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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Da es dem Theaterdirector vor Allem darum zu thun war, die neue Oper möglichst bald auf die Bretter zu bringen, war er bemüht, für den Componisten einen Ort aufzufinden, wo dieser möglichst ungestört an’s Werk gehen könne, und er fand ein Plätzchen, wie es den Neigungen Mozart’s, der ein warmer Freund der Natur und ihrer unvergänglichen Reize war, nicht besser entsprechen konnte.

In dem altmodisch umfriedeten Garten, der die eine Hälfte des mittleren großen Hofes im Freihause einnimmt, räumte er Mozart den schmucklosen, hölzernen Gartenpavillon ein, welcher, an die Einfassungsmauer gelehnt, dem Auge einen reizenden Ausblick auf das Gärtchen gewährte. Hier, die blumenbesäeten Wiesen und blühenden Bäume vor seinen Augen, konnte der Meister den Eingebungen seiner überreichen Phantasie lauschen, und im verständnißvollen Anschauen der Natur enthüllte sich ihm das, was in seinen Werken mit den Mitteln höchster Kunst zum Ausdrucke kam, das Schöne.

Mit vollem Eifer gab sich Mozart dem Schaffen hin, so daß die Oper der Hauptsache nach schon im Juli beendet war; doch verzögerte sich die erste Aufführung noch einige Monate, da in der Zwischenzeit noch die Reise nach Prag und dort die Aufführung der zum großen Theile während der Reise dahin componirten Oper „Titus“ erfolgte.

Zur selben Zeit entstand auch jenes berühmte Ave verum, das, an Schönheit des musikalischen Gedankens und an Formenadel selbst unter Mozart’s eigenen Werken einzig dastehend, den Stempel Mozart’scher Weihe am reinsten an sich trägt. Die weihevolle, religiöse Stimmung, die über dieser Tondichtung ruht, beherrscht auch die ernsteren Theile der „Zauberflöte“; ein Hauch tiefer, edler Trauer zieht durch diese Musik und giebt Zeugniß von dem Gemüthszustande, der den Meister jetzt erfaßt hatte. Die rauhe Wirklichkeit des Lebens hatte mit allzu harter Hand an diese zartbesaitete Natur gegriffen, zugleich aber auch das innerste Wesen Mozart’s vertieft und geläutert.

Am 30. September 1791 ging die „Zauberflöte“ zum ersten Male in Scene. Das Schikaneder’sche Theater, nur aus Riegelwänden erbaut, ist längst verschwunden, und an seiner Stelle erhob sich später ein neuer Tract des Freihauses. Ein Exemplar des Theaterzettels aber, welcher die erste Aufführung der Oper ankündigt, ist noch erhalten und zeigt, welch große Wichtigkeit der Theaterdirector seiner eigenen werthen Persönlichkeit beilegte. Nach den in großen Lettern gedruckten Worten: „Zum ersten Male: ‚Die Zauberflöte‘. Eine große Oper in 2 Acten, von Emanuel Schikaneder,“ sind die handelnden Personen aufgeführt, und erst darunter finden sich in kleinerem Drucke die Worte:

„Die Musik ist von Herrn Wolfgang Amade Mozart, Kapellmeister und wirklicher K. K. Kammerkompositeur. Herr Mozart wird aus Hochachtung für ein gnädiges und verehrungswürdiges Publikum, und aus Freundschaft gegen den Verfasser des Stücks, das Orchester heute selbst dirigiren.“

Der Erfolg der Oper, anfangs ein schwacher, steigerte sich in jeder folgenden Aufführung, je mehr die wunderbaren Schönheiten dieses Werkes in’s Verständniß drangen. –

Bald wird die Stätte, wo die „Zauberflöte“ das Licht der Welt erblickt hat, nicht mehr erkennbar sein, und wo sich im Garten einst die gefiederten Sänger lustig in den Zweigen wiegten, wird geschäftiges Treiben und Wagengerassel wiederhallen. Das hölzerne Gartenhäuschen aber wird den Verehrern Mozart’s auch in Zukunft erhalten bleiben. Nachdem es nach Mozart’s Tode lange verwaist und unbeachtet gestanden, nahm sich seiner der im Jahre 1862 verstorbene Fürst Camillo Rüdiger von Starhemberg an, sorgte für die Erhaltung desselben und ließ eine hölzerne Votivtafel daran anbringen. Als nun in jüngster Zeit die Kunde in die Oeffentlichkeit drang, daß das Freihaus verkauft werden sollte, bewarb sich die „Internationale Mozart-Stiftung“ in Salzburg auf Anregung ihres kunstsinnigen Präsidenten, Freiherrn von Sterneck, um das Häuschen, und nachdem Fürst Starhemberg es bereitwilligst der genannten Stiftung zur Verfügung gestellt hat, wird es künftig die Geburtsstadt des großen deutschen Tondichters zieren. Der nächste Herbst wird es, neu aufgerichtet, in alter Form unter den Bäumen des Mirabellgartens wiederfinden.

Alfred Walter.




Blätter und Blüthen.


Komisch und Komiker. Der Verfasser nachfolgender Zeilen läßt als Verwahrung vorausgehen, daß die Ansichten, welche er hier den geehrten Lesern zu unterbreiten sich erlaubt, lediglich die seinen sind, welche, obwohl dieselben nur auf selbstgemachten Erfahrungen beruhen, durchaus nicht den Anspruch auf positive Richtigkeit zu machen sich anmaßen. Es sind aber über Komik und Komiker so merkwürdige Dinge verbreitet, daß es wohl nicht überflüssig ist, wenn einmal ein Praktiker sich darüber ausläßt.

Sprechen wir von der Komik auf der Bühne. Es giebt geborene Komiker und es giebt dazu gemachte. Der geborene Komiker kommt in zwei Gattungen vor – man entschuldige diesen naturgeschichtlichen Ausdruck! Der geborene Komiker Nr. 1 giebt die Komik von innen heraus; er erfaßt die an ihm im Leben vorübergehenden Charaktere mit dem ihm angeborenen Talent meist unbewußt. Alles, was sich auf das bezieht, was er dem Publicum in heiterer Weise wiedergeben und veranschaulichen soll, bleibt, an ihm vorüberziehend, in seinen Eigenheiten gleichsam kleben, ohne daß er augenblicklich daran denkt, den für seine Kunst so wichtigen Moment festzuhalten. Zum Beispiel ist dem Komiker die Aufgabe gestellt, das Aufgeblasene eines Gecken zu zeigen, seine Manieren im Sprechen, im Sichbewegen oder die Unbehülflichkeit, gutmüthige Tölpelhaftigkeit eines dicken Fleischers hinzustellen, die Leichtfüßigkeit und eigenthümliche Beweglichkeit eines Barbiers, die Manieren eines gewesenen, alt gewordenen Tänzers wiederzugeben oder einen Trunkenen feinen und groben Genres (Ersteres bedeutend schwieriger) vorzuführen: so werden ihm diese Aufgaben so gelingen, daß das Publicum sagt: „Der muß einmal Tänzer gewesen sein,“ ein Barbier ausruft: „Wo hat der Kerl die Bewegungen her? und wie geschickt wetzt er das Messer!“ („Kerl“ ist nämlich der Lieblingsausdruck des Publicums für einen Schauspieler, den es gern hat.) Und der Komiker, der talentirte, hat dies nicht studirt, er sagt sich selbst: „Ich habe alle diese Leute gesehen; sie sind Alle an mir vorübergegangen, aber daß ich in jenem Augenblick daran dachte, sie, so zu sagen, in charakteristischer Beziehung bei mir einzuprägen, oder nachträglich mich ihrer erinnernd, mir ihre Manieren durch Uebung anzueignen, kann ich mit gutem Gewissen verneinen.“

Meine Behauptung ist die, daß ein Komiker – ich spreche nur von diesem – der sich vornimmt, diesen oder jenen Charakter zu studiren, nie den Nagel richtig auf den Kopf treffen wird. Es kommt und es ist da!

Wie viele Schauspieler, welche, die sogenannte edle Richtung verfolgen, sehen oft mit Achselzucken auf ihre das Publicum erheiternden Collegen herab. Sie, die nur gewohnt sind, auf dem Cothurn einherzustolziren, und es unter ihrer Würde halten müßten, sich in die Garderobe eines Hausknechts oder Barbiers zu stecken, sie denken nicht daran, daß der Komiker wenigstens ein ebenso guter Schauspieler sein muß, wie sie, und daß die Musen mit der Göttergabe „Humor“, welche dem Komiker außerdem noch zuertheilt sein muß, nicht allzu verschwenderisch umzugehen gewohnt sind.

Wie oft passirt es dem Berufenen nicht, daß er sich auf der Bühne vergeblich müht, die so oft gespielte und vom Publicum belachte Rolle so wiederzugeben, wie er es früher that – es geht nicht, mag er sich mühen wie er will; wenn das Publicum auch wie immer lachte – er ist mit sich selbst unzufrieden und ärgert sich mehr über den ihm gespendeten, sich selbst gegenüber ungerechten Beifall, als daß er darüber erfreut wäre. Und er hat Recht. Der Humor ist mit eisernen Ketten da oben angeschlossen und löst sich nicht immer auf Commando des Schauspielers – er kommt, wann er will.

Eine Erfahrung, welche der Verfasser machte und welche vielleicht auch Anderen seines Faches begegnete, ist ebenfalls eine eigenthümliche und unerklärliche.

Der eben angegebene Fall von der periodisch auftretenden Humorlosigkeit ist häufig mit äußeren Zufälligkeiten verknüpft, welche nach jedes Menschen Meinung gerade dazu beitragen müßten, den Humor zu fördern, statt im Gegentheil ihm hinderlich in den Weg zu treten. Doch wunderbar! Wie oft ist es mir passirt, daß ich, durch äußere Eindrücke in die rosenfarbenste Laune versetzt, hinter der Coulisse stehend mir selbst sagte: „Heute wirst Du einmal Deinem Affen Zucker geben,“ (ein gebräuchlicher Bühnenausdruck), dann hinausging und wie Petrus bitterlich weinte, daß trotz meiner guten Laune der vorerwähnte Casus eingetreten, das heißt der festgebannte Humor nicht gekommen war, wie ich es wünschte.

Im entgegengesetzten Falle indeß kann ich sicher darauf rechnen, daß der göttliche Humor, sei es nun aus Mitleid für den Zustand des Betreffenden, nicht eine Minute auf sich warten läßt, ja in reichster Fülle herabströmt, sobald der Komiker mißgestimmt, traurig ist, ja vielleicht ein vor wenigen Stunden dahingegangenes liebes Familienmitglied, wenn nicht sein Kind betrauert. – Ist das zu erklären? Nein! Aber bei Gott, es ist so!

Wenden wir uns zu der zweiten Gattung geborener Komiker. Hier spreche ich von Verschiedenheiten, über die ich – selbst Komiker – eigentlich nicht sprechen sollte, und einer oder der andere meiner komischen Collegen könnte vielleicht die nicht ganz unrichtige Aeußerung thun: „Erst spricht er von sich selbst – das ist schon arrogant, und nun will er sich gar noch dadurch hervorheben, daß er uns, als Nr. 2, so ansieht, wie er sich oben von den edeln Charakterspielern angesehen glaubte.“ O nein, das will ich nicht; es handelt sich hier nur um die Verschiedenheit der Individualitäten. Der andere Komiker, über den sich das Publicum oft noch mehr vor Lachen ausschüttet als über den erstgenannten, ist wirklich ein geborener Komiker, das heißt er ist schon komisch, sobald er das Licht der Welt erblickt. Dieses gemüthliche und possirliche und doch dabei hübsche Gesicht, die großen brennenden Augen, das schalkhafte Lächeln, das Jeden, der es sieht, wieder zum Lächeln reizt, sagen uns schon: „Er ist wirklich komisch.“ Dieser geborene Komiker ist jedenfalls der bevorzugteste von Beiden, denn

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_071.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)