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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

sehr nahrhaft. Nur anerzogener dummer Ekel kann vom Genusse dieses vortrefflichen Fleisches abhalten, oder der Aberglaube; in letzterer Beziehung sei nur erwähnt, daß das an vielen Orten Geglaubte: „Kaninchen paarten sich gern mit Ratten“, in das Bereich der Fabel zu verweisen ist. Im Elsaß, in Lothringen, in Holland, Belgien und Frankreich, so wie in England wird das Kaninchen gern gegessen. Im südlichen Frankreich gehören Kaninchenbraten, Kaninchenragout u. dgl. zu den Festessen. In französischen Hôtels findet man oft auf den Speisekarten Lapin rôti, Lapin cuit, Lapin à la sauce hollandaise, aber auch Ragouts oder dgl. von „volaille“ verzeichnet, aber Fleisch von Geflügel ist nicht zu dieser Speise verwendet, sondern solches von Kaninchen.

Den etwaigen Leserinnen dieses Artikels sei besonders noch Folgendes mitgetheilt. Wenn Kaninchen gebraten werden sollen, so müssen ziemlich viele Zwiebeln zur Verwendung kommen; am zweckmäßigsten wird aber das in Frage stehende Fleisch in der Form unseres Gänseschwarzes oder des Hasenpfeffers zubereitet, oder mit recht pikanter Sauce als Ragout gegeben. Uebrigens ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß Kaninchenfleisch eine treffliche Bouillon liefert. Das Fleisch, in einer Bratpfanne mit Wasser zum Braten angesetzt – natürlich ungespickt, nur mit dem nötigen Salze und Gewürze versehen –, wird recht leicht gebräunt, dann aus der Pfanne genommen und vollständig ausgekocht. Hierdurch kann man eine seine kräftige Bouillon, wie sie ähnlich nicht durch anderes Fleisch selbst mit Zusatz des theuren Fleischextractes zu erzielen ist, gewinnen. Freilich ist dann das ausgekochte Fleisch nicht viel oder nichts mehr werth; so lange die gewöhnlichen Kaninchen bei uns aber noch so billig sind, muß die Ausnutzung der an Osmazom reichen Muskeln derselben zur Bouillon empfohlen werden. Kaninchenfleischpasteten gehören auch für den wohlhabenden Franzosen zu den gesuchtesten Leckerbissen.


(Schluß folgt.)




Aus meinen Theatererinnerungen.


Von Wilhelm Koffka.


Meine Theatererinnerungen beginnen mit dem Herbste des Jahres 1843 und knüpfen an die Leipziger Bühne der damaligen Zeit an. Nicht etwa, als ob nicht auch aus früherer Zeit Bühnenreminiscenzen in mir wach wären, vielmehr weiß ich mich noch genau der ersten Theatervorstellung, welche ich als achtjähriger Knabe im Jahre 1830 in meiner Vaterstadt Breslau sah, zu erinnern; es war Raimund’s „Alpenkönig und Menschenfeind“, und der jugendliche Zuschauer oben auf der Galerie in dem Theater an der „kalten Asche“ – so hieß der alte Breslauer Kunsttempel, berühmt in der Kunstgeschichte durch Ludwig Devrient, der hier seine Blüthezeit erlebte, und durch Holtei’s unübertreffliche Schilderungen in seinen „Vierzig Jahren“ – der junge Knabe war da, als die Lampen eine nach der andern angezündet wurden und die Musiker allmählich an ihre Pulte traten und zu stimmen anfingen, und als endlich das dicke Haupt des Musikdirectors Luge am Pulte erschien und die Musik begann, da ergriff ihn jener heilige Schauer, den die Jugend zu empfinden pflegt, wenn sie zum ersten Male vor den Geheimnissen steht, welche der Theatervorhang verhüllt, und der Dinge harrt, die da kommen sollen. Der Leipziger Bühne trat ich zuerst mit gereifterer Anschauung und der Fähigkeit, Theater und Theaterkunst zu verstehen und zu würdigen, gegenüber.

Als ich nach Leipzig kam, führte Ringelhardt die Direction des dortigen Theaters. Schon stand das Ende seines Regiments bevor, da er eine Verlängerung seiner Pacht nicht erhalten hatte, dieselbe vielmehr einem neuen Bewerber, in der Person des Dr. Schmidt, übertragen worden war. Dies hatte jedoch auf die Leitung des Geschäfts nicht den mindesten Einfluß. Dasselbe ging in jeder Hinsicht mit musterhafter Ordnung; wer es nicht wußte, konnte nicht merken, daß ein Wechsel in der Directionsführung so nahe bevorstehend sei. Ich habe im Laufe der Jahre die verschiedensten Formen der Bühnenleitungen und die mannigfaltigsten Schattirungen in den Persönlichkeiten und Charakteren der Bühnenvorstände zu beobachten Gelegenheit gehabt: eine solche Sicherheit, Sachkenntniß und praktischer Blick im Allgemeinen, eine größere Geschicklichkeit in der Behandlung der Bühnenmitglieder im Besonderen, ist mir nirgends vorgekommen, wie bei Ringelhardt. Bevorzugungen irgend welcher Art kannte er nicht; mit gleicher Gemessenheit trat er Jedem entgegen; er zeigte überall, daß er mit fester Hand die Leitung führe, ohne in jene Tyrannenmanieren zu verfallen, wie sie in der damaligen Zeit manche Theatermonarchen, wie z. B. Cerf in Berlin, Carl in Wien, anzunehmen beliebt hatten. Von Rollenstreitigkeiten, Rollenzurückschickungen etc. habe ich damals nie etwas gehört; jedes Mitglied that nach Kräften seine Schuldigkeit, und plagte vielleicht Diesen oder Jenen einmal eine theatralische Grille, er wußte sie bald zu unterdrücken, weil ihm bekannt war, daß die Direction ihr nicht die geringste Lebensdauer verstatten würde. Ich habe auch niemals wieder eine solche Collegialität gefunden, wie sie unter den Angehörigen des Leipziger Theaters damals herrschte. Mag dies zum Theil an den betreffenden Persönlichkeiten der Mitglieder selbst gelegen haben, wesentlich, oder vielleicht sagt man richtiger, am wesentlichsten trug dazu die bestimmte, etwas vornehm abwehrende Art bei, in welcher Ringelhardt die Grenze zwischen Direction und Personal zu ziehen und gegen Jeden ohne Ausnahme festzuhalten verstand. Uebrigens war seine Leipziger Bühnenführung auch durchweg von Glück begünstigt gewesen. Die zunehmende Frequenz der Leipziger Messen in den zehn Jahren seiner Direction kam ihm natürlich in materieller Hinsicht sehr zu statten; die Production an Novitäten mit klingenden Cassenresultaten war überdies eine sehr reiche; die Meyerbeer’schen, Halevy’schen, Auber’schen, Marschner’schen Opern kamen eine nach der andern und machten volle Häuser; der Gagen-Etat war im Verhältniß zu den Anforderungen der heutigen Zeit verschwindend klein – kein Wunder, daß Ringelhardt am Ende seiner Leipziger Zeit ein wohlhabender, für die damaligen Begriffe sogar reicher Mann war, ein Glücks- und Vermögenswechsel, den ihm einzig und allein Leipzig geschaffen hatte.

Die Anzahl der Theatermitglieder war genau den Bühnenforderungen entsprechend, jedes Fach besetzt, und damit die Möglichkeit gegeben, in der Oper, wie im Schauspiel allen Bedürfnissen eines großen Repertoires zu genügen. Da mehrere und zwar hervorragende Kräfte in der Oper und im Schauspiel verwendet werden konnten, so ließ sich die numerische Dürftigkeit des Personals vollständig ausgleichen. Unter diesen beidlebigen Künstlern standen in erster Linie Albert Lortzing und Caroline Günther. Lortzing spielte im Schauspiel jugendlich komische, Bonvivants- und Liebhaberrollen, z. B. den „Erbprinz von Bayreuth“ in „Zopf und Schwert“, den „Baron“ im „Ball zu Ellerbrunn“, den „Pierrot“ in „Muttersegen“; in den Opern sang er die Tenorbuffopartien, den „Peter Iwanow“ ist seinem „Czar und Zimmermann“, den „Paul“ in der „Schweizerfamilie“ und ähnliche.

Zu der Zeit, da ich Lortzing auf der Bühne sah, hatte er bereits den Entschluß gefaßt, den Brettern als Darsteller zu entsagen und schon die Capellmeisterstelle von der neuen Direction in der Tasche; das Komödienspielen mochte ihm also wohl wenig Vergnügen mehr machen. Nichtsdestoweniger erschien der damals in voller Manneskraft stehende Künstler immer eifrig in seinem Berufe, für welchen er eine sehr angenehme Persönlichkeit mitbrachte; sein blühendes, hübsches Gesicht mit den schönen, blitzenden Augen und dem unverkennbaren Ausdrucke von Freundlichkeit und Herzensgüte empfahl ihn Jedem, der ihn sah, von Hause aus auf das Wärmste, und was vielleicht an Stärke des Talents ihm mangelte, das wußte er durch eine sehr große Bühnengewandtheit zu ersetzen. Im persönlichen Umgange war er von hinreißender Liebenswürdigkeit. Jeder verkehrte gern mit ihm, seine Collegen nicht minder, wie die hervorragendsten Persönlichkeiten aus den geselligen Kreisen, an denen Leipzig nie arm war, und die gerade in jener Zeit besonders gern die geachteten Mitglieder der dortigen Bühne unter sich sahen An

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_434.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)