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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Zimmet und Anderem gemacht ist und ähnlich wie Chocolade schmeckt. Vorschriftsgemäß trocknete ich, nachdem ich getrunken hatte, meine Lippen mit dem von der Sclavin dargereichten, mit Goldstickereien geschmückten Handtuch; es hieße wider alle Regeln der Höflichkeit handeln, wenn man sich des eigenen Taschentuches zu diesem Zwecke bedienen wollte. Und somit war mein Besuch im Harem zu Ende!“

So weit meine Berichterstatterin. Und nun zu den Hochzeiten!

Auf den Einladungskarten, welche bei dieser Gelegenheit ausgetheilt wurden, ward der Name der Braut nicht genannt; denn die Einladung lautete sehr geheimnißvoll etwa so: „Gala-Diner oder Soirée, gegeben zu Ehren der Vermählung der Prinzessin, Tochter des Khedive, mit Ibrahim-Pascha.“ Diese geheimnißvolle Art ist hier, wo man von den schönen Bewohnerinnen der Harems so viel wie Nichts wissen darf, ganz am Platze. Indeß will ich die Indiscretion begehen, Alles haarklein erzählen.

Die ungenannte Prinzessin ist Zenab, die Tochter des Vicekönigs, eine Jungfrau von vierzehn Jahren, die schon seit einem Jahre mit dem jungen Ibrahim-Pascha, dem Sohne Achmed-Paschas, des verstorbenen Bruders des Vicekönigs, verlobt ist. Faika-Hanem, das Adoptivtöchterchen der dritten Frau Ismail-Paschas, von welcher oben die Rede war, wurde mit Mustapha-Bey, dem Sohne des Finanzministers, verlobt, und diese beiden Damen haben in der letzten Woche Hochzeit gehalten. Die mohammedanische Heirath wird immer am Vorabende des Freitags oder des Montags vollzogen, und so wurden denn auch die beiden Bräute am vergangenen Donnerstag und gestern (Sonntag) in den Palast ihrer respectiven Bräutigame geführt, nachdem sie einige Tage im Palaste der Königin-Mutter verbracht hatten, wie es der Brauch heischt.

Man kann sich keinen Begriff von dem Gepränge machen, mit welchem die königliche Braut zu ihrem künftigen Gatten geführt wurde. Infanterie und Cavallerie, begleitet von rauschender Musik, eröffneten den Zug; hinterdrein kam eine lange Reihe von vierspännigen Equipagen, in welchen die zahlreiche Verwandtschaft der Braut verschleiert saß. Die Wagen waren von seltener Pracht und mit Gold- und Silberbeschlägen ausgestattet; das funkelnde Geschirr der Pferde zeigte die feinste Arbeit. Die Sais liefen in schöner, malerischer Tracht vor dem Wagen her; die grotesken Eunuchen ritten hinterher und Alles rief: „Lob dem Propheten!“ Die Braut selbst fuhr in einer sechsspännigen Equipage, welche natürlich alle anderen an Pracht übertraf. Die rothseidenen Gardinen der Wagenfenster waren ganz heruntergezogen. Es lag hierin etwas Geheimnißvolles, das mich ungemein angenehm berührte. Kein Sterblicher, außer ihm, darf die Braut gewahren.

Es hat während dieser Zeit Feste die Fülle gegeben, worüber viel Schönes zu sagen wäre. Die Beleuchtung des unermeßlichen Planes vor Kasr el Aali, dem Palaste der Königin-Mutter, die Feuerwerke, die leuchtenden Triumphbogen, die Tänzerinnen und die charakteristische arabische Musik, all das will ich ungeschildert lassen, da die orientalischen Illuminationen schon tausendmal beschrieben, wohl hunderttausendmal mit „Tausend und einer Nacht“ verglichen und doch niemals veranschaulicht worden sind, weil das geradezu unmöglich ist. Eher will ich eine der Abendgesellschaften im Harem von Kasr el Aali schildern. Gerne räume ich wieder meiner Emissärin das Feld.

„In der Ferne glänzt und funkelt es wie in einem Zauberlande,“ so erzählt sie mir, „goldene Ungeheuer schießen himmelan und werden unter Krachen und Donnern zu schönen Sternen; hohe Fontainen sprühen Feuer. Und doch war es kein Zauberland; je mehr man sich nahte, desto reizender wurde der Anblick. Wagen an Wagen rollen unter den leuchtenden Arcaden, inmitten der wimmelnden Menge durch das hohe Portal von Kasr el Aali zu dem Eingange des Harems. Damen in duftigen Gewändern springen leicht vom Wagen und eilen zwischen Reihen von schönen Pflanzen den unabsehbaren Säulengang hinab. Man muß schnell gehen, denn der Gang ist lang und es ist eisig kalt, wenn man gleich im Orient ist. Eunuchen führen die Damen in den ersten Saal, wo ihnen von Sclavinnen die Shawls abgenommen werden, und die Ceremonienmeisterinnen führen sie bei den Prinzessinnen ein.

Die Räume sind alle glänzend erleuchtet; außer dem mehr langen als breiten, sehr geräumigen Vorsaal, in welchem es von Sclavinnen wimmelt, außer diesem Saal, der in seinem untersten Ende eine Art Käfig aus goldenem Gitterwerk zeigt, aus welchem die Stimmen der Sängerinnen herausklingen und der einen orientalischen Anstrich hat, sind die Räume nach europäischem Muster möblirt. Auch das Diner wird auf europäische Weise servirt. Nach Tische setzen sich die Prinzessinnen in eine Ecke des hintersten Salons. Zunächst Prinzessin Fatma, neben ihr die Frauen Hussein und Hassan Paschas, dann die dritte Gemahlin des Vicekönigs, die Prinzessin Said und die Mutter des Erbprinzen, welche zwar eine Sclavin war, aber doch zur legitimen Frau wurde, weil die mohammedanische Sitte haben will, daß die Königin-Mutter nach dem König die Wichtigste sei, daß dereinst, wenn der Kronprinz König sein wird, die Königin-Mutter keine Sclavin sein dürfe.

Gegen neun Uhr traten mehrere Damen ein. Sie wurden von den Ceremonienmeisterinnen den Prinzessinnen vorgeführt. Eine Jede mußte die Hände der obengenanten Damen, der Reihe nach, je nach dem Rang, den sie in der viceköniglichen Familie einnehmen, an Mund und Stirne führen. Die Eingeladenen saßen Alle rings um den Saal. Im Hintergrunde standen die Sclavinnen, welche dann und wann zu den Prinzessinnen traten, um ihnen eine Cigarrette mit der silbernen Aschenschale zu reichen, denn diese Damen rauchen Alle.

In der Mitte des Gemaches tanzten die berühmten Bajaderen. Die Musik, zu welcher sie sich bewegten, hat einen wundersamen Reiz, wenn dieselbe wehmüthig ist. Es liegt in diesen Melodien, in den Stimmen, welche dazu singen, etwas tief Trauriges, das zum Herzen dringt.

Und die Bajaderen? Ja! die Bajaderen sind verführerisch, wenn sie, katzengleich sich beugend, mit den hübschen Füßchen den Boden schleifen; anmuthig ist es, wenn sie die Köpfchen drehen, so daß das offene Haar im Kreis herumfliegt; aber die ihnen eigene Bewegung, nämlich das Zittern der Beine, indem der Oberkörper vollkommen regungslos bleibt, ist für unsere Augen im höchsten Grade unschön. Sie erschienen nicht wie früher mit offenem Busen, sondern trugen kurze Sammetkleider, mit goldenen Fransen und prächtigen Goldstickereien ausgestattet: sie waren vom Hals bis zu den Füßen und bis an die Hände bedeckt. Die erste Tänzerschaar trug blaue, die zweite violette Kleider. Sie sind alle von derselben Größe und haben sämmtlich Haar von gleicher Farbe, welches sie – natürlich ist es gefärbt – offen tragen.

Prinzessin Said, der melancholischen Weise müde, ertheilte jetzt den Befehl, dieselbe zu ändern. Kaum war das Wort gesprochen, so wurde der wehmüthige Ton zur schwindelnden Tanzmelodie; die Bajaderen faßten sich bei den Händen, rasten in tollen Kreisen herum, bückten sich und schrieen Juch! .... Nein, das war nicht schön. Nun frug man die Damen, ob sie es vorzögen, den Tänzen länger zuzuschauen oder hinunter in’s Theater zu gehen. Die Mehrzahl war für’s Theater. Und dennoch war dies nichts weniger als interessant. Sämmtliche Logen sind mit Gittern aus Silberdraht versehen, auf denen aus Silberpapier ausgeschnittene Blumen kleben. So sind hier zu Lande alle Logen der Harems-Damen eingerichtet, damit diese von den Schauspielern und Musikanten nicht gesehen werden.

Die Welt sieht hinter solchem Silberdraht noch trauriger aus, als sie so wie so schon ist. Ein Pianist – natürlich mit langen Haaren, die immer in’s Gesicht fallen; sonst wäre es ja kein ganzer Pianist – trug uns ein gräßlich langes Potpourri des ‚Rigoletto‘ mit obligaten Variationen vor; es folgte ein Ballet mit Tänzerinnen in Tricot und dummen Schwänken eines Pulcinellas. Man wird mich nicht eine böse Zunge nennen, wenn ich sage, daß dies uns in dem Maße langweilig war, wie es für die türkischen Damen amüsant sein mußte, weil diesen Solches ganz neu ist. Leider greift die Manie, europäische Sitten und Gebräuche nachzuahmen, immer mehr um sich, und es sieht ganz danach aus, als ob die Damen der Harems mit all den alten, charakteristischen Gewohnheiten brechen wollten, außer mit der des bloßen Vegetirens.

Zum Schluß noch einige Worte über die Hochzeit.

Donnerstag Abends begleiteten sie den Bräutigam in die Moschee; Alles war dabei, Paschas, Reiche und Arme. Flackernde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_196.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)