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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Beschränktheit ihres Asyls aufmerksam machte, erwiderte sie lächelnd: „Ich habe gute Bücher, ein gutes Gewissen, ein gutes Pianoforte, und so kann man unter den Stürmen der Welt ruhiger leben, als diejenigen, welche diese Stürme erregen.“

Das Wohnhaus in Louisenwahl ist gegenwärtig eines der am wenigsten ansehnlichen auf den sogenannten Hufen (oder Huben). Anders freilich zu Anfang dieses Jahrhunderts. Damals führte noch hinter dem alten Steindammer Thor ein einfacher Landweg in ein langhingestrecktes Dorf hinein, von dem noch jetzt einige schwache Reste sichtbar sind.

Louisenwahl bei Königsberg.
Für die Gartenlaube photographirt von A. Michalki.

Der Weg muß schlecht genug gewesen sein, denn es war die Anlage eines erhöhten Bohlensteiges seitwärts nöthig befunden worden, um ihn zu jeder Zeit gangbar zu erhalten. Auch seine Fortsetzung weiter in’s Samland hinein ließ viel zu wünschen übrig, wie die königliche Familie bei einer Ausfahrt nach dem kaum zwei Meilen entfernten, jetzt auf der Bahn in zehn Minuten erreichbaren Medenau zu ihrer großen Beschwerde erkennen mußte, da man vier Stunden brauchte, um an Ort und Stelle zu gelangen, und bei der Rückfahrt allerhand Malheur hatte, wie es ganz gewöhnlichen Sterblichen manchmal bei solchen „Vergnügungstouren“ begegnet. Das damals dem Regierungs- und Schulrath Busolt, einem großen Verehrer der Pestalozzischen Lehrmethode, gehörige Landhaus in „Hippel’s Garten“ war gewiß im Vergleich zu den Bauerhäuschen auf den Hufen ein ansehnlicher Bau zu nennen, und so wird die Wahl erklärlich.

Der Park auf der andern Seite der Landstraße galt damals jedenfalls für eine Königsberger Sehenswürdigkeit. Der berühmte Humorist Th. von Hippel, Verfasser der „Lebensläufe in aufsteigender Linie“, des Buches über die Ehe und des Lustspiels „Der Mann nach der Uhr“ hatte nach Erwerb des Grundstücks (dessen ursprünglicher Name „Pojentershof“ auf preußisch-heidnischen Besitz zu weisen scheint) dort einen „englischen Garten“ angelegt und ihn in seiner Weise mit sinnigen Anlagen versehen. Die eine Partie ahmte einen Kirchhof nach, der mit Leichensteinen, Schädeln, aufgeworfenen Hügeln und Grabesblumen besät war. Vorn stand auf einer Steinplatte: „Ich, du, er, wir, ihr, sie.“ In der Mitte dieses Todtenackers las man auf einem Steine:

Hier ist all’ Eines,
Herr und sein Knecht,
Großes und Kleines,
Adel und Schlecht.
Und so auch droben
im Himmelreich.
Unten und oben
ist alles gleich.
Glückliches Leben
ohn’ Mein und Dein!
Lern’, Wandrer, streben,
Deß werth zu sein.

An dem Anfange eines langen Ganges im Garten stand auf der Seite an einem Baume:

Dies Leben ist ein Gang,
Er sei kurz oder lang,
In beiden Fällen Dank.

An einer Stelle, wo drei Wege, der eine in die Tiefe des

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_507.JPG&oldid=- (Version vom 3.8.2020)