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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Vor Allem muß in’s Auge gefaßt werden, daß bis zur Entdeckung der neuen Welt in Europa überall der Zucker mangelte. Womit konnten nun damals die Hausfrauen irgend einen bittern Thee versüßen, saure Früchte (Eingemachtes) genießbar machen, als mit Honig? Gewiß werden sie sich und ihre Kinder auch nicht dabei vergessen haben; auch als Arzneimittel war Honig in Gebrauch. Dies Alles tritt jedoch zurück vor der massenhaften Verwendung des Honigs zur Methbereitung und Lebkuchenbäckerei. Die Culturgeschichte sagt uns, was unsere Vorfahren auf das süße Meth-Gebräu hielten. Es war ihr Götter- und Heldentrank, und im Sprüchwort sagte man von ihm:

„Innen Meth und außen Oel,
Stärkt den Leib und frischt die Seel.“

Ueberall im nördlichen Europa ließen sich Fürsten, Ritter, Bürger und Geistliche gar gerne in förmliche Trinkwettkämpfe ein, und es wurden dabei eminente Proben von Tapferkeit im Meth-Trinken abgelegt. Und nun gar die Pfeffer-, Honig- oder Lebkuchen! Wer denkt hiebei nicht an die spendenreiche Weihnachtszeit? Welches Kind wäre nicht geneigt, sein Scherflein zu einem Denkmale für den Erfinder derselben mit Freuden beizutragen, wenn er nur bekannt wäre?! Möglicherweise wurde die Erfindung in Nürnberg gemacht, um den dortselbst so gern weilenden deutschen Kaisern das Regieren zu versüßen.

Das Wachs fand eine ausgedehnte Verwendung in Kerzenform, als Material zum Siegeln und Bossiren und in der Heilkunde. Wachskerzen ohne Zahl funkelten oft bei den nächtlichen Gelagen weltlicher und geistlicher Zecher. Sie zierten oft zu Hunderten die christlichen Altäre. Die wunderthätigen Heiligen der Kirche waren ebenfalls große Wachsfreunde. Nicht nur ließen sie sich gerne in Wachs modelliren, sie beliebten auch den Kranken erst dann zu helfen, wenn ihnen deren kranke Gliedmaßen in Wachs verehrt worden waren.

Der Zeidler geschieht, nach bisheriger Geschichtsforschung, urkundlich zum ersten Mal Erwähnung in einer Verordnung Kaiser Otto’s des Dritten vom Jahre 993. Ausführlich wird der Zeidler und ihrer Gerechtsame erst in einem Documente Karl des Vierten vom Jahre 1350 gedacht. Außer dem Ertrage der ihnen verliehenen Zeidelgüter waren ihnen folgende Rechte verliehen:

Niemand, außer dem über sie gesetzten Oberforstmeister und den Förstern, letztere jedoch nur in beschränktem Maße, durfte Bienen im Walde haben, und alle Schwärme, die in denselben flogen, gehörten ihnen. Alles Holz, das sie zu Bienenständen, Bienenwohnungen und zu ihrem eigenen Häuserbau bedurften, mußte ihnen unentgeltlich aus dem Reichswald verabreicht werden. Brennholz durften sie wöchentlich zwei Fuder abholzen und, was sie davon nicht selbst brauchten, verkaufen. Gleich den Förstern hatten sie das Recht zu pfänden, besonders diejenigen, die sich an den Bienen und an zur Bienenweide geeigneten Bäumen und Sträuchern vergriffen. In allen Städten des Reichs waren sie zollfrei und hatten endlich noch ihre eigene Gerichtsbarkeit.

Diesen Rechten entsprachen natürlich auch die Pflichten. Zunächst waren sie schuldig und verbunden, an Kaiser und Reich ein genau festgesetztes Quantum Honig – später ein bestimmtes „Höniggeld“ – abzuliefern. Die Größe dieser Abgabe richtete sich nach der Größe der Zeidelgüter und betrug von je einem derselben zwei bis zweiunddreißig Nürnberger Maß Honig.

Ihre meiste Sorgfalt mußten sie jedoch dem Walde selbst zuwenden. Schon ums Jahr 1300 war derselbe durch Kohlenbrenner und Pichler (Pechsieder), durch Ausreuter und schlechte Bewirthschaftung äußerst heruntergekommen. Alle Kaiser von Heinrich dem Siebenten an befahlen in nachdrücklichster Weise den Förstern und Zeidlern für die Wiederaufforstung desselben bei Verlust ihrer Rechte unausgesetzt thätig zu sein. Man scheint sich jedoch zur damaligen Zeit wenig um die kaiserlichen Befehle gekümmert zu haben.

Die Zeidler (und mit ihnen die Reichsförster) waren endlich dem Kaiser und Reich zu gewissen außerordentlichen Diensten verbunden, doch so, daß solche auf einen gewissen Raum eingeschränkt waren und vom Reiche belohnt werden mußten. Ihr unmittelbarer Vorgesetzter, „Zeidelmeister“ genannt, mußte ihnen im Dienste des Reiches vorfahren und erhielt dafür außer der Kost und den üblichen Rechten seinen „Weißpfennig“.

Der oberste Lehnsherr der Zeidler war der Kaiser. Bis zum Jahre 1350 stand das ganze Zeidelwesen unmittelbar unter ihm. Als Pfandobject kam die Zeidlerei gegen zweihundert Mark löthigen Silbers wegen der Geldbedürftigkeit der römisch-deutschen Kaiser nach und nach in die Hände der Edlen von Seckendorf, der Burggrafen von Nürnberg und endlich 1427 an die Reichsstadt Nürnberg.

Zweihundert Mark löthigen Silbers waren für jene Zeit schon eine ansehnliche Summe. Die Zeidlerei gerieth in Verfall, als durch die Cultur der neuen Welt Europa mit Zucker aus Westindien versorgt wurde. Noch im Jahre 1583 kostete ein Bienenvolk drei Gulden, eine Kuh fünf Gulden; aber schon 1543 sank der Werth eines „Immen“ auf zwei Gulden; 1548 auf einen und 1555 unter einen Gulden, während eine Kuh dieses ganze (16.) Jahrhundert hindurch um fünf Gulden verkauft wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert lag die Bienenzucht ganz darnieder, doch hielten die Zeidler noch streng auf ihre Gerechtsame und versammelten sich bis 1796 alljährlich sechs Mal in ihrem Hauptorte Feucht zu Gericht, um ihre Verhältnisse zu ordnen.

Zu den mittelalterlichen Sonderbarkeiten gehört die Bewilligung besonderer Gerichtsbarkeiten für einzelne bevorzugte Classen und Stände. Eines solchen Privilegiums erfreuten sich unter Anderen die Geistlichen, Forstbeamten, Studiosen und auch die Zeidler. Wahrscheinlich hatten Letztere ihr Gericht schon vor dem Jahre 1000. In der Bestätigung Karl’s des Vierten vom Jahre 1350 wird ausdrücklich auf das hohe Alter der Zeidlergerechtsame hingewiesen. Auch der Vorsitzende dieses Gerichts hatte ursprünglich den Titel „Zeidelmeister“. Es scheint, daß diese Würde anfangs nicht erblich gewesen. Seitdem aber 1223 das Geschlecht der „Waldstromer“ von den Hohenstaufen mit der Oberforstmeisterei über den St. Laurenzer Wald erblich belehnt war, ging dieses Amt auch erblich an sie über.

Die Waldstromer sollen nach ihrem Herkommen reiche Bauern gewesen sein, die im Nordgau und Rieß bedeutende Güter besaßen. Einer ihres Geschlechts soll dem Kaiser Otto dem Dritten auf dem Reichstage zu Nürnberg eine große Menge Stroh und andere Victualien zugeführt und verehrt haben, woher ihm der Name „Strohmeier“ geworden. Als dieser Bauer vor dem Kaiser erschienen, hat sich derselbe über des Bauers Bescheidenheit und Höflichkeit sehr verwundert und ihm eine Gnade auszubitten erlaubt, worauf derselbe gebeten, von allem Zoll, allen Schatzungen und aller Steuer im Reiche befreit zu sein. Der Kaiser soll ihm das bewilligt und ihn geadelt haben. Nach Diesem haben die Strohmeier ihre Bauerngüter verlassen, sind nach Nürnberg gezogen und hier in kurzer Zeit zu großem Ansehen gelangt. Etliche von ihnen sollen an fürstlichen Höfen, besonders am kaiserlichen Hofe, gedient und viele Gnaden und Freiheiten, sonderlich das Forstamt von dem St. Laurenzer Walde, erlangt, davon sie den Namen „Waldstromer“ erhalten haben.

Im Jahre 1396 traten sie ihre Rechte auf den Wald an Nürnberg ab, blieben aber noch geraume Zeit die Vorsitzenden des Zeidelgerichts, natürlich in reichsstädtischem Dienste und unter dem Titel „Oberrichter“. Wenn ein Zeidler den Zeidelmeister selbst belangen wollte, ging er zu dem Butigilarius, dessen Titel von einer Butte oder einem Bottich, darin man den Honig aufbewahrt, abgeleitet sein soll. Diese Würde war keine erbliche und scheint schon vor 1300 erloschen zu sein. Nach altem Herkommen hatten das Zeidelgericht und der Zeidelmeister ihren Sitz in Feucht, einem ziemlich bedeutenden alten Marktflecken, drei und eine halbe Stunde von Nürnberg, mitten in „des Reichs Bienengarten“ an der sonst sehr frequenten Handelsstraße von Nürnberg nach Regensburg gelegen. Für die frühere Bedeutung dieses Fleckens spricht der Umstand, daß Kaiser Siegismund im Jahre 1431 verordnete: „denselben mit Gräben, Zäunen, Tüllen und anderer Wehre zu umbfahen, zu befrieden und zu befestigen.“ Der ehemalige Herrensitz der Waldstromer dortselbst ist noch in gutem Zustande vorhanden. Das Gerichtslocal in dem dermaligen Postgebäude, ebenfalls noch gut erhalten und decorirt mit den Wappen und Bildern der Zeidelmeister, Oberrichter und Walddeputirten, hat die Alles profanirende Zeit in einen Tanzsaal verwandelt.

Neben den Zeidlern, welche die Mehrzahl der begüterten Bewohner Feuchts bildeten, waren die sämmtlichen übrigen Ortsangehörigen dem Zeidelgerichte unterworfen und hatte der Vorsitzende desselben über die Feuchter Gemeindeordnung zu wachen. Vor das Zeidelgericht gehörten aber nicht allein die an den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_380.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)