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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


durch die vielen Geschenke, welche die Hochzeitsgäste ihnen machen, oft mehr als entschädigt werden.

Mit solchem Jubel und unverhältnißmäßiger Pracht wird ein Bund eingeleitet, der doch (mit wenigen später zu erwähnenden Ausnahmen) im besten Fall bei diesen das Weib so tiefstellenden Völkern nur ein gefühlsarmes Nebeneinanderleben, nicht jedoch ein inniges Herzensverhältniß, ein Seelenbündniß sein kann. Indeß, wie viele Fälle giebt es nicht, wo das „gelbe Gespenst“, die Eifersucht, dazwischen tritt und das Band in furchtbarer Weise zerreißt! Oben war nur von der Eifersucht der Frauen auf einander die Rede, die bei der Vielweiberei eine so große Rolle spielt. Aber leider wüthet sie selbst bei den Ehen, die nicht vielweibig sind. Nur ist es hier hauptsächlich die Eifersucht des Mannes, welche verheerend auftritt. Gewöhnlich denken wir Europäer uns die Eifersucht wie eine chronische Krankheit, die jedoch von Zeit zu Zeit von acuten Anfällen unterbrochen wird, das heißt wie einen dauernd mißmuthigen Zustand, der sich hie und da zu Zornesausbrüchen steigert. Unter den Arabern paßt dies nur auf die rohesten Menschen. Bei der gesitteten Classe sind die Zornausbrüche unterdrückt und selbst der Mißmuth wird mit großer Verstellungskunst verleugnet. Aber der Zorn wüthet im Innern und ruht nicht, bis er sein Ziel getroffen hat. Der Araber, den die Eifersucht ergriffen hat, läßt die Frau, welche sie hervorrief, oft lange Zeit hindurch gar nichts merken. Nach seinem Sittencodex ist sie willenlos, eine Entschuldigung von ihrer Seite leerer Schall. Dennoch verurtheilt sie sein Stolz als dem Tode verfallen, wenn sie ein Denkmal seiner Schande ist. Aber ihr Tod bildet nur ein Nebenmoment. Das Hauptziel ist der Tod des Nebenbuhlers. Dieser ist nicht leicht in’s Werk zu führen, weil auch hierin die heuchlerische Sitte einen Umweg erheischt. Ein Araber würde sich schämen, einzugestehen, daß er einen Mann ermordet habe, weil derselbe bei seiner Frau Glück gefunden. Das hieße ja die Thatsache seiner Schande in die Welt posaunen. Wie aber diesen Zweck erreichen, ohne sich nach den kitzligen Ehrbegriffen dieses Volkes die geringste Blöße zu geben? Darauf giebt folgender Vorfall Antwort, der sich vor etlichen zwanzig Jahren in Algerien ereignet haben soll.

Scheich Walid, der Häuptling eines Stammes, war mit einer jungen Frau vermählt, die er leidenschaftlich liebte. Liebte sie ihn wieder? Er glaubte es, glaubte es lange, bis er sie eines Tages auf freiem Felde (denn auf dem Lande herrscht selbst bei den Arabern eine gewisse Ungezwungenheit) mit einem ihm unbekannten Mann im Gespräch und zwar in sehr freundschaftlichem Gespräch ertappte. Er verrieth mit keiner Miene, daß er sie belauscht habe. Nur erkundigte er sich unter der Hand nach jenem Mann und erfuhr, daß er ein Vetter seiner Frau sei. Nun ist das Verhältniß zwischen Vetter und Base bei den Arabern immer ein höchst eigenthümliches. Man hält es für sehr wünschenswerth, daß sie sich heirathen, ja in vielen Familien sieht man sie, gleichsam von selbst, wie Braut und Bräutigam an. Sie sind nahe genug verwandt, um (bei nicht sehr strengen Stämmen) unbehelligt verkehren zu können, und dennoch entfernt genug, um sich mehr zu sein, als Bruder und Schwester. Dieser Umstand reizte Sidi Walid’s Eifersucht auf’s Höchste. Hätte er seine Frau gefragt, so würde er erfahren haben, daß sie mit ihrem Vetter aufgewachsen und ihn von je her wie einen Bruder betrachtet habe. Statt dessen gab er nur der Eifersucht Gehör. Er beschloß, sich an Beiden zu rächen, zu rächen auf blutige Weise, und da er diesen Entschluß bei kaltem Blut zur Reife brachte, so fand er ein teuflisches Mittel, Beide zu verderben und zwar ohne anscheinend auch nur den Finger aufzuheben.

Er bewog seine Frau, ihren Vetter zum Nachtmahl einzuladen. Dieser kam. Dabei konnte es nicht an Vertraulichkeiten zwischen den Verwandten fehlen. Waren sie auch unschuldig, dem Manne dienten sie zum Vorwand. Als der Vetter fort war, sprach Scheich Walid zu seiner Frau:

„Ich sehe, daß Du eine Neigung zu Deinem Vetter hast. Ich kann Dir deshalb nicht gram sein; denn Vetter und Base sind füreinander bestimmt. Ich will Dir vielmehr Gelegenheit geben, Deine Neigung zu befriedigen. Ich lasse mich von Dir scheiden.“

Bei diesem Worte wollte die Frau eine Einwendung machen. Aber sie sah, daß ihr Mann fest entschlossen war. Sein Wille schien eisern – der eines Weibes gilt bei diesem Volke nichts. Sie wußte, daß ihr nichts übrig blieb, als stillschweigend zu gehorchen.

Der Mann fuhr fort:

„Bist Du von mir geschieden, so wird Dein Vetter ohne Zweifel um Deine Hand anhalten. Heirathe ihn dann! Aber versprich mir Eins: Wenn ich nach einem Jahre an Eurem Zelte vorbeikomme, so eile zu mir heraus und empfange mich in derselben Weise, wie Du mich zu empfangen pflegtest, als ich noch Dein Gatte war.“

Die Frau leistete unbefangen dieses unvorsichtige Versprechen. Sie wurden jetzt geschieden. Da aber ihr Vater inzwischen gestorben war, so blieb ihr keine andere Zufluchtsstätte als das Haus eben jenes Vetters, der jetzt das Oberhaupt ihrer Sippschaft war. Dieses innige Zusammenleben führte wirklich zur Liebe und im Laufe der Tage zur Ehe. Als dies Scheich Walid hörte, entbrannte seine Eifersucht mit doppelter Gluth. Dennoch wartete er ein Jahr. Stets dachte er an das ihm gegebene Versprechen. Als das Jahr vorüber war, ritt er an der Behausung seines Nebenbuhlers vorbei. Da ihn seine ehemalige Gattin sah, erinnerte sie sich ihres Versprechens, kam auf ihn zu und empfing ihn in der alten Weise. Aber ihr neuer Ehemann war nicht fern. Er sah das freundliche Benehmen seiner Frau gegen Den, der einst ihr Gatte gewesen war, und die Eifersucht erfaßte diesmal ihn. Die Leidenschaft machte ihn so wüthend, daß er auf seine Frau zurannte, sie packte und sogleich vor ein Familiengericht stellte, das ihr Todesurtheil aussprach. Bei kaltem Blute wurde sie einige Tage später als Ehebrecherin getödtet. So hatte es Scheich Walid gewollt. So hatte er alle seine Zwecke erreicht. Seine Ehre war im Blute Derjenigen gesühnt worden, die, wie er annahm, sie geschändet hatte. Der Rival fiel auch bald darauf, denn es fand sich ein Bluträcher in der Person eines eben von der Pilgerfahrt nach Mekka zurückgekehrten Bruders der Getödteten, der nicht an ihre Schuld glauben wollte. So wurde er auch an Diesem gerächt, und das ohne eine Hand zu rühren. Außerdem aber konnte Scheich Walid auch noch die Mitgift behalten und die Morgengabe, die er seiner ehemaligen Frau gegeben, zurückverlangen, denn die Familie des Nebenbuhlers hatte seine einstige Gattin als Ehebrecherin erklärt, und diese Erklärung besaß in diesem Falle rückwirkende Kraft. Es war ein Meisterstück von Schlauheit, aber leider auch von blutdürstiger List und Tücke, das Scheich Walid vollbracht hatte.




Pariser Bilder und Geschichten.
Die Kaffeehäuser.
Von Ludwig Kalisch.


Paris zählt mehr als zweitausend Kaffeehäuser. Man darf sich darüber nicht wundern. Dem geselligen Franzosen, der die Weinhäuser nicht kennt, sind sie ein Bedürfniß. Sie sind in Paris ein doppeltes Bedürfniß, da sie bei dem ungeheuren Umfang der Stadt als Zusammenkunftsorte dienen. Man kann sich dort auf halbem Wege begegnen, manche Angelegenheit besprechen, manches Geschäft erledigen, ja, sogar dringende Correspondenzen besorgen; denn in jedem Pariser Kaffeehause werden dem Consumenten die Schreibmaterialien unentgeltlich verabreicht. Welche Bequemlichkeit die Pariser Kaffeehäuser bieten, sieht man erst recht, wenn man einige Zeit in London zugebracht. London hatte im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert seine Kaffeehäuser, und die Bedeutung derselben für den geselligen Verkehr war so groß, daß ihnen Macaulay in seinem Geschichtswerk eine besondere, höchst interessante und belehrende Abtheilung widmet. London hat jetzt nur wenig Kaffeehäuser, wo man noch oben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_311.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)