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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

glänzendere Vermächtnisse noch um ein Bedeutendes übertroffen hat.

Der erste Wohlthäter der Stadt war John Mac Donogh, Stifter des nach ihm benannten landwirthschaftlichen Instituts, welches im October vorigen Jahres in der Nähe von Baltimore eröffnet wurde und in welchem eine Anzahl armer Knaben eine vortreffliche landwirthschaftliche Ausbildung erhalten. Die Zöglinge dieser Anstalt, die mit circa fünfhunderttausend Dollars dotirt ist und jährlich etwa dreißigtausend Dollars aufzuwenden hat, werden während eines vierjährigen Cursus in Allem, was ein gebildeter amerikanischer Oekonom wissen muß, unentgeltlich unterrichtet, außerdem beköstigt und gekleidet, und wenn sie das Institut verlassen, wird für ihr weiteres Fortkommen in väterlicher Weise gesorgt. John Mac Donogh wurde gegen 1780 in Baltimore geboren und wandte ach 1806 als junger Abenteurer nach New-Orleans, um dort sein Glück zu machen. New-Orleans war damals für die östlichen Städte des Landes, was in den dreißiger Jahren Cincinnati, in den vierziger Jahren Texas und Californien, in den fünfziger Jahren Chicago war und heutzutage etwa Duluth oder Omaha ist – der Sammelplatz aller speculativen jungen Leute und problematischen Existenzen des Ostens. Wer in New-York, Boston, Philadelphia oder Baltimore einen dummen Streich gemacht hatte, ging nach der jungen Stadt am unteren Mississippi, um dort Lethe zu trinken und ein neues Leben anzufangen; wer ein kleines Vermögen rasch vermehren wollte, ging nach Louisiana. Unter letzterer Classe von Leuten war auch John Mac Donogh von Baltimore, der wohlerzogene Sohn achtbarer Eltern.

Ein glücklicher Zufall hatte dem jungen Menschen sechstausend Dollars in die Hände gespielt, und mit dieser Summe begann er seine Operationen. Kaum war das Feld einigermaßen sondirt, so kaufte Mac Donogh in der sogenannten Red-River-Gegend eine Strecke werthlosen Landes, natürlich für ein Butterbrod. Der junge Speculant sprach von Stund’ an von Nichts weiter, als von seinen prachtvollen Besitzungen, und nachdem er verschiedene Scheinverkäufe an einen Baltimorer Freund gemacht, gelang es ihm wirklich, einem angesehenen Kaufmanne eine Parcelle seines Landes zu einem ziemlich hohen Preise aufzuschwatzen. Sobald dieser Verkauf bekannt wurde, kauften auch Andere von ihm; seine Transactionen gewannen immer größeren Umfang, und im Jahre 1821 belief sich sein Vermögen bereits auf fünfzehn Millionen Dollars. Mac Donogh war ein Einsiedler und Sonderling, der seine Bedürfnisse auf das geringste Maß beschränkte; da er von Jugend auf für einen Weiberfeind galt, so glaubt man, daß er nie mehr als Ja und Nein mit einem weiblichen Wesen gesprochen habe. So einsam und im eigentlichen Sinne des Wortes freundlos er gelebt hat, starb er auch. Sein Testament machte den als Geizhals bekannten Mann berühmt. Der größte Theil seines Vermögens war der Regierung zum Zwecke der Volkserziehung vermacht; zahlreiche Legate zeigten den Sonderling im grellsten Lichte; nur eins mag hier Erwähnung finden. Mac Donogh, ein medicinischer Autodidakt, bildete sich ein, ein großer Heilkünstler zu sein. Eines Tages kaufte er eine französische Novelle, in welcher der Schriftsteller Leon Gozlan eine neue Heilmethode verfocht. Diese fand den Beifall des Millionärs. Der Novellist, welcher weder als Schriftsteller noch als Heilkünstler den Widerstand der stumpfen Welt zu besiegen vermochte, lebte 1852 elend und arm in Paris und sah einem trostlosen Alter entgegen. Eines Tages suchte ihn der amerikanische Consul von Havre de Grace auf und fragte, ob er der Verfasser jener Novelle sei. Die Frage wird bejaht. „Dann haben Sie in Amerika zehntausend Dollars geerbt, welche Summe Ihnen die Firma Albrecht und Compagnie auszahlen wird,“ sagte der Consul, und die Zukunft des Schriftstellers war sicher gestellt. Der Testator war Mac Donogh.

Das schönste Vermächtniß erhielten jedoch die Städte Baltimore und New-Orleans. Ueber dasselbe schreibt Mac Donogh in seinem Testamente: „Dieser Plan, welchen mein Geist, ohne Zweifel auf höhere Eingebung, entworfen hat und welchen ich jetzt nahezu vierzig Jahre lang mit mir herumtrage, geht dahin, große Besitzungen, Bauplätze in Städten und Häuser zu erwerben, und die Erträge dieser Güter zur Ausbildung armer Kinder zu verwenden. Diese Besitzthümer werden mit der Zeit unzweifelhaft solche Revenuen abwerfen, daß mit denselben die Ausbildung aller armen Kinder in Maryland und Louisiana, sowie noch vieler unbemittelten Kinder anderer Staaten in unserer glücklichen Union bestritten werden kann. Um dieses zu bezwecken und in’s Leben zu rufen, habe ich ein breites und tiefes Fundament gelegt, große Grundflächen in und bei New-Orleans aufgekauft, so daß, wenn gut verwaltet, in künftigen Jahrhunderten deren Revenuen bei der beständigen Ausdehnung der Stadt, welche bestimmt ist, eine der größten und volkreichsten Städte der Welt zu werden, allein jährlich sich auf Millionen belaufen werden. Wenn deshalb Diejenigen, welche nach mir kommen, und welche diese Güter, welche ich aufzuhäufen bestrebt war, zu verwalten haben, darnach trachten, dieselben mit derselben Treue, mit welcher ich gewirthschaftet, zu vermehren und productiv zu machen, dann wird in der That einmal ein förmlicher Berg des Reichthums daraus werden, der noch ungeborenen Geschlechtern durch Jahrhunderte zum Segen gereichen muß.“

Leider sind diese frommen Wünsche des guten Mac Donogh nicht ganz in Erfüllung gegangen und seine praktischen Winke schlecht befolgt worden. Das New-Orleanser Vermächtniß ist nämlich bis auf die Lumperei von fünfundzwanzigtausend Dollars von den Politikern gänzlich gestohlen worden. Die Stadt Baltimore hatte einen kostspieligen Proceß mit New-Orleans zu führen, ehe sie ihr Legat erhielt. Auch hier versuchten die „öffentlichen Diebe“, wie man in den Vereinigten Staaten die Politiker nennen muß, an diesen reichen Fond zu gelangen, um denselben zu reduciren. Er ist jedoch glücklicher Weise sicher gestellt worden. Da die Anstalt kaum zwei Drittel der Zinsen jährlich verzehrt, so kann der Fond mit der Zeit immer noch auf eine Million gebracht werden.

Peabody’s Leben und die Geschichte seiner zahlreichen Stiftungen setze ich als bekannt voraus; es sei nur bemerkt, daß der Banquier der Stadt, in welcher er seine Jugend verlebte und den Grund seines immensen Vermögens legte, stets ein liebevolles Andenken bewahrte, welches er in dem nach ihm genannten Institute verewigte. Dasselbe war anfangs mit fünfhunderttausend Dollars dotirt, erhielt aber später, da die Curatoren sich scheuten, mit einem so geringen Einkommen – wie die Zinsen des obigen Fonds – das Institut in Wirksamkeit treten zu lassen, noch fünfhunderttausend Dollars, und als endlich im Jahre 1866 die Eröffnung stattfinden konnte, bei welcher der Stifter persönlich anwesend war, gefiel ihm das Werk dermaßen, daß er es abermals mit vierhunderttausend Dollars beschenkte. Das Institut enthält eine gewählte Bibliothek, in welcher die classischen Originalwerke aller Culturvölker von den Kings der Chinesen, den Vedas der Inder bis zu Ulfilas’ Bibel und Goethe’s Faust in den besten Ausgaben zu finden sind. Die Bibliothek, welche fortwährend vermehrt wird – wobei man den Wünschen Derjenigen, welche sie frequentiren, in der liebenswürdigsten Weise Rechnung trägt – hat in allen Centralplätzen des Buchhandels, in Leipzig, London, Paris und New-York ihre Agenten, welche derselben beständig neue Schätze zuführen. In der Person des Herrn Dr. Uhler besitzt dieselbe einen umsichtigen und gewissenhaften Custos.

Das Institut zerfällt in drei Hauptabtheilungen. Nämlich außer der Bibliothek, welche im Winter noch für gediegene Vorlesungen in englischer, deutscher und französischer Sprache über wissenschaftliche oder schöngeistige Themata zu sorgen hat, besteht bereits eine Musikschule, die sich wohl mit der Zeit den stolzen Namen Conservatorium erwerben wird. Dieselbe steht unter Leitung des jungen dänischen Componisten Asger Hamerik. Ein Cyklus classischer Orchesterconcerte wird jeden Winter unter der Aegide dieses Zweiges bei dem nominellen Entrée von fünfzig Cents geboten. Sobald der neue Anbau vollendet ist, wird auch eine Abtheilung für bildende Künste in’s Leben treten; das Institut hat schon eine Anzahl von Kunstwerken erworben, so daß der Anfang zu einer Glyptothek und Pinakothek thatsächlich vorhanden ist.

Jetzt zu dem dritten großen Wohlthäter der Stadt, dem Manne, der Peabody übertroffen hat. – Bis vor Kurzem lebte hier ein alter Quäker, Namens Johns Hopkins, der bereits seit einem Menschenalter für den reichsten Kaufmann der Stadt gelten mußte; dabei machte er stets den Eindruck, als ob er seine Kleider beim Trödler kaufe, und wer ihn nicht kannte, der hätte versucht sein können, ihm ein Almosen anzubieten. Der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_098.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)