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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

anfangen zu wollen. Hierauf geben die Männer, welche (schon voraus) sich zur Subscription solcher Beträge verbindlich gemacht haben und die sehr geschickt unter dem Auditorium vertheilt sind, mit sonorer Stimme den erforderlichen Bescheid. Und ist der Stein auf solche Weise in’s Rollen gekommen, so sorgt schon das große Bettlertalent, daß er gleich anfangs tüchtige Sprünge macht, bis er endlich bis unter den Hunderten herunter um nichts weniger lebhaft hüpft und zuletzt unter einer Masse von Fünfdollarsbeiträgen verrinnt. – Ein solcher Bettel wurde erst neulich auch in Brooklyn (bei New-York) bei der Wiedereröffnung des abgebrannten und wieder aufgebauten „Tabernacle“, der bekannten „fashionablen“ Kirche Henry Ward Beecher’s in Scene gesetzt. Von dem „großen Bettler“ wurden Subscriptionen im Betrage von fünfunddreißigtausend Dollars zu Stande gebracht. Der Reverend erhält für seine „Arbeit“ zweihundertfünfzig bis tausend Dollars per Sonntag, je nach der Höhe der aufgebrachten Summe. Er steht einzig und unübertroffen da in seiner Sphäre und soll – sehr beschäftigt sein.

D.


„Gegen Rom!“ Die Dichtung soll ein Spiegelbild ihrer Zeit sein. Dieser Forderung ist die deutsche Lyrik namentlich in den letzten Decennien in erhöhtem Grade gerecht geworden. Als vor nunmehr vier Jahren Frankreich Alldeutschland bedrohete, da trat unsere patriotische Dichtung, zuerst anspornend und dann verherrlichend, in die Reihen der Vaterlandsvertheidiger ein und half den großen Kampf glorreich entscheiden.

Heut heißt das Feldgeschrei: „Gegen Rom!“ Der alte Krieg zwischen Kaiser und Papst, der ehedem Jahrhunderte hindurch Deutschland im Harnisch erhielt, ist auf’s Neue entbrannt, und wie damals die Dichter unserer ersten classischen Literatur-Periode, unter ihnen vor Allem ein Walther von der Vogelweide, die Stimme erhoben für Kaiser und Reich, so stellt angesichts der allgemeinen Schilderhebung auch heute die deutsche Lyrik ein streitbares Contingent in die Schlachtlinie und liefert dadurch, wie schon oft, den Beweis, daß ihr die heiligsten Interessen der Nation nicht fremd sind.

„Gegen Rom!“ ist der Titel einer von Ernst Scherenberg in der Bädeker’schen Buchhandlung in Elberfeld herausgegebenen Sammlung von Gedichten reichstreuer deutscher Poeten. Das Buch verdankt die erste Anregung zu seinem Entstehen zunächst dem in Nr. 4 unseres Blattes abgedruckten und mit so allgemeinem Beifalle angenommenen Liede „Wem gilt unser Krieg?“ von Ernst Scherenberg, welches an der Spitze dieses kriegerischen Aufgebots geharnischter Lyrik einhermarschirt. Ihm folgen auf hundertelf Seiten Gedichte von 65 meist namhaften Poeten, scharfe Abkanzelungen des Jesuiten- und Pfaffenthums und bissige Epigramme auf den Papst und seine Schildträger, flotte Fehde-Lieder und schneidige Satiren auf die Unfehlbarkeit und das ganze römische Regiment, kecke Humoresken aus der Geschichte der Zeit und weihevolle Apotheosen der Freiheit in Staat und Leben. Neben anderen trefflichen und einigen matteren Producten enthält das Buch hervorragende Beiträge von Emanuel Geibel, Robert Hamerling, Rudolf Gottschall, Friedrich Bodenstedt, P. J. Willatzen, Friedrich Hofmann, Hermann Lingg, Emil Rittershaus, Hoffmann von Fallersleben, Albert Traeger, Ernst Ziel, Julius Große und dem Herausgeber selbst. Durch das Ganze weht ein so frischer Geist der Propaganda für die Ideen der Freiheit und des Lichts, daß alle Freunde von Kaiser und Reich die Verbreitung dieses echt patriotischen Buches als eine nationale Sache betrachten sollten.




Noch einmal „Unsere schlechten Dienstboten“. Die so gesunden und frischen Aeußerungen der Frau Heyne über dieses Thema (in Nr. 15 der Gartenlaube) sollen im Folgenden durch die Ansichten eines Mannes ergänzt werden, der in der Sache wahrlich ein Wort mitzusprechen befugt ist.

Der im Jahre 1797 verstorbene württembergische Pfarrer J. Fr. Flattich, in Folge seines eigenen großen Haushalts und wiederholter an ihn gebrachter Klagen oft und viel mit der Dienstbotenfrage beschäftigt, that eines Tags einen Ausspruch, der sich an die beherzigenswerthen Haushaltungsregeln unserer Frau Heyne ungesucht anreiht, als ein gar kräftiges Hausmittel gegen allerlei Schäden, die dort in jenem Damenkreise zu Berchtesgaden auf’s Tapet kamen. „Gegen Fehler,“ sagte er aus Anlaß einer solchen Klage, „die wir an unseren Dienstboten wahrnehmen, muß man mit Nachsicht und Geduld verfahren; denn Fehler haben wir Herrschaften alle auch an uns; Fehler dürfen sie wohl haben, wenn es nur keine Laster sind.“

Ich meine, dieser Ausspruch ist ein trefflicher Wegweiser für viele Fälle des häuslichen Lebens, ein Führer zum Frieden, wie ihn gleichfalls Flattich auch sonst als die einzig richtige Sorte von Wegzeigern bezeichnet, der nicht blos wie ein hölzerner Stock am Wege über dem Graben steht, sondern auf dem Wege uns zur Seite bleibt und, wenn man ihm Gehör schenkt, täglich und stündlich viel Gutes stiftet. Auch Frau Heyne wird ihn willkommen heißen und ihm zugestehen, daß er ihr einen der Grund- und Ecksteine bezeichnet, auf dem der wohlgefügte Bau eines guten Hauswesens, wofür sie so gediegene Materialien liefert, zu ruhen hat.

Auch für die Frage, welche doch gleichfalls bei dieser Angelegenheit von Bedeutung ist: wie man es mit auffallend gedankenlosen Dienstboten zu halten habe, liegt die Antwort in diesem Ausspruche. Ein Anderes ist es jedoch, wenn man solche schon hat, ein Anderes, was bei der Wahl neuer Knechte und Mägde zu thun sei; ob man dann lieber auf Leute sein Absehen richten soll, die vor allen Dingen unbedingt, ohne selbst zu denken, sonder Wider- und Hinrede gehorchen, wie man das so häufig als erstes Erforderniß eines guten Dienstboten verlangt, und nicht vielmehr solchen den Vorzug zu geben hat, die eigenes Nachdenken zu den Arbeiten mitbringen. Die gewiß richtige Entscheidung giebt ein anderes Vorkommniß im Haushalte desselben Flattich. Er bedurfte eines neuen Haus- und Gartenknechtes. Eines Morgens erscheint ein Liebhaber zu der Stelle in seinem Studirzimmer. Schweigend tritt er mit ihm an ein Fenster, vor dem ein im besten Alter befindlicher Birnbaum steht. „Der Baum wirft mir zu viel Schatten in’s Zimmer,“ sagt er zu dem Burschen, „geh’ hinunter in den Garten und haue ihn um, damit ich sehe, wie Du arbeiten kannst.“ Ohne etwas zu erwidern, trollt der Angeredete fort, wird aber auf der Schwelle zurückgerufen mit den Worten: „So, jetzt weiß ich schon, daß Du mir nicht taugst. Ich brauche viele Leute im Hause und kann nicht überall dabei sein, wenn sie arbeiten; sie müssen also selbst mit Verstand schaffen. Wer aber ohne Widerrede sich heißen läßt, einen solchen kräftigen Baum umzuhauen, zeigt, daß er selber gar nicht nachdenkt.“

K. L.




Instinct oder Ueberlegung? Als ich vor längerer Zeit eines Abends einen Spaziergang durch den Garten machte, hörte ich in dem nahen Hühnerhofe ein Toben und Lärmen von den betreffenden Insassen, daß ich auf den Gedanken kam, es könnte vielleicht ein hungriger Iltis in den Stall gedrungen sein. Ich öffnete also rasch, aber doch ziemlich leise die Thür und gewann bald die Ueberzeugung, daß in diesen kleinen Staat keine äußere feindliche Macht gedrungen sei, merkte aber eben so schnell, daß das Reich hier mit sich selbst uneins geworden sei. Auf dem Querbalken des Hühnerhauses saßen oder vielmehr standen sechszehn bis zwanzig Hühner in der größten Aufregung. An dem Ende des Balkens stand der stolze Herrscher, der Hahn, und theilte mit seinem Schnabel einem Unterthan seines Reiches solche empfindliche Schläge aus, daß derselbe gezwungen wurde, das Weite zu suchen. Unten standen sechs Küchlein, die durch ihre kläglichen Stimmen zu erkennen gaben, daß sie der Mutter entbehrten, und augenblicklich ruhig wurden, als sie in der verstoßenen Henne die eigene Mutter erkannten. Letztere mochte es für überflüssig erachten, ihre schützende Decke noch länger über die Jungen auszubreiten, und in der Voraussetzung, daß die Kleinen folgen würden, hatte sie den alten Platz oben wieder eingenommen. Der Hahn suchte nun der lieblosen Mutter durch seine handgreifliche Vermittlung die Mutterpflicht wieder zum Bewußtsein zu bringen. Jedoch kaum war die Henne unten, so suchte sie an der entgegengesetzten Seite einen neuen Platz für sich aus, und unten entstand natürlich derselbe Lärm wieder. Der Hahn machte sich nun zum zweiten Male mit noch derberen Schnabelhieben über die Henne her, so daß die Federn davon flogen. Natürlich mußte die Henne wieder hinunter, kam aber eben so rasch wieder nach oben und gab durch solches Benehmen ihrem Gemahle zu verstehen, daß sie unter keiner Bedingung gewillt sei, auf seine Anforderungen einzugehen. Was that nun der Hahn? Er handelte, wenn auch unbewußt, nach dem Sprüchwort: „Nachgeben stillt den Krieg“, flog hinunter, stellte sich in eine Ecke des Hühnerhauses und lockte mit seiner groben Baßstimme so lange, bis er die ganze Nachkommenschaft unter seine Flügel gebracht hatte, und Alles war ruhig.

Bei denjenigen Vögeln, welche paarig leben, wo also Männchen und Weibchen für die Jungen sorgen, wird solches Handeln nicht sonderlich auffallen, wohl aber muß es wunderbar erscheinen bei den Vögeln, welche nicht paarig leben, wo also die Pflege der Jungen ausschließlich der Mutter überlassen ist.

W. Höpke.




Für die Roderich Benedix-Dotation gingen noch ein: Polyhymnia 1 Thlr. 1 Ngr.; Gesellschaft Eintracht in Markneukirchen 2 Thlr.; durch Aufführung des „Doctor Wespe“ in der Liebhabertheatergesellschaft in Lenzburg (Schweiz) 80 Thlr. (300 Franken); Gesellschaft Fidelio in Essen, durch Theatervorstellung zum Besten der Benedix-Stiftung 47 Thlr. 1½ Ngr.; Kränzchen in Preußisch-Stargard 10 Thlr.; ein Kriegsreservist des dritten sächsischen Reiterregiments 5 Thlr.; vom Bürgervereine und Vereine Paradies in Zerbst, Nettoertrag einer Vorstellung des „Steckbriefs“ 30 Thlr.; Dilettanten-Verein Victoria in Frankfurt a. M. 60 fl.; Ertrag einer Aufführung des „Doctor Wespe“ durch den dramatischen Verein Thalia in Elsfleth 33 Thlr. 10 Ngr.

Die Gesammtsumme der Benedix-Dotation beträgt nunmehr:

5132 Thlr. 22 Ngr. 5 Pf.

über deren Empfang ich hiermit im Namen des Comités nochmals dankend quittire. Das Comité wird sich später selbst über die Verwendung der Gelder des Weiteren aussprechen.

Ernst Keil.




In der Verlagshandlung der „Gartenlaube“ sind erschienen:
Marlitt, E., Goldelse. Illustrirt von Paul Thumann. Salon‑Ausgabe. Imp.-8. Eleg. geb.
mit Goldschnitt 3½ Thlr.
Goldelse. Volksausgabe. 9. Auflage Eleg. geb. Preis
1 Thlr. 8 Ngr. brosch. 1 Thlr.
Das Geheimniß der alten Mamsell. 6. Auflage. 2 Bände. brosch. 2 Thlr.
Thüringer Erzählungen. 3. Auflage. brosch. 1½ Thlr.
Die Reichsgräfin Gisela. 4. Auflage. 2 Bände. brosch. 2⅔ Thlr.
Das Haideprinzeßchen. 2 Bände. 3 Thlr.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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