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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Blätter und Blüthen.


Ein Besuch in der königlichen Münze in London. Nachdem ich mich wegen einer Einlaßkarte an den Münzmeister gewandt und dieselbe erhalten hatte, fand ich mich Nachmittags auf der Münze ein. Es wurde mir ein Beamter als Führer zugetheilt, und die Wanderung nahm ihren Anfang. Der Weg führte zunächst einen langen Korridor entlang, über einen großen Hofraum, nach einem Seitenflügel des Gebäudes, wo sich der Schmelzraum befindet. Der Führer ersuchte mich, ihm schnell zu folgen, da der letzte Guß soeben beginnen sollte. Die Thür ward geöffnet, und wir traten in einen Raum ein, der einer Schmiede ganz gleich sah. An jedem Ende war ein großer Herd angebracht, doch war heute nur einer in Gebrauch gesetzt. Vor diesem Herde stand ein eisernes Gestell, welches die Formen, die sogleich mit flüssigem Golde gefüllt werden sollten, enthielt. Unter der Decke war ein eiserner Heber mit Ketten befestigt, mittelst dessen der Schmelztiegel vom Feuer entfernt und über die Form gehalten wird, worauf zwei handfeste Männer denselben langsam seines Inhalts entleeren. Diese Tiegel bestehen aus Reißblei oder Graphit, da sich dieses Mineral seiner glatten Oberfläche halber zum Schmelzen edler Metalle besonders eignet. Nach kurzem Warten ward der Tiegel abgehoben. Derselbe war glühend, ebenso wie der Inhalt, nur daß dieser flüssig war. Die ausgeworfene Hitze war fast versengend und machte mich einige Schritte zurücktreten. Das flüssige, rothglühende Gold bot, während es langsam in die Form gegossen wurde, einen prächtigen Anblick. Der Guß dauerte etwa eine Minute; der Tiegel wanderte zum Herde zurück, um dort langsam zu erkalten, während die gefüllten Formen vorläufig ihrem Schicksal überlassen blieben. Mein Begleiter machte mich auf einen kleinen Rollwagen aufmerksam; er stieß denselben verächtlich mit dem Fuße an und sagte: „Da liegen etwa vierhunderttausend Pfund Sterling, die morgen geprägt werden.“ Dieser Wagen enthielt eine Anzahl viereckiger Stangen Goldes, deren jede etwa sechsunddreißig Zoll lang, dritthalb Zoll breit und drei Viertel Zoll dick war, und die zunächst im anliegenden Zimmer in Arbeit genommen wurden. Diese Stangen nämlich werden vermittelst mächtiger Walzen in große Platten ausgerollt und dann mit einer Maschine in Streifen geschnitten, welche an dreißig Zoll Länge, drei Zoll Breite und etwa ein Achtel Zoll Dicke besitzen. Die Walzen können beliebig gestellt werden, um so jeder Platte denselben Durchmesser zu geben.

Nachdem die Platten in Streifen zerschnitten worden sind, wird jeder dieser Streifen durch zwei kleine Stahlwalzen getrieben, die dazu dienen, etwaige Unebenheiten zu entfernen. Alle diese Walzen, Heber etc. werden von einer Dampfmaschine von hundert Pferdekraft in Bewegung gesetzt. Hierauf bringt man die Goldstreifen in ein anderes Zimmer, wo dieselben in drei Theile zerschnitten und in eine andere Maschine gelegt werden, die vermittelst einer Stange runde, natürlich noch ungeprägte Goldstücke hervorbringt. Das Gold hat jetzt begreiflicher Weise seine frühere Härte schon längst wieder erlangt, und um die nächste Maschine, welche der Münze den Rand beibringt, nicht zu sehr anzugreifen, erfolgt vorher ein abermaliges Glühen der Platten. Nach allen diesen Vorbereitungen erst beginnt das Prägen der Münzplatten, die kurz vor diesem Verfahren zum dritten Mal in den Glühofen wandern, um der Bearbeitung zwischen den Stempeln genügend nachzugeben.

Wir begaben uns in das Prägezimmer und wurden von einem so betäubenden Lärm und Getöse empfangen, daß an ein Sprechen mit dem Führer gar nicht zu denken war. In diesem Raume befinden sich vier Prägemaschinen, deren Stoßwerke das ganze Zimmer erschüttern. Hinter der Maschine sitzt ein Mann, der dieselbe mit den bisher ungeprägten Goldplatten speist. Das Prägen der Münzen erfolgt mittelst zweier vertieft gravirter Stempel, zwischen denen eine Münzplatte nach der andern einem augenblicklichen Stoße ausgesetzt wird. Nach dem Stoße geht der Oberstempel hinauf, die geprägte Münze wird durch eine Hebung des Unterstempels fortgeschleudert und zwischen die zwei Stempel fällt eine neue Münzplatte, die demselben Verfahren unterworfen wird. Die geprägten Münzen fallen in große Behälter hinein, und diese werden alle Stunden geleert. Man prägt hier dreiundvierzig, neunundvierzig, ja sogar vierundfünfzig Goldstücke in der Minute.

Man sollte denken, daß damit die Münze fertig sei und nun in Umlauf gesetzt werden könne. Das ist aber nicht der Fall. Obgleich beim Walzen die größte Sorgfalt angewendet wird, so ist es doch unvermeidlich, daß ein Goldstück mehr oder weniger als das andere wiegt, und deshalb bringt man die Münzen endlich in den Wiegeraum. Hier befinden sich vierundzwanzig Maschinen; unter jeder derselben sind drei Behälter angebracht, von denen einer vollwichtige, ein zweiter zu leichte und der letzte zu schwere Münzen in Empfang nimmt. Diese Maschine wurde von dem berühmten Mathematiker Babbage erfunden und ist das vollendetste Werk dieser Art. Die Maschine wird mit Dampfkraft bewegt, wiegt die Münzen und wirft jede einzelne in den richtigen Behälter ohne den Beistand eines Menschen. Alle zwei Stunden werden die Röhren, die sich an der Maschine befinden, mit Goldstücken angefüllt und die Behälter geleert. Die zu schweren oder zu leichten Münzen wandern in den Schmelzofen zurück und haben die Procedur des Prägens etc. noch einmal durchzumachen. – Die Prägung der Silber- und Kupfermünzen ist natürlich der obenerklärten gleich.

Das englische Pfund Sterling enthalt 22karätiges Gold. Zur Verständigung füge ich bei, daß in England Gold zu 24 Karat à 4 Grains à 4 Quarts berechnet wird. Mehrkarätiges Gold als das der Pfunde darf nicht verarbeitet werden."

Von der Münze wird das Gold nach der Bank befördert, in deren Kellern es auf weitere Verfügung wartet. Der Besucher darf sich nur zwanzig Minuten aufhalten und hat deshalb leider nicht die Zeit, sich Alles so genau anzusehen, wie er wohl wünschte – aber auch die kurze Zeit ist höchst interessant.

Emil Woltmann.





Hermann Kletke. Die „Tante Voß“ ist weit über ihre Heimath hinaus bekannt als eine stahlgepanzerte Amazone, die muthig in den vordersten Reihen für Recht und Freiheit kämpft, am Arme ihres geistigen Herrn und Gemahls, des wackern Hermann Kletke. Eine politische Zeitung zu leiten, zumal in Berlin, dem wirbelnden Mittelpunkte der heutigen Welt, ist ein aufreibender Beruf und der ein geborener Dichter, wer inmitten solcher Thätigkeit noch Weihe und Sammlung findet, dem innern Drange Ausdruck zu verleihen. Mag die Partei den Lorbeer des Führers flechten, der Dichter Hermann Kletke, dessen Gedichte jetzt in vermehrter Gesammtausgabe (Berlin, Verlag von E. H. Schröder, 1873) vorliegen, hat auf die allgemeinste Anerkennung wohlbegründeten Anspruch. Der lärmende Streit des Tages, aus dem der Sänger selbst sich geflüchtet, hallt nicht in diesen Strophen wieder: es sind Blüthen edelster Lyrik, deren Duft unwiderstehlich das Gemüth gefangen nimmt. „Lose Blätter“ sind mit wechselnden Stimmungen beschrieben, die überall aus Verständniß und Nachhall zählen dürfen. „Jung und froh“ stürmen wir mit dem Dichter in’s Leben hinaus, und bei „Liebes-Leid und Lust“ werden wir gleich ihm verweilen, sei es in Erinnerung, sei es ahnungsvoll. „Natur und Herz“ erfaßt er in ihren geheimnißvollsten Tiefen, und über „Ein Grab“, das Grab eines geliebten Kindes, hinweg führt er uns zum „Frieden“, und die „Bilder“ entrollen noch einmal des Lebens ganzen Wechsel. Neu und eigenartig sind die „Gedenktafeln“, kurz und glücklich zusammengefaßte Charakterschilderungen großer Menschen – lauter Deutsche, ein einziger Fremder unter ihnen: Napoleon der Erste, die Sphinx des Jahrhunderts, die nunmehr und hoffentlich für immer in den Abgrund sich gestürzt hat.

Unser deutsches Volk ist im Laufe der letzten Jahre ein hervorragend politisches und praktisches geworden: aber die Liebe zu seinen Dichtern hat es sich bewahrt, und unsere Frauen und Jungfrauen halten noch immer jene schön ausgestatteten, goldgeränderten Bände für eine besonders werthvolle Zierde ihres Weihnachtstisches. Und darum wollen wir gerade in dieser Zeit auf den Dichter Hermann Kletke aufmerksam machen, während der Politiker alle Tage selbst sich Beachtung verschafft. Das Buch ist mit seinem Bilde geschmückt, und auch die anspruchsvollste, vielleicht schon öfter enttäuschte Schwärmerin wird zugestehen, daß dies der Kopf eines echten und wahren Dichters, eines Dichters, der das Wort hat, von dem er selbst singt.

„Und wer es hat, das eine Wort,
Dem springt der Felsen auf sofort
Und zeigt ihm aus vergangner Zeit
Die Schätze gold’ner Herrlichkeit.“

A. Traeger.






Vier Kinder suchen ihren Vater. Wenn Johann Wilhelm Taurit noch lebt, welcher noch 1854 Haushofmeister bei dem Grafen Wolochow in Sewastopol war und seine vier Kinder, Dorothea, Charlotte, Alexander und Johann Gustav 1848 in Riga zurückgelassen hatte, wo deren Mutter an der Cholera starb und die Waisen der Barmherzigkeit der Menschen überlassen mußte, so erfahre er hiermit, daß der zuletztgenannte Sohn, derzeit Telegraphen-Revisor in der Gouvernementsstadt Plock in Polen, die Sehnsucht der Geschwister nach ihrem Vater ausspricht.




Kleiner Briefkasten.



M. L. in E. Fassen Sie sich noch einige Wochen in Geduld! Wie versprochen, beginnt der neue Jahrgang mit der auch von Ihnen längst erwarteten Erzählung von E. Marlitt: Die zweite Frau, der später eine zweite von E. Werner: Gesprengte Fesseln folgen wird. Als dritte im Bunde erscheint dann noch eine Novelle von L. Schücking.

Dr. A. M. in Sch. Warum die Gartenlaube nicht wieder auf die Wiener Weltausstellung zurückkommt? Im Hinblick auf die übergroße Fülle des vorliegenden Materials und den sehr beschränkten Raum unseres Blattes glaubten wir dieses Thema mit den vier zum Abdruck gebrachten Artikeln abschließen und eine eingehendere Würdigung desselben in fortlaufenden Artikeln den größeren illustrirten Blättern, wie der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ und den Stuttgarter Journalen überlassen zu müssen.

E. Sch. in L. Ihre Mittheilung in Betreff der Erzählung „Die Kirche von Argenteuil“ war uns sehr willkommen, da sie uns bestätigt, daß die in der genannten Erzählung geschilderte Begebenheit auf Wahrheit beruht. Außer Ihnen berichten uns auch noch andere Augenzeugen dieser Episode aus dem letzten Kriege, daß der Verfasser der „Kirche von Argenteuil“ nur Thatsachen mittheile.

M. v. A. in T. Ausnahmsweise – denn die Gartenlaube darf es kaum wagen, zur Zeit einer andrängenden Bücherfluth Einzelnes zu empfehlen, wenn sie nicht von Allem überfluthet werden will – können wir Ihnen als neu und beachtenswert das „Märchenbuch“ eines Schriftstellers nennen, der Ihnen durch die Gartenlaube bereits bekannt ist. Fr. Hofmann’s „Wundergarten der Kindheit“, soeben bei E. J. Günther hier erschienen. Das Buch ist angenehm ausgestattet und mit Holzschnitt- und Buntdruck-Bildern nach Zeichnungen bekannter Künstler geschmückt. An die Stelle einer Einleitung mit irgend welcher trocknen literarischen Belehrung hat der selbst kinderfrohe Herausgeber eine lebensvolle Schilderung der Entstehung der Märchen und des Weihnachtsfestes im Paradiese in einem großen „Märchenbrief'“ an die deutschen Kinder gesetzt. Auch hat er sein Buch nicht blos mit den altbekannten Märchen angefüllt, sondern auch mit neuen noch ungedruckten bedacht, an welchen die jungen und alten Deutschen sich erfreuen können.





Berichtigung. Bei dem dreimaligen Schriftsatze unseres Blattes hat sich in einem derselben ein störender Druckfehler eingeschlichen, und zwar in Nr. 45, wo in dem Artikel „Die Perle der NordseeSeite 736, zweite Spalte, in der fünfzehnten Zeile von unten statt Fitz-Morse zu lesen ist: Fitz-Maxe, was wir hiermit bezüglich der betreffenden fehlerhaften Exemplare jener Nummer berichtigen.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 786. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_786.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)