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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Leute aus den Provinzen Leon, Salamanca und Avila. Die aus den größeren Ortschaften trugen größtentheils Mützen und Filzhüte, braune Jacken, lange braune Beinkleider und lederne Schuhe.

In den ersten Tagen ihrer Anwesenheit in San Sebastian waren fast alle diese angehenden Soldaten unzertrennlich von einem kleinen weißleinenen Beutel, den jeder statt eines Tornisters an leinenem Tragriemen auf dem Rücken überall hin mit herumschleppte und in dem die Meisten einige Eßwaaren, vielleicht das letzte, was ihnen Mutter oder Schwester zugesteckt, aufbewahrten. Der Eindruck, den diese armen Kinder des stolzen Spaniens hervorriefen, war eher der von Zigeunerbanden, die in Strafanstalten geführt werden, als von angehenden Soldaten.

Man sieht, wie in Spanien Alles spanisch zugeht, so ging’s auch bei der Recrutenaushebung. Von der Regierung ist fast gar nicht oder doch sehr unvollkommen für die Bekeidung und Unterbringung der Wehrpflichtigen gesorgt worden. Viele Casernen im spanischen Reiche stehen leer, da Vorräthe an Betten und sonstigem Mobiliar fast gänzlich fehlen. In San Sebastian müssen die Bürger alle Lasten der Einquartierung tragen. Als echte Kinder des südlichen Himmels campiren die Recruten indessen meistens unter freiem Himmel.

Scenen, wie unser heutiges Bild eine darstellt, kann man täglich auf den Promenaden San Sebastians und besonders auf den Bänken der Kirchenvorplätze sehen. Da sitzen sie, diese zerlumpten und verhungerten Gestalten, die höchst primitive Feder in den ungelenken Händen, und berichten über ihre beklagenswerthe Lage in die Heimath, an Eltern und Geschwister, an die Geliebte und die Freunde. Diese armseligsten Briefsteller von der Welt, was werden sie den Ihrigen zu erzählen haben! Elend und Entbehrung, Noth und Drangsal. Die Sehnsucht nach besseren Zeiten wird wohl in allen diesen Briefen der immer wiederkehrende Refrain sein, ein Wunsch, der gewiß von allen Völkerschaften des schönen Spaniens getheilt werden wird.


Ein junger Nilpferdjäger. Durch die Freundlichkeit des schon mehrmals in der Gartenlaube erwähnten Thierhändlers C. Hagenbeck in Hamburg sind wir in den Stand gesetzt, einige Abenteuer mit Nilpferden mitzutheilen, welche sein jüngster Bruder Dietrich erlebte, nachdem er eigens auf den Fang von jungen Nilpferden, nach welchen jetzt in den zoologischen Gärten große Nachfrage ist, ausgezogen war. Diese Mittheilungen beweisen zugleich, wie unendlich schwieriger der Fang wilder Thiere, als ihre einfache Jagd ist. Die hier unter den größten Strapazen angestellten Bemühungen blieben ohne Erfolg. Wahrscheinlich hätte aber der junge, kaum zwanzigjährige Jäger doch noch seinen Zweck erreicht und junge Nilpferde erlangt, wenn er nicht in Folge dieser Strapazen und des Klimas vom Fieber auf’s Todtenbett geworfen worden wäre, leider ein Opfer mehr in der langen Liste der von Afrika nicht Wiedergekehrten. – Hier nun die betreffenden Stellen aus den mitgetheilten Briefen, die wir ganz so, wie sie vorliegen, mittheilen:

„Darra Salam (im Suaheli-Lande), 29. April 1873.

Lieber Bruder! Ich bin nun schon wieder einen Monat hinter den Nilpferden hergewesen, habe aber noch keins abfassen können. Es giebt deren hier genug, aber die Eingeborenen sind keine Jäger. Faulheit gehört zu ihren hervorstechendsten Eigenschaften: sie wollen Geld verdienen, aber nichts thun. Kürzlich war ich weiter nach Süden gegangen nach einigen Ortschaften, in deren Nähe zwei kleine Flüsse direct in’s Meer fließen. Eine sechszig Fuß lange Insel diente mir und meinen Leuten zum Wohnorte. Drei Tage lang verfolgte ich ein altes Nilpferdweibchen mit einem Jungen und zwar bei einem Regenwetter, wie wir es in Europa gar nicht kennen. Ich scheuete mich nicht, bis an die Brust in’s Wasser zu gehen und so die Alte längere Zeit hindurch zu verfolgen. Plötzlich dreht sich das Ungethüm um und stürzt, mit aufgesperrtem Rachen und den Kopf nach allen Seiten herumwerfend, auf mich los. Meine Leute, welche meine schweren Elephantengewehre trugen, liefen feige davon und hielten sich nicht einmal auf der Insel für sicher, sondern stürzten sich in’s Wasser, um an’s Ufer zu kommen, so daß mir zu meinem Schutze nur die kleine Doppelbüchse mit Explodirkugeln blieb, welche mir der Schwager Rice in England geschenkt. Mit dieser schoß ich der Bestie, als sie mir bis auf fast drei Schritte nahegekommen war, eine Kugel zwischen Hals und Schulter. Du hättest sehen sollen, wie mein Kiboko (Name für Nilpferd in der Suahelisprache) Kehrt machte! Wie ein Kreisel drehte es sich herum und verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war. – Später habe ich eine Anzahl Fallgruben angelegt und hoffe, auf diese Weise ein Kiboko zu fangen.“

„Bogamoya, 25. Juni 1873.

Lieber Bruder! Endlich habe ich einmal das glückliche Malheur gehabt, ein Kiboko zu fangen, welches anderthalb Meter lang und fünfundsechszig Centimeter hoch war, aber leider nach sechs Tagen starb. Die Geschichte trug sich so zu. Vier Herren, ein Deutscher, ein Engländer, ein Franzose und ein Italiener, besuchten mich in Kingany, und gemeinschaftlich fuhren wir flußabwärts, um Kibokos zu jagen. Wir hatten bereits auf mehrere Herden geschossen, als wir ein großes Weibchen sich in’s Wasser zurückziehen sahen. Nachdem wir an der Uferstelle, wo wir das Thier hatten verschwinden sehen, angekommen waren, rief mein Diener Ira: ‚Kiboko, ein kleines Kiboko, Herr, liegt da und schläft.‘

Ich sah hin, und richtig, ein kleines Nilpferd lag schlafend in einer Schlammfurche. Schnell brachte ich das Boot an’s Ufer, nahm die Harpune zur Hand, und nun ging’s, bis an den Leib in Schlamm und Wasser, darauf los. Als das keine Nilpferd mich erblickte, sprang es auf und lief schreiend zum Wasser, aber ich hatte ihm bereits den Weg abgeschnitten, harpunirte es jetzt und warf mich noch selbst auf das Thier, es fest umarmend. Dabei näherten wir uns aber doch wider meinen Willen dem Wasser, und jetzt zeigte sich auch die Alte, ihren Kopf grunzend aus dem Wasser hebend. Ich rief um Hülfe, und Mr. Makuison kam zu meinem Beistand herbei, als ich mich mit dem Jungen bereits im Wasser herumbalgte. Jetzt banden wir den Gefangenen mit Allem, was zur Hand war, mit Leibbinden, Stricken etc. und zuletzt zog ich ihm noch meinen Segeltuchkittel über den Kopf, denn wir waren Alle von dem Schlamm so schlüpfrig wie das Nilpferd und konnten es nicht mehr fest anfassen. Wir zogen das Thier über ein Brett in’s Boot, und nun ging’s unter strömendem Regen wieder flußaufwärts, verfolgt von dem alten Kiboko, welches sich aber nach einigen Schüssen zurückzog.

Auf halbem Wege, als wir gerade über unser schlammiges Aussehen schwatzten, geräth unser Boot plötzlich in ein unerwartetes Schwanken. Das kleine Nilpferd schreit und zappelt, daß ich es kaum halten kann, und auf einmal erscheint zwei Fuß vom Boot der Kopf eines gewaltigen Kiboko aus dem Wasser, mit offenem Rachen uns angrunzend. Alles griff nach den Flinten, aber das Ungethüm war bereits wieder untergetaucht, als der erste Schuß nach ihm abgefeuert wurde. Meinen Dienern war vor Angst das Rudern vergangen. So ließ ich denn am Ufer anlegen, da das Weiterfahren doch nicht räthlich schien, denn das Boot war schadhaft geworden und die zum Weiterfahren erwünschte Fluth noch nicht eingetreten. Dann aber ging es wieder vorwärts bis zur Dhau (kleines Küstenschiff, mit welchem man auch die Flüsse befährt). Mit einem Bootsegel wurde das keine Nilpferd in das Schiff gehoben, wo ich es unter einem Dach auf Gras bettete. Ich entdeckte dabei eine große Wunde an seinem Hinterbein, welche von einem Krokodilbiß herzurühren schien. Da wir seit sechs Uhr Morgens Nichts genossen hatten und es jetzt sechs Uhr Abends war, so ließ ich ein frugales Essen zurichten, reinigte mich von Schlamm und wechselte die Kleider, denn wir waren mit einer förmlichen Schlammkruste überzogen. Dann fuhren wir wieder flußabwärts der Mündung zu, wo wir Nachts um zwei Uhr ankamen. Am andern Morgen begab ich mich zur französischen Mission und erhielt vom Vorsteher die Erlaubniß, das Thier vorläufig bei ihm unterzubringen. Es bekam einen schönen Platz mit Wasser, nahm auch Milch zu sich, starb aber doch am sechsten Tage, offenbar an der erwähnten Wunde, denn als ich es untersuchte, fand ich den Knochen ganz frei und schon schwarz. Trotzdem hoffe ich doch noch ein Nilpferd zu fangen und am Leben zu erhalten. Ich werde morgen nach dem Wamy River gehen, um mein Glück dort zu versuchen.“

Aber diese Hoffnungen blieben unerfüllt. Merkwürdiger Weise scheinen dazu sogar die neuerlichen Bemühungen der Engländer, den Sclavenhandel in Südost-Afrika abzuschaffen, beigetragen zu haben. Die Eingeborenen waren dadurch so gegen die Europäer gestimmt, daß an mehreren Orten, wo der junge Nilpferdjäger erschien, die Einwohner sämmtlich mit Geschrei flohen und sich nur schwer beruhigen ließen. Die Absichten der Engländer müssen denselben in ganz falschem Licht dargestellt worden sein.



Kleiner Briefkasten.

L. K. in L. Die Beantwortung Ihrer Anfrage bezüglich der Bereitung und Verwendung des Sacca-Kaffee’s hat sich bis heute verzögert, da wir, um Sie gründlich unterrichten zu können, zuvor von einem Handelsplatz, wo dieser Artikel vertreten ist, Erkundigungen einholen mußten; dieselben ergaben Folgendes:

„Der Name Sacca-Kaffee stammt aus Arabien, dem ursprünglichen Heimathlande des Kaffeebaumes. Bekanntlich wächst die Kaffeebohne (oder richtiger der Kaffeekern) nicht so, wie wir sie hier in Deutschland zu Gesicht bekommen. Die Kaffeebohnen, von denen je zwei fest aufeinander liegen, sind vielmehr zunächst mit einer zähen, pergamentartigen Haut, der sogenannten Umhüllungs-Membran, umkleidet, dann aber auch noch von einer dicken fleischigen, kirschenfruchtähnlichen Masse umschlossen. Diese äußere Umhüllung wird nun, nachdem die reife Frucht an der Sonne getrocknet ist, von den Kernen oder Bohnen getrennt, besonders präpariert, geröstet und pulverisirt, um so bereitet unter dem Namen Sultan- oder Sacca-Kaffee als Zusatz zu den gerösteten Kaffeebohnen von dem Araber consumirt zu werden. Diese alte Gewohnheit der Araber hat wohl darin ihren Grund, daß ein mäßiger Zusatz davon dem Kaffeegetränk einen noch schöneren Geschmack verleiht. Wenn der Sultan- und Sacca-Kaffee nicht schon seit längerer Zeit auch in Europa ein allgemeiner Handels- und Consumtionsartikel geworden ist (im „Welthandel“ [1871] wird seiner freilich schon vor einigen Jahren als eines sich besonders in England einer sehr großen Beliebtheit erfreuenden Kaffeesurrogats erwähnt, dessen Herstellung noch als Geheimniß bewahrt würde), so liegt dies wohl nur in der Unkenntniß der Verarbeitung desselben.

Doch nun zur Bereitung des Kaffeegetränkes unter Anwendung des in den deutschen Handel gebrachten Sacca-Kaffee (unseres Wissens bis jetzt nur durch ein Handlungshaus in Hamburg, Firma Gebrüder Lefeldt, geliefert). Vielfache Prüfungen durch Fachleute wie Chemiker haben erwiesen, daß bei Anwendung des Sacca-Kaffees jede Sorte Kaffeebohnen nicht unerheblich an Wohlgeschmack und Kraft gewinnt, ganz abgesehen von der dadurch gleichzeitig erzielten Ersparniß von zwei bis drei Silbergroschen an jedem Pfund gebrannter Kaffeebohnen (bei jetzigen Kaffeepreisen). Man nehme zu drei bis vier Theilen oder 3/44/5 Pfund gebrannter Kaffeebohnen ein Theil oder 1/41/5 Pfund Sacca-Kaffee und verfahre bei der Bereitung des Getränks ebenso, wie man’s bisher mit jedem Kaffee gewohnt gewesen. Dem auf diese Weise bereiteten Kaffee wird sicher ein Jeder – und dies bezieht sich auch auf jeden Feinschmecker – den entschiedenen Vorzug vor dem aus reinen Kaffeebohnen gewonnenen geben, selbst wenn letzterer aus den allertheuersten und besten Sorten auf das Sorgfältigste bereitet würde. Zum Ueberfluß kann noch den Homöopathen die Versicherung gegeben werden, daß mehrfache gründliche chemische Untersuchungen dieses Artikels constatirten, daß solcher nicht die Spur von Cichorie, sondern nur gesunde nährende Stoffe enthält.

Achtjährige Abonnentin in Berlin. Wir bedauern, Ihren Wunsch nicht erfüllen zu können. Sie dürften an Ort und Stelle Hülfe finden.

C. H. Sch. in Leipzig, Math. K. in München, M. M. in B. und E. K. in Posen. Ungeeignet! Manuscripte stehen zur Verfügung.

E. M. in Dresden. Für Novellen haben wir keine Verwendung.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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