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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Schriften in den irischen Schulen schilt derselbe Pius die Bibel „eine Aussaat des Unkrauts, wodurch die Kinder schon früh mit dem heillosen Gift verdorbener Lehre angesteckt werden.“

Leo der Zwölfte bezeichnet in der Bulle vom 3. Mai 1824 die Bibelgesellschaften als „hinterlistige Erfindung“, warnt vor ihrer „tödtlichen Weide“ und nennt eine Bibel in der Volkssprache „todbringendes Geschenk“, eine protestantische Bibel aber gar „Evangelium des Teufels“.

Pius der Achte pflichtet dem Urtheil seines Vorgängers bei, indem auch er die von Bibelgesellschaften verbreiteten Bücher „eine Pest und die gefährlichste aller Ansteckungen“ nennt.

Gregor der Sechszehnte erließ am 8. Mai 1844 eine eigene Bannbulle gegen die Bibelgesellschaften, worin es heißt: „Wir haben beschlossen, sämmtliche Bibelgesellschaften mit apostolischer Autorität zu verdammen.“ Zugleich befiehlt er kraft derselben Autorität den Geistlichen, „die Bibeln in der Volkssprache den Gläubigen aus den Händen zu reißen“.

Pius der Neunte endlich sagt in seinem Rundschreiben an die Bischöfe vom Jahre 1850: „Unter dem Beistand der durch diesen heiligen Stuhl verdammten Bibelgesellschaften entblödet man sich nicht, heilige in die Muttersprache übertragene Bibeln ohne Beachtung der bestehenden Kirchenvorschriften zu verbreiten; unter falschen Vorspiegelungen empfiehlt man den Gläubigen das Lesen derselben. Ihr in Eurer Weisheit, ehrwürdige Brüder, begreift vollkommen, mit welcher Wachsamkeit und Sorgfalt Ihr Euch bemühen müßt, in den Gläubigen einen Schauder vor solch giftigem Lesen zu erwecken. Eure Aufgabe ist, sie zu erinnern daß kein Mensch das Recht hat, mit eigenem Verstande die Bibel zu erklären; daß Keiner sich anmaßen darf, die Schrift anders zu erklären, als die heilige Mutter Kirche, der allein unser Herr die Vormundschaft über den Glauben, die Entscheidung des wahren Sinns und die richtige Auslegung der heiligen Bücher anvertraut hat.“... „Weil also“ – fährt derselbe Pius in seiner Verfügung vom 24. März 1864 fort – „die Erfahrung zeigt, daß, wenn die heilige Schrift allenthalben in der Volkssprache zugelassen wird, daraus durch die Vermessenheit der Menschen mehr Nachtheil als Nutzen entspringt: so sei es in dieser Beziehung dem Urtheil des Bischofs oder des Inquisitors (Ketzerspürers) anheimgestellt, mit Beirath des Pfarrers oder des Beichtvaters das Lesen der von katholischen Verfassern übersetzten heiligen Schrift in der Muttersprache denjenigen zu erlauben, von welchen sie wissen, daß sie durch dieses Lesen keinen Schaden leiden … welche Erlaubniß diese schriftlich besitzen müssen … Wer aber ohne solche Erlaubniß sie zu lesen oder bei sich zu behalten wagt, der soll, bevor er sie dem Diöcesanbischof ausgeliefert hat, keine Sündenvergebung erhalten,“ was nach päpstlichen Begriffen nichts Anderes heißt als: Der soll in Todsünden sterben und – zur Hölle fahren.

Daher kann es nicht auffallen, von Quirinus in seinen Briefen über das vaticanische Concil vom Jahre 1870 zu hören: „Hier in Rom kann man wohl fast in allen Häusern ein Lotterie-Traumbuch finden, aber nie ein neues Testament und nur höchst selten ein Erbauungsbuch. Es ist, als ob der Grundsatz gelten solle: Je unwissender das Volk, desto größer muß der Antheil sein, welchen die Hierarchie dieses Volkes an der Herrschaft in der Kirche hat.“

Dem füge ich nur bei, daß die Bibel von den Papstgläubigen nicht gelesen werden soll, weil die Grundpfeiler des Papstthums und der römischen Curie eben nicht auf der Bibel ruhen.

–h–




Weihnachtsabend im Stall. (Mit Abbildung, Seite 831.) Es ist wirklich nicht blos ein Phantasiebildchen, etwa in eines pferdefreundlichen Künstlers Kopfe entstanden, sondern es ist die reine liebe Wirklichkeit eines Berliner Reiterpferdestalles am Weihnachtsabende, was wir da vor Augen haben. Wie weit diese schöne Sitte außerhalb Berlins verbreitet ist, können wir leider nicht angeben; das aber wird uns versichert, daß nur bei der Garde du Corps ein solches Stallfest nicht zu finden sei. Dagegen ist anzunehmen, daß dasselbe von Berlin sich Bahn in die Provinzen gebrochen habe, schon aus dem einfachen Grunde, weil einem Bedürfnisse des Gemüthes der deutsche Mensch überall mit Vorliebe abzuhelfen pflegt.

Es ist ein harter Dienst, der Reiterdienst. Man sieht nicht umsonst hoch zu Roß auf den Fußsoldaten hinab. In der Sorge für das leibliche Wohl von Roß und Mann nimmt jenes die erste Stelle ein, im Frieden wie im Kriege. Darum ist’s diesem zu gönnen, wenn er am Abende nach der letzten Fütterung und dem Streumachen zum Ausruhen sich so behaglich anlehnen kann, wie’s der Unsrige im Bilde thut. Aber heute ist's Weihnacht: der Kriegsmann hat ja auch eine Kindheit gehabt und hat eine Heimath, ein Vaterhaus, wo jetzt der strahlende Christbaum in einem Winkel des Stübchens oder auf dem alten Familientische steht, oder von der Decke herabhängt – und wie ihm einst als Knabe dort das Herz vor Wonne gelacht, so geschieht es jetzt Anderen, wenn’s nicht ganz still in dem heimischen Raume geworden ist. – Aber wie es auch daheim geworden sein mag, das Herz verlangt sein Recht, es muß seinen Weihnachtsabend feiern, und zwar mit seinem vertrautesten Cameraden. Ohne der menschlichen Freundschaft Eintrag zu thun, steht dem wackeren Reiter sein Pferd sehr nahe, er spricht sogar zu ihm und vertraut ihm Manches, das er sonst für sich behält. Warum soll sich nicht auch sein Pferd gerade heute mit ihm freuen? Also – frisch auf! Die heilige Nacht sinkt herab – es war ja auch ein Stall, in welchem zuerst ihr Stern leuchtete. So schmückt nun jeden Raufenkorb seine Reihe Lichtlein, und wer einen Tannen- oder Fichtenzweig erschwingen kann, belebt das Festbild durch diesen erfrischenden Raufenschmuck. Und so leuchtet der ganze Stall weihnachtfestlich, und ein Theil der Stimmung, der auch um den Familientisch nicht fehlt, ein Zug von heiligem Ernst und feierlicher Stille weht durch die Räume, die sonst an ganz Anderes gewöhnt sind. Es ist gewiß: die Pferde freuen sich mit! Sie wissen, daß ihnen mit dem Lichterscheine eine Freude bereitet werden soll, und sehen sie dies nicht an den Lichtern, so erkennen sie es ganz sicher an den Gesichtern ihrer Reiter, auf die sie sich ja so genau verstehen, wie der Hund. Ja, sie freuen sich, auch wenn sie es in der Freundschaft mit ihren Herren nicht so weit gebracht haben sollten, wie jenes ungarische Husarenroß, dem sein Reiter den Liebesbrief von seinem Schatz vorlas und ihm den Gruß ausrichtete von der Babettl, der guten.

Der Anblick eines solchen Weihnachts-Stallfestes ist um so wohlthuender, als bei der musterhaften Ordnung, Sauberkeit und Aufsicht in derartigen Militärräumen an eine Gefahr durch Feuer nicht zu denken ist; namentlich vom Eingang der Ställe aus übt das weithin übersichtliche Bild der schmucken Thierreihen und bunten Menschengruppen zwischen den flimmernden Lichtern seine überraschende Wirkung aus. Möge die schöne Sitte, von deren Existenz bisher wohl nur wenig bekannt war, treu bewahrt und immer weiter verbreitet werden!




Unvergeßliche Lehre von der Wiener Ausstellung. Wir werden hoffentlich gute Lehren aus der Wiener Ausstellung in das neue Jahr mit hineinnehmen und zwar von den Orientalen, besonders den Japanesen. Sie waren zum ersten Male in dem Turnier der europäischen Industrie erschienen, wurden gesehen und siegten. Die Farbenharmonien auf persischen Teppichen, indischen Shawls oder chinesischen Seidenstoffen wirkten so zauberisch, daß die Stoffe gleich im Anfange wieder und immer wieder, höher und immer höher an immer größere Enthusiasten und Capitalisten verkauft wurden. So muß unsere Kunstindustrie auch zaubern lernen. Wenn Käufer und Käuferinnen in dieser Geschmacksrichtung wählen und anregen, wird sich dies viel eher machen lassen.

Das Geheimniß dieses orientalischen Formen- und Farbenzaubers besteht in sinniger Vertheilung und Dichtung der drei Hauptfarben der Natur, Blau, Gelb und Roth. Jede derselben ist der verschiedensten Tönungen in’s Dunklere und Hellere fähig. Die orientalischen Muster nun wirken angenehm anregend und ungleich befriedigend und beruhigend. Dies kommt daher, weil in ihren Mustern alle die drei Hauptfarben in bestimmten Graden von Schattirung oder Aufhellung in angenehmen, beruhigenden Formen vertreten sind. Letztere wirkten angenehm, weil sie Ruhepunkte und Abschlüsse bieten. Fehlt eine Farbe, so ermüdet das Auge, ergänzt sich die fehlende Farbe und trägt diese auf die gesehenen Farben über, so daß diese unrein, unecht, schmutzig und unbefriedigend erscheinen.

Die Farbenwissenschaft und die Augenkunde lehren, daß das Auge darauf eingerichtet ist, weißes Licht oder die Farben, aus denen es zusammengeflossen ist, zu sehen. Weißes Licht besteht nun wesentlich aus Vereinigung von Blau, Roth und Gelb. Das Vorherrschen einer einzelnen Farbe macht müde, matt oder regt unangenehm auf, zumal wenn auch die Formen etwas zu wünschen übrig lassen. Eine gewöhnliche deutsche Tapete hat erstens fast immer eine vorherrschende Farbe und zweitens eine mechanisch sich bis in’s Unendliche wiederholende Form voll Arabesken, Blumen, Linien, wohl gar Ecken und Spitzen. Solche Farbe ermüdet; solches Einerlei von Form langweilt. Wir müssen orientalisch färben und formen lernen. Das ist die große Hauptlehre, welche dem Abendlande in der Wiener Ausstellung vom Morgenlande wahrhaft bezaubernd eingeprägt ward. Wir meinen damit nicht sclavische Nachahmung, sondern Reinigung unseres eigenen Geschmacks nach diesen Mustern von augenbefriedigender Farbe und beruhigender Form. Das kaufende, sich und seinen Haushalt schmückende Publicum kann durch entsprechende Wahl und Anregung viel zu dieser Läuterung unseres Geschmacks, zur Verschönerung unserer Kleidung und Zimmerausschmückung beitragen. Dies bedeutet mehr, als man glaubt. Geschmacklosigkeit, vorherrschende Einfarbigkeit, mißthönige Farbenzusammenstellungen, langweilige Tapeten, mißfarbige und schlechtgeformte Möbels und Ausschmückungen darin verstimmen und stören, ohne daß man es weiß, den häuslichen Frieden, die Arbeitskraft und die Genußfähigkeit.

Die Wiener Ausstellung hat mit großen Verlusten geschlossen; aber durch praktische Benutzung dieser einzigen aus ihr geflossenen Weisheit können wir mehr gewinnen, als durch die Wiener und Berliner Pleitegeier verschlungen wird.

H. Beta.




Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal und der einundzwanzigste Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Besonders machen wir die Postabonnenten auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Neujahr aufgegeben werden, sich pro Quartal und Exemplar um 1 Ngr. erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 17 Ngr. anstatt 16 Ngr.). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Redaction und Verlagshandlung.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 834. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_834.JPG&oldid=- (Version vom 15.12.2017)