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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Kind die späten Wanderer waren. So wurde denn der Wirthin Töchterlein wohl oder übel zur gewissenbeladenen Mitwisserin zweier flüchtiger Hochverräther. Es hat ihm das Herz nicht gebrochen, denn so viel ich aus den sagenhaften Klängen vergangener Tage erlauschen konnte, credenzt unsere jugendliche Wirthin von damals noch heute munter und frisch die Becher der wandernden, wie der stabilen Menschheit.

Mühler’s „Grad’ aus dem Wirthshaus’ komm’ ich heraus etc.“ wäre nicht übel angebracht gewesen, allein – die Scheidestunde hatte uns betrübt gemacht. Wir drückten uns warm an die Brust. Ein letzter Kuß, ein letzter trauter Druck der Hand! Es war der allerletzte![1]

August und der Wirthin Töchterlein hatten fürsorglich für uns gedacht; der „Nachtwächter von Großebersdorf“, ein ernstes Exemplar seiner nun halbverschollenen Zunft, begleitete uns für ein angemessenes Trinkgeld und im altgermanischen Ornate, mit Horn und Pike, bis an die Marken seiner Staaten, allwo uns am rauschenden Walde die breite, mir wohlbekannte Straße aufnahm. – Noch ein letzter Blick hinab zur freundlichen Herberge, in welcher das Licht soeben erlosch – und wir standen wieder allein „auf weiter Flur“. Wem wäre da wohl nicht die bittersüße Strophe eingefallen:

Auch Keinem hat’s den Schlaf vertrieben,
Daß ich am Morgen weiter geh’.
Sie konnten’s halten nach Belieben –
Von Einer nur, da that mir’s weh.

Etwa anderthalb Stunden später, Morgens nach drei Uhr, schwangen wir uns im Städtchen Münchenbernsdorf über den Gartenzaun des damals dort wohnenden Apothekers Becker, ebenfalls eines alten Universitäts- und Herzfreundes von mir. Auch in diesem stillen Wirkungskreise der alten Firma Mercur und Aesculapius war „der Steckbrief als Vorreiter“ bereits galoppirend eingetroffen. Wir ruhten in diesem Hafen um so sicherer.


  1. August Berg, der damalige Bürgermeister von Weida, starb vierzehn Jahre später in Weimar als Director einer Versicherungsgesellschaft in seinen kräftigsten Jahren. Ich sah ihn seit meiner Flucht nicht wieder.


(Schluß folgt.)




Wem gilt unser Krieg?


Wem gilt unser Krieg? – Euch sei es gesagt,
Die mit tückischer Lippe ihr winselt und klagt,
Daß er wider den Glauben gerichtet,
Daß in Fesseln geschlagen das göttliche Wort,

5
Daß geschändet die Priester am heiligen Ort,

Daß die christliche Kirche vernichtet!

Wem gilt unser Krieg? – Euch werde es kund,
Die im Dunkeln ihr schleicht, zu verderblichem Bund
Eure Fäden und Maschen zu schürzen;

10
Die nimmermehr deutsch ihr gedacht und gefühlt,

Die mit Wälschen ihr äugelt, mit Wälschen ihr wühlt,
Unser Reich und den Kaiser zu stürzen.

Wem gilt unser Krieg? – O, ihr wißt es so gut!
Er gilt jener pfäffisch verlogenen Brut,

15
Die von Rom ihre Losung bekommen;

Er gilt nicht der Kirche und nicht dem Altar,
Er gilt jener heuchlerisch frömmelnden Schaar,
Doch nimmer dem Glauben der Frommen.

Wem gilt unser Krieg – Nicht dem stillen Gebet,

20
Das den Segen der Liebe vom Himmel erfleht,

Gleichviel, wie die Lippe es flüstert –
Doch dem Priesterhaß und dem Dogmenzwang,
Der die Seele des Volkes vergiftend durchdrang
Und den Frieden des Hauses umdüstert.

25
Wem gilt unser Krieg? – Allem Pfaffenbetrug,

Der Afterkirche, dem Götzen voll Lug,
Daß dem Sturm er des Geistes erliege.
Du Gottheit der Treue, der Liebe, des Lichts,
Du schleuderst die Lüge zum Abgrund des Nichts

30
Und führest die Wahrheit zum Siege.


Ernst Scherenberg.




Mafuca.


Als ich mich im August vorigen Jahres auf der Durchreise nach Wien kurze Zeit in Dresden aufhielt, wurde ich, noch ehe ich in den dortigen zoologischen Garten ging, durch große Anschlagezettel darauf aufmerksam gemacht, daß seit Kurzem dort ein Schimpanse, „noch nie hier gesehen“, gezeigt werde. Im Interesse des Gartens freute ich mich darüber, denn daß dieser Affe, ich wollte sagen dieser Halbmensch, eine große Anziehungskraft auf das Publicum ausüben und den zoologischen Finanzen sehr unter die Arme greifen würde, war nach aller Erfahrung vorauszusehen. Sonst aber versprach ich mir keinen neuen Anblick, denn Schimpanses kommen in der That jetzt bereits fast zu viel herüber, insofern nämlich, als die ganz kleinen offenbar besser thäten, wenn sie zu Hause in ihren Wäldern blieben. Um so erstaunter war ich, als ich Mafuca, so heißt die Schimpansin, von Angesicht zu Angesicht sah; denn der Anblick war mir in vieler Beziehung ein neuer. Alle Geschöpfe dieser Art, die ich bisher sah, trugen sich im Gesicht fleischfarbig, Mafuca aber ist besonders um die Augen herum nebst der ganzen, nicht kleinen Gegend bis an’s Maul, Mund wollte ich sagen, ganz schwarz, und auch die anderen noch fleischfarbenen Gesichtsstellen zeigen durch viele schwarze Flecken eine zärtliche Neigung zum Schwarzwerden an. Dieser Unterschied zwischen Mafuca und den mir sonst bekannt gewordenen Schimpanses – denn auch die fleischfarbenen Theile der Hände und Füße haben diese Flecken – kann sehr wohl einen dazu geneigten Naturforscher veranlassen, diesen Halbmenschen einen anderen Artennamen zu geben, denn die eigentliche Basis für die Artenunterscheidung ist ja bekanntlich, Gott sei’s geklagt, spurlos verloren gegangen. Dem sei wie ihm wolle, Mafuca ist schwarz im Gesicht – das war das Eine, was mir auffiel; das Zweite war aber das außerordentlich behagliche Daheim, welches der Director Schöpff ihr eingerichtet hatte.

Alle Schimpanses, die ich bisher sah, befanden sich in einem Käfig, Mafuca aber wohnt. Sie bewohnt einen Raum im Winterhaus, der in Leipzig, wenn ein Ofen darin steht, sofort ein Zimmer genannt wird, wenn er auch noch lange nicht so hoch ist, wie die Wohnung Mafucas. In diesem Zimmer also steht ein Tisch, ein Stuhl, eine Bettstelle; an den Wänden befinden sich verschiedene Bücherbretter, aber ohne Bücher, einige Sitzstangen, und von oben hängen sogar mehrere Seile herab, welche Einrichtung bekanntlich unseren Wohnungen sonst noch fehlt. Ein Kasten mit Holzgitter, worin Mafuca früher eingesperrt gewesen sein mag, vervollständigt die Ausstattung, die also für einen Schimpanse ganz nett ist. Strohsack zum Schlafen und Bettdecke zum Zudecken bekommt sie erst Abends, denn am Tage würde sie beides sehr bald zerbissen oder zerrissen haben, da ihre Bildung erst im Werden begriffen ist. Denn – und nun kommt das Dritte, das mir auffiel – Mafuca[WS 1] ist von einer Ausgelassenheit, über welche, wenn sie ihre Eltern sähen, diese gewiß den Kopf schütteln würden, und die in der That für ein junges Frauenzimmer etwas Auffallendes hat. Selbst ihre Gesellschafterin muß oft darunter leiden, schickt sich aber glücklicher Weise mit gutem Humor in die ihr angewiesene Rolle. Diese Gesellschafterin, eine Schnurrbartmeerkatze, die wir aber auch mit ihrem Taufnamen „Membrole“ nennen wollen, ist mit Mafuca zugleich aus Afrika gekommen. Sie sind von daher auf’s Innigste befreundet, und so jagt denn die große Freundin in ihrer rosigen Laune oft hinter Membrole her, packt sie, wenn sie kann, an deren überflüssig langem Schwanze und schleudert sie nach dem Sprüchwort: „Was sich liebt, das neckt sich“, mit solcher Energie

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mufuca
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_064.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2021)