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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

No. 41.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Künstler und Fürstenkind.

Von August Lienhardt.
(Fortsetzung.)

Die Aufregung schleuderte mir die Feder aus der Hand – jetzt bin ich ruhiger und fahre in der Erzählung fort.

Seit gestern, wo sich das Alles zugetragen, habe ich kein Wort vernommen, welches mir über Hedwig, über den Herzog Kunde gebracht hätte. Ist es nicht natürlich, daß ich wähnen muß, mein guter Genius habe die Fackel gelöscht, und den bösen Geistern der Unterwelt, des Lasters, sei Macht über mich gegeben? Noch gestern eilte ich zweimal zu Werdau, um mein Wort zurückzufordern – beide Male: Nicht zu Hause! Als ich heute Morgen wieder kam und der Diener Miene machte, dieselbe Antwort zu geben, warf ich ihn über den Haufen und trat ohne Weiteres in das nächstliegende Zimmer.

Auf dem Sopha ausgestreckt, eine Cigarette im Mund, die Morgenzeitung in der Hand, lag Werdau da. Bei meinem stürmischen Eintreten sah er auf, und ehe ich sprechen konnte, rief er mir entgegen:

„Ah, herrlicher Junge! Haben sich vortrefflich gehalten, auf Ehre. Ihr point d'honneur ist über alle Zweifel erhaben. Bitte, setzen Sie sich! Ich werde mir eine Ehre daraus machen, mit einem so braven Cameraden Brüderschaft zu trinken!“

Gottfried! Ich riß ihm das Zeitungsblatt weg, mit dem er das Gesicht halb bedeckte, und forderte in so wenig Worten als nur möglich mein Ehrenwort zurück, da ich es haben mußte, um mich bei den sich schändlich betrogen Glaubenden zu rechtfertigen.

„Und wenn ich Ihnen Ihr Ehrenwort nicht zurückerstatte?“ versuchte er leichthin zu fragen, doch las ich die Angst auf seinem Gesichte. Er wollte sich vergewissern, ob mein Schweigen sicher, ehe er wagte, sich zu weigern.

Mit übermenschlicher Kraft hemmte ich meine Wuth und trat vor ihn hin, der jetzt aufgestanden war. Beide Augen fest auf die seinen gerichtet, sprach ich, langsam jedes Wort betonend: „Für Sie giebt es kein Wenn mehr! Mein leichtsinnig gegebenes Wort habe ich in der gestrigen Stunde gesühnt, jetzt bleibt Ihnen nichts mehr zu thun, als es zu meiner Rechtfertigung mir zurückzugeben; Sie haben mir die Achtung derjenigen Menschen geraubt, an deren Achtung mir auf Erden am meisten liegt, haben meinem Namen einen Flecken angehängt, an dessen Folgen ich vielleicht für immer zu büßen habe. Sie können nicht die Niederträchtigkeit so weit treiben, Ihr schändliches Spiel fortzusetzen. Daß Sie es wissen, meine Name, meine Ehre, mein Leben hängt daran,“

„Regen Sie sich nicht so auf, junger Mann, und hören Sie jetzt mich! Ich habe meinem Onkel das Bild als gekauft überreicht; noch an demselben Tage ließ er ein Testament anfertigen, in dem ich als Universalerbe seiner Güter und Titel eingesetzt bin und das schon sicher deponirt ist. Erfährt der gute Mann nur ein Wort der ganzen Geschichte, so ist es für immer mit mir aus. Er wird mich nicht nur enterben, sondern auch die jährlichen Zuschüsse, deren ich nicht entrathen kann, einstellen. Also ist meine Zukunft, natürlich mein Name, meine Ehre, vielleicht mein Leben hier auch im Spiele. Nun frage ich Sie – die Thatsache, daß Jeder sich selbst am nächsten steht, ganz bei Seite lassend – ich frage Sie, bei wem geht der Welt mehr verloren? Wird sie länger trauern um Walter Impach, Maler, oder um Oscar, Graf von Werdau? Sollten Sie auch nicht ganz einsehen, daß hier das Vorrecht auf meiner Seite liegt, so werden Sie sich der Nothwendigkeit fügen, die dadurch hervorgebracht, daß ich mich zur Zeit vorsah und eben deshalb Ihr Ehrenwort verlangte, weil ich früher oder später die gestrige Katastrophe erwartet. Warum gerade jetzt schon dieser verfluchte Pathe von den Kaffern in Afrika kommen mußte, um unser Spiel zu verderben, frage ich mich allerdings jetzt noch. Und weshalb Sie zugaben, daß die Copie von Ihnen, werden Sie mir besser sagen können, als ich Ihnen.“

Ich stand sprachlos; sollte ich staunen über seine Unverschämtheit, meine Wuth meiner Herr werden lassen? Jetzt trat er zum Fenster, sah einige Augenblicke hinaus, dann mit den Fingern auf die Scheiben trommelnd und nach rückwärts blickend, sprach er:

„Wenn meine Argumente Sie noch nicht überzeugt, so will ich noch ein Wort sprechen, dem Sie gewiß nicht widerstehen. Sie zeigten stets Freundschaft für Prinzessin Hedwig. Nun denn, beweisen Sie, daß diese Freundschaft auch Proben bestehen kann. Nehmen Sie mir Ehre und Vermögen, so rauben Sie ihr den Gatten. Denn ihr das zu werden, war mein Vorsatz. Halten Sie Ihr Wort Hedwig zu Liebe! Und dann vergessen Sie doch nicht, daß ich ja von Ihnen nichts umsonst verlange. Ich stehe dafür ein, daß Sie von Herzog Ernst nicht behelligt werden, und will Sie königlich belohnen, wenn Sie ferner schweigen – will für immer Ihr Glück machen. Ich trete Ihnen mein halbes Vermögen, über das ich gegenwärtig frei verfügen kann, ab – im Betrag von dreißigtausend Thalern.“ Er sprach das nachdrucksvoll, jedes Wort betont mit dem Ausdruck der Siegesgewißheit.

Gottfried! Ich hielt mich nicht länger. Wo wäre auch der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 659. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_659.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)