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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

zugemuthet werden könne, aber in Anbetracht der Verstecktheit seiner Werkstätte und Vorrathskammer fühlte er sich so sicher, daß er unbedenklich auf eine von diesem vorgeschlagene Wette, bei welcher es sich um den Werth einer Kuh handelte, einging. Zum Schlusse dieses Besuches zeigte er seinem Gaste die verschiedenen Räumlichkeiten des Hauses, gleichsam, als wollte er ihm andeuten, daß er hier nichts zu suchen habe, und ihm so die Arbeit des Nachspürens abkürzen.

Trotz vielen Suchens fand „die Kropfglocken“, dem das Auffinden des Versteckes so zu sagen eine Ehrensache geworden war, in der Umgebung nichts, als einen engausgetretenen Fußsteig im Schwarzbeeren- und Alpenrosengestrüpp, der aber kreuz und quer im Walde und zwischen den Felsblöcken herumführte und an dem weder Anfang noch Ende zu erkennen war. Der alte Schmuggler beschloß deshalb, den ersten Schnee abzuwarten, um auf Fußspuren zu kommen. Als im Spätherbste die Gegend weiß geworden war, ging er wieder in den Wald und fand Fährten in allen Richtungen, die sich an vielen Stellen kreuzten und aus denen er ebensowenig klug zu werden vermochte, wie aus dem Fußpfad im Sommer. Schon gab er die Wette für verloren, als er bemerkte, daß gegen einen Punkt hin die Fährten hin und wieder zurückgingen. Es war dies allerdings an mehreren Stellen wahrzunehmen, doch erschienen hier die Spuren häufiger als sonstwo und viel mehr ausgetreten. Eine Fährte führte zu einem alten Baumstamm hin, den wahrscheinlich einmal der Blitz getroffen hatte, denn er war seines Wipfels beraubt und mehrere Aeste, die von ihm abstanden, waren halb verkohlt. Vor diesem Baum, in der Entfernung weniger Klafter, zog sich eine niedrige Felswand hin. Es waren Spuren menschlicher Füße auch zwischen dem Baum und dem Felsen zu sehen. Am Felsen entdeckte „die Kropfglocken“ allerdings ein kleines Bett aus Moos, dieses konnte aber selbstverständlich nur im Sommer benutzt werden. Ueberdies waren die Spuren zwischen Fels und Baum viel weniger ausgetreten. Was konnte auch ein Mensch im Winter an dieser Wand zu schaffen haben?

Der Baum zeigte bei näherer Besichtigung einige dicke, dürre Stümpfe von abgebrochenen Aesten. Auf diesen kletterte der Schmuggler empor und entdeckte nun, daß der Stamm, der mehr als eine Klafter im Durchmesser hatte, inwendig ausgehöhlt und oben mit einem Brette verschlossen sei. Bei diesem Anblicke wurde er der Ueberzeugung, daß er vor der Lösung des Räthsels stehe.

Er drückte an dem Brette, welches den Deckel der Baumhöhlung vorstellte, herum. Plötzlich neigte sich derselbe senkrecht um seine aus einem durchgesteckten Stücke Holz bestehende Achse. Hinabschauend sah er sofort eine Leiter, die im Innern des Baumes befestigt war. So sehr ihn diese Entdeckung freute, so wenig getraute er sich, sie sogleich zu verfolgen. Er spähte vorsichtig umher, ob ihn Niemand gesehen habe, und beschloß, die Untersuchung auf die Nacht zu verschieben. Denn er fürchtete, daß „Neuner“, wenn er ihn hier überraschen würde, von seiner Leidenschaftlichkeit so weit hingerissen werden könne, daß er im Stande wäre, sich an dem Eindringling zu vergreifen.

Als es dunkel geworden war, verfügte er sich mit einer Laterne zu dem Baume. Auch hatte er eine Waffe mitgenommen, um sich gegen „Neuner“ vertheidigen zu können, falls dieser ihn ertappen und angreifen sollte. Er öffnete das Brett, stieg auf der Leiter hinab und erreichte, auf dem Erdboden angekommen, einen Schlüpfgang, der so eng war, daß sich ein Mensch mit Mühe durch ihn hinabwinden konnte. Zwei oder drei Klafter tiefer aber wurde er breiter und führte, nunmehr in Felsen ausgehauen, um die Felswand herum. Nachdem er, auf- und absteigend, einige Krümmungen zurückgelegt hatte, mündete er in eine Höhle, deren Anblick vollständig dem eines Zerwirkgewölbes glich. Da hingen Rehe, Hasen, Füchse, Fleischstücke, Keulen in einem vom Räuchern ganz und gar geschwärzten Raume. Aber auch Schmelztiegel, Schlacken, Geschirre, Bleierze, wie man sie an vielen Stellen im Wettersteingebirge findet, lagen herum. In der Mitte stand ein Windofen, zum Schmelzen eingerichtet.

„Die Kropfglocken“ wollte nunmehr auch entdecken, wohin der Rauch aus diesem Laboratorium abgeleitet werde und wo Gang und Höhlung endigten.

Was die letzte Frage anbelangt, so war sie bald entschieden. Es gab keine Fortsetzung mehr. Der Rauch aber schien durch zerklüftetes Felsgestein seinen Ausweg zu finden. Denn als der Schmuggler sich eine Pfeife ansteckte, merkte er an dem Luftzuge, der den Tabaksqualm nach einer gewissen Richtung trieb, daß sich irgendwo Oeffnungen befinden mußten.

„Die Kropfglocken“ führte sich eine geselchte Rehkeule zu Gemüthe und übernachtete auf Moos in seines Freundes Speisekammer. Als er diesem am nächsten Tage den Verlust seiner Wette ankündigte, war der „Neuner“ anfänglich sehr bestürzt. Bald aber faßte er die Sache von der vernünftigeren Seite auf und machte seinem alten Gefährten den Vorschlag, zu ihm zu ziehen und fortan das Geschäft gemeinschaftlich mit ihm zu betreiben.

So geschah es auch. Beide „arbeiteten“ fort bis zu „Neuner’s“ Tode. Dann setzten Alter und andere Verhältnisse dem Betrieb ein Ende. Das Häuschen wurde verkauft und von der romantischen Sippe sind nur der alte Knabe und die Erinnerung übrig geblieben.

Heinrich Noé.




Amerikanische Unsterblichkeitspolicen.


Um wahrhaft großartige Freigebigkeit kennen zu lernen, muß man nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika kommen. Kein Land der Welt hat so viele öffentliche Wohlthäter aufzuzählen, wie gerade das, welches wegen seiner rastlosen Dollarjagd, wegen seines crassen Materialismus am meisten verrufen ist. Fast jede größere amerikanische Stadt hat ihren speciellen Wohlthäter, wie im Mittelalter jede europäische ihren Schutzheiligen hatte, und man könnte ein dickes, interessantes Buch über die zahllosen Vermächtnisse schreiben, welche fast allenthalben im Lande zum Besten der Volksbildung und Jugenderziehung, der Armen und Kranken bestehen. Man ist hier bereits so daran gewöhnt, reiche Leute einen Theil ihres Vermögens wohlthätigen Zwecken überweisen zu sehen, daß es förmlich auffällt, wenn ein reicher Mann stirbt, ohne diesem Brauche in seinem Testamente Rechnung getragen zu haben, und die kleineren Legate sind thatsächlich schon so zahlreich, daß Vermächtnisse unter fünfzigtausend Dollars kaum noch besonders beachtet werden.

Wie hier zu Lande der reiche Mann erst mit dem Millionär anfängt, so auch der öffentliche Wohlthäter, welcher auf Nachruhm Anspruch machen will. Wer die amerikanischen Philanthropen in einem kurzen Journal-Artikel vorübergehend erwähnen will, der darf thatsächlich nur die nennen, welche halbe und ganze Millionen verschenkten, und diese bilden bereits eine stattliche Reihe. New-York hat seinen Astor, Cooper und Stewart; der New-Yorker Eisenbahnmagnat Vanderbilt hat zwei Hochschulen seiner Religionssecte mit je fünfhunderttausend Dollars dotirt, was ihn übrigens durchaus nicht hinderte, seinen nächsten Angehörigen, denen der Bankerott drohte, jede Hülfe hartherzig zu versagen; Philadelphia hatte seinen Girard, Boston seine Warrens, Hoboken seinen Stevens, St. Louis seinen Mullanphy, Washington seinen Smitshon und seinen Corcoran; am glücklichsten ist jedoch Baltimore, es hat nicht weniger als drei Millionen-Wohlthäter und dabei noch Etwelche in Aussicht. Von diesen Baltimorer Philanthropen soll hier speciell die Rede sein; ihre Namen sind: John Mac Donogh, George Peabody und Johns Hopkins.

Von diesen drei Männern hat bis jetzt nur Peabody einen europäischen Namen, resp. einen Weltruhm. – Man wird sich noch recht wohl des Aufsehens erinnern, welches vor einigen Jahren die Nachricht hervorrief, daß der in London lebende amerikanische Banquier George Peabody Millionen auf öffentliche Stiftungen zum Zwecke der Volks- und Jugendbildung verwendet habe; das Staunen der Welt dürfte jedenfalls noch etwas wachsen, wenn sie erfährt, daß Peabody in Baltimore, derjenigen Stadt, welche das mit 1,400,000 Dollars dotirte Peabody-Institut besitzt, zwei Pairs hat, die es ihm gleich gethan, und von denen Einer jenes großartige Werk durch weit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_097.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)