (circa neun Stunden von Leipzig entfernt) und Regis, urkundlich Rigis genannt, bei Borna (circa sechs Stunden von Leipzig entfernt).

An Karl S. und Julius B., zwei Vermißte! Denkt Ihr Beide, wenn Ihr auch Alles vergessen, wenigstens an den Schmerz und die Sorge Eurer armen Mütter und gebt nur ein Lebenszeichen der Tante Mariechen in B. Kehrt Ihr zurück, so wird mit keinem Wort an das Vorausgegangene erinnert werden.

A. H. in London. Der in der Gartenlaube vor zwei Jahren angekündigte, aber nicht abgedruckte Roman von H. Schmid „Die Türken in München“ ist in Buchform in Leipzig bei Günther erschienen und durch jede Londoner Buchhandlung zu beziehen.

A. H. in Gr. Können Ihnen nur die in Berlin erscheinende „Volkszeitung“ empfehlen.

A. E. in Moskau. Die Erlaubniß, die von Ihnen genannte Erzählung in’s Russische zu übersetzen, steht gegen Honorarzahlung von hundert Thalern zu Diensten.

Aus Rheinhessen. Will sich der „junge Bauer aus Rheinhessen“, der uns das hübsche Neujahrsgedicht einsandte, nicht nennen?


Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Wilhelmine von Hillern,
geb. Birch,
3 Bände. Elegant broschirt. Preis 3 Thlr.

Die Verfasserin hat sich auf dem belletristischen Felde schon durch ihren „Arzt der Seele“ rasch und allgemein Bahn gebrochen. Die Buch-Ausgabe des obigen, früher in der Gartenlaube abgedruckten Romans, die noch vielfach umgearbeitet wurde, wird der talentvollen Verfasserin viele neue Freunde zuführen. Die Kölnische Zeitung, Nr. 68, bezeichnet „Aus eigener Kraft“ als eine der bedeutendsten Erzählungen des letzten Winters.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_234.JPG&oldid=- (Version vom 3.6.2018)