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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


mir für den Landgrafen die Finger zu verbrennen. Er weiß es selbst recht gut, wie man den Erdgeist beschwört, und wenn er ihn sprechen wollte, hätte er mich nicht dazu nothwendig, aber die hohen Herren lassen sich gern durch Andere die Kastanien aus dem Feuer holen. Ha, ha, ha,“ lachte er höhnisch, „dem Wunderlich ist sein Leben und seine unsterbliche arme Seele auch lieb!“

Wunderlich starb 1840. Seine unsterbliche Seele ist nunmehr wohl in die „philosophische Spießglashöhle“ eingedrungen und hat durch sie den Weg zum „Thale Josaphat“ gefunden, wo das große magisterium unverunreinigt aufgehäuft liegt und ewige Gesundheit dem Alchemisten zum Lohne wird, damit er sich immer und immer an dem Borne himmlischer Weisheit zu erquicken vermag.

Seine Maschinen und Apparate wanderten zum Trödler; seine ungeheure alchemistische und kabbalistische Bibliothek erwarb aber die hiesige Hofbibliothek. Um die bibliothekarische Wissenschaft hat sich Wunderlich durch diese Sammlung ein nicht hoch genug zu schätzendes Verdienst erworben, denn seine alchemistische Büchersammlung überbietet alle anderen an Vollständigkeit. In langen Reihen sind diese Bände in einem eigenen Zimmer aufgestellt; aber – wehe Dem, dessen Kopf nicht von Haus aus helle ist, wenn er zu lange in ihrer Nähe verweilt und es sich beigehen läßt, einen Blick in ihren Inhalt zu werfen! Ihre Nähe ist gefahrbringend wie der Duft des Manzanillo, und furchtbar rächt es sich, ihr Geheimniß erforschen zu wollen. Gleich Jenem, der das verschleierte Bild zu Sais enthüllte, wird Der gestraft, der in ihr Geheimniß zu dringen versucht –

          „Auf ewig
Ist seines Lebens Heiterkeit dahin,
Ihn reißt ein tiefer Gram zum frühen Grabe!“

Zwei Diener der Bibliothek, die ihrer Neugierde nicht Zügel anzulegen vermochten, sind durch die Lectüre dieser Bücher buchstäblich verrückt geworden. Bei einigen anderen Liebhabern der geheimen Wissenschaften erlitt die Gehirnthätigkeit gleichfalls bedenkliche Störungen, so daß die Bibliothekare ein- für allemal die Weisung haben, allen Denen, die ein Buch über Alchemie, Dämonologie, Rosenkreuzerthum, Freimaurerei oder etwas Aehnliches verlangen, namentlich Ungebildeten oder Solchen, bei denen es etwa nicht ganz richtig sein konnte, die Auskunft zu verweigern.

„Wir bedauern, daß wir Ihnen nicht dienen können,“ antwortet man höflich. „Alle derartigen Werke mußten wir 1866 zufolge einer Bestimmung des Friedensvertrages an Preußen ausliefern!“

„Ah, daher sind diese preußischen Schurken unsere Herren geworden,“ erwiderte hierauf ein französischer Officier, der während seiner Kriegsgefangenschaft in Darmstadt diesen Zweig der Wissenschaft cultiviren wollte und nun wußte, warum die Preußen solche „Hexenmeister“ sind!




Ein Hauptbureau des Weltverkehrs.


Den meisten Freunden der Gartenlaube, die zugleich Zeitungsleser sind, wird täglich in den Blättern die Bezeichnung „Reuter’s Bureau“ begegnen. Und doch – wie klein dürfte die Zahl derjenigen sein, welche über die Entstehung und Einrichtung dieses in einem gewissen Sinne die Welt beherrschenden Instituts mehr als oberflächlich unterrichtet sind! So trage ich denn gewiß nicht Eulen nach Athen, wenn ich den Lesern der Gartenlaube im Nachstehenden einige authentische Mittheilungen über Zweck und Organisation des genannten Etablissements mache, in dessen politischem Departement ich selbst längere Zeit als Beamter thätig war.

Es sind der Fälle wohl wenige, wo sich aus einem Nichts nach und nach ein so glänzendes Resultat entwickelt hat, als es gerade mit dem Reuterschen Bureau der Fall gewesen ist, – einer Anstalt, die in Deutschland wie auf den Sandwichs-Inseln, in Petersburg ebenso wie in Wellington in Neu-Seeland bekannt ist. Um jedoch die Einrichtung und Manipulationen dieses großen Instituts recht zu verstehen, muß sich der geneigte Leser vorerst über den Zweck desselben klar werden, denn es herrschen in Bezug auf das erwähnte Bureau viele, meist falsche Ansichten, denen gewöhnlich Mißverständniß und Unwissenheit zu Grunde liegen. Man nimmt allgemein an, daß das Reutersche Bureau eigene Telegraphenlinien besitzt, und daß durch sein Hauptcomptoir in London Jeder für sein Geld eine beliebige Depesche absenden kann, wie das in den Staats-Telegraphenämtern zu jeder Minute geschehen darf. Das ist jedoch eine ganz irrige Ansicht. Das Reuter’sche Bureau besitzt keine eigenen Linien, sondern empfängt und sendet seine Privatdepeschen wie jeder Privatmann, das heißt vermittelst der Staatstelegraphen, bezahlt auch für dieselben in baarer Münze, nur daß das Reuter’sche Bureau einmal monatlich seine Rechnung berichtigt, während Privatleute sogleich zu bezahlen verpflichtet sind. Die von diesem Institut mit seinen vielen Agenturen verausgabte Summe Geldes für Telegramme beläuft sich jährlich auf viele, viele Tausende von Pfunden.

Der Zweck des Reuter’schen Bureaus ist in kurzen Worten der: politische und commercielle Nachrichten aus den besten Quellen rechtzeitig zu schöpfen und dieselben auf dem schnellsten Wege an die Zeitungen und Kaufleute zu befördern. Dazu ist es nöthig, überall solche Agenten zu besitzen, die wichtige Nachrichten ohne Zeitverlust in kurzen, aber klaren Worten an das Hauptbureau in London telegraphieren, von wo aus dann die verschiedenen Agenturen gespeist werden.

Das Reuter’sche Bureau in London besteht aus zwei verschiedenen Abtheilungen, nämlich aus der commerciellen und aus der politischen. Wir wollen vorläufig die erste näher in’s Auge fassen. Der Handel Englands interessirt oder beeinflußt mehr oder weniger die ganze Welt, und es ist daher von Wichtigkeit, über dortige Marktpreise, Börsencourse und Stimmungen sofort an die betreffenden Märkte zu berichten, die sich dann in Käufen und Verkäufen darnach richten. So zum Beispiel bedarf Deutschland der Course, der Preise von Manufacturwaaren, Producten etc.; Frankreich der Getreide- und Oelpreise; Rußland, Belgien, Italien, – alle haben ihre besonderen Artikel, die in London auf den Markt gebracht werden und hier Käufer finden. China sendet Thee und Seide; Ostindien Baumwolle, Kaffee, Reis, Zucker; Amerika liefert Petroleum, Terpentin, Häute etc. Von Trinidad kommt Cacao, von Chili Eisen, von Zanzibar Gewürz, von Demerara Rum, von Rio de Janeiro Kaffee und von Mauritius Zucker. Es giebt wohl keinen Artikel, der nicht in England seinen Markt findet. Wiederum aber concentrirt sich nicht alles Geschäft auf London. Die Manchester-Notirungen von Manufacturwaaren sind in diesem Artikel die preisangebenden, wie in Liverpool die Baumwolle, in Birmingham die Viehpreise etc. etc. Es ist also für das Reuter’sche Bureau ein Erforderniß, in jeder wichtigen Handelsstadt einen Agenten zu haben, der sogleich nach Marktschluß über die herrschende Stimmung und die Preise Nachricht sendet, namentlich wenn irgend welche wichtige Veränderung vorgegangen ist, die den betreffenden fremden Markt beeinflußt. Bei der Wahl eines derartigen Agenten muß man vorsichtig zu Werke gehen. Zuverlässigkeit, Unbestechlichkeit, klare Einsicht und namentlich gründliche Kenntniß dessen, was ihm obliegt, – das sind Haupteigenschaften, die das Reuter’sche Bureau fordert und fordern muß, da von den Nachrichten, die von diesem Institut in die Welt gesandt werden, viel abhängt. Ich will nicht behaupten, daß von dem Reuter’schen Bureau niemals eine unrichtige Depesche ausgegangen wäre, das aber behaupte ich, daß dieselbe nie wissentlich falsch abgesandt worden ist, sondern stets auf einem erklärlichen Irrthum beruhte, denn Reuter’s Bureau oder dessen Agenten sind ebensowenig unfehlbar, wie Seine Heiligkeit, Vater Pius in Rom.

Man wird nun vielleicht fragen: was geschieht mit diesen kaufmännischen Nachrichten und in welcher Weise werden dieselben veröffentlicht? Auf diesen Punkt wollen wir zunächst eingehn.

Ein Londoner Kaufmann, der zum Beispiel in Hamburg, Paris, New-York und Calcutta Geschäftsfreunde und Correspondenten hat, würde es ziemlich kostspielig finden, denselben täglich telegraphische Nachrichten über den Markt, dessen Stimmung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_282.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)