Seite:Die Gartenlaube (1874) 490.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Gesichtsbildung der Fischer am Eibsee, der wichtige Umstand, daß der maßlose Nationalstolz des Zigeuners, der Grundzug in seinem Charakter, eine geschlechtliche Vermischung mit Frauen, die nicht seiner Abstammung sind, ihm durchaus verbietet. So zügellos derselbe im Verkehre mit Frauen seines Stamms ist, so unzugänglich ist er für die Reize der Nichtzigeunerin. Jeder, der die Sitten und Gebräuche des merkwürdigen Volksstammes so genau wie ich kennen zu lernen Gelegenheit gehabt, wird mir bestätigen, daß ein Liebes-Verkehr zwischen Zigeunern und Nichtzigeunern geradezu unerhört ist und nur in der Einbildung von Romanschreibern besteht; grenzenlose Verachtung, Ausschließung aus aller Gemeinschaft, jedem Verkehre mit Seinesgleichen, Ausstoßung aus seiner „Nation“, Strafen an Leib und Leben würden den Schuldigen unfehlbar treffen.

Nachdem ich die Fischer am Eibsee gegen den Vorwurf, von Zigeunern abzustammen, sicher gestellt habe, einen Vorwurf, der ihnen, wie ich aus ihrem eigenen Munde weiß, schon viel Kummer und Herzeleid gemacht hat, habe ich dadurch leider den Besuchern des Eibsees einen pikanten Reiz rauben müssen; später werde ich vielleicht noch einmal auf das merkwürdige Volk zurückkommen, als dessen Angehörige jene Ansiedler vom Eibsee irrthümlich in der ganzen gebildeten Welt verschrieen sind.




Blätter und Blüthen.


Fritz Reuter. Der größte unter den deutschen Humoristen der Gegenwart, Fritz Reuter, ist am Sonntag, den 12. Juli, Nachmittags, in seiner Villa am Eingange des herrlichen Marienthales bei Eisenach verschieden. Ein Schlagfluß war die Ursache seines plötzlichen Todes.

In der Literatur wird Fritz Reuter fortleben als ein Urbild norddeutscher Gemüthsinnigkeit und Herzensfrische, aber auch als ein Typus der gesunden Derbheit, welche die Bewohner der Ostseeküsten kennzeichnet, speciell als ein würdiger Repräsentant des kernhaften mecklenburgischen Volksstammes, in dessen Geist und Sprache seine unvergleichlichen Werke sämmtlich abgefaßt sind. Reuter’sche Gestalten, wie Onkel Bräsig, Fritz Trittelfritz, Havermann und Andere haben einen unvergänglichen Werth und werden, was ihre schlichte Lebens- und Naturwahrheit, ihren volksthümlichen und echt realistischen Humor betrifft, gewiß noch lange als unübertroffen in der deutschen Dichtung dastehen und von Jahr zu Jahr der Muse des verewigten Poeten immer größere Kreise erobern. Denn der Dialekt Reuter’s, welcher dem mittel- und süddeutschen Leser gegenüber so oft als hemmende Schranke des Verständnisses der Schöpfungen unseres Dichters empfunden wird, verliert bei der wachsenden Beschäftigung der Mittel- und Süddeutschen mit der norddeutschen Mundart immer mehr seine trennende Kraft, und wer sich erst eingelebt hat in diese herzenswarme und markige Sprache des Mecklenburgers – welch eine Fülle naturwüchsigen Lebens und strotzender Gesundheit findet er hinter diesem anheimelnden Jargon! Es kann nicht die Aufgabe einer Cultur-Literatur, wie der heutigen, sein, den Dialekt wieder in den Vordergrund der literarischen Production zu stellen, aber gerade in einer Zeit der gesellschaftlichen Verflachung, wo die schnörkelhafte Sprache des Salons so viel des Verschrobenen auch in unsere Literatur gebracht hat, ist die Dialektdichtung, zumal wenn sie von einem Berufenen, wie Reuter, gehandhabt wird, ein unschätzbarer Quell der Erfrischung und Verjüngung unseres Schriftthums. Ludwig Walesrode hat diese und die andern Missionen der Reuter’schen Poesie, wie auch den äußern Lebensgang des Dichters bereits in Nr. 36 und 37 des Jahrgangs 1864 der Gartenlaube einer eingehenden Würdigung unterzogen. Wir beschränken uns daher heute darauf, kurz und schlicht auszusprechen, wie auch wir zu dem allzu früh Dahingegangenen – er starb im vierundsechszigsten Lebensjahre – einen wahrhaft volksthümlichen und somit den Bestrebungen unseres Blattes innig verwandten Dichter beklagen. In der nächsten Nummer werden wir einen eingehenden Artikel über Reuter’s Leben, seine letzten Tage und seinen Tod aus der Feder eines seiner Freunde folgen lassen.




Für die Hinterbliebenen des Dichters G. A. Bürger gingen zufolge meiner Aufforderung in Nr. 3 der „Gartenlaube“ dieses Jahres im Ganzen 229 Thlr. 10 Sgr., 46 Gulden und 3 Rubel (darunter 100 Mark für die Molli-Locke) ein. Außerdem erbot sich ein hochherziger Mann, der Wittwe Emil Bürger’s eine lebenslängliche Jahresrente von 120 Thlr. zu entrichten, und von zwei Damen in Zerbst wurde mir für dieselbe zu ihrem dreiundsiebzigsten Geburtstage ein schön gesticktes Ruhekissen in Begleitung sinnvoller Verse zugesandt. Allen Gebern, deren Adresse mir bekannt geworden, habe ich den richtigen Empfang ihrer freundlichen Gaben angezeigt. Den anonymen Einsendern werden auf Wunsch ebenfalls Quittungen zugehen, sobald sie die Güte haben, mir ihre Adressen mitzutheilen. Den Gesammtbetrag der mir zugekommenen Sendungen habe ich dem Fräulein Friederike Bürger in Leipzig übermittelt, welche zu Gunsten ihrer Mutter darüber verfügt und mich ersucht hat, im Namen der Hinterlassenen des Sohnes von G. A. Bürger deren wärmsten Dank auszusprechen.

Steglitz bei Berlin, den 4. Juli 1874.

Adolf Strodtmann.




Kleiner Briefkasten.

L. J. in Schw. Ja, Sie haben Recht, das literarische Richteramt gehört zu den am wenigsten beneidenswerthen Functionen einer Redaction. Das Wort „Undank ist der Welt Lohn“ findet kaum durch irgend etwas eine schlagendere Illustration als durch die meistens sehr unliebsame Aufnahme, welche unseren bei dem Andrang des Dilettantismus allerdings häufig sehr abfälligen kritischen Würdigungen zu Theil wird. Als ein Beispiel aber für die ausnahmsweise Liebenswürdigkeit, welche verständigere Fragesteller unsern Beurtheilungen, selbst wenn sie absprechender Art sind, entgegenbringen, theilen wir Ihnen das nachstehende kleine Antwortgedicht einer Dame mit, von deren Haupt wir den erträumten Lorbeer grausam herabreißen mußten. Die Dame schreibt uns:

 Geehrte Herren Redacteure!

Euch sag’ ich meinen Dank für jedes Wort,
Das Ihr voll Offenheit an mich gerichtet;
Zwar nahmt Ihr mir den Strahl der Hoffnung fort,
Der meinen Lebenspfad bisher gelichtet,

Doch bleibt mir noch der Hoffnung holder Stern,
Der mir schon oft den wärmsten Gruß geboten,
Drum heb’ ich jugendfrisch das Haupt, Ihr Herr’n,
Und gebe nichts verloren als die Todten.

„Behüt’ dich Gott, es hat nicht sollen sein,“
Will heut’ ich mit den Fatalisten sagen,
Vielleicht bewirkt es einst der Sonne Schein,
Daß auch die schwachen Blüthen Früchte tragen.

Das gebe Gott! Und wenn ich nun so frei,
Für guten Rath hier nochmals Dank zu bringen,
So weiß ich’s sicher, Eurer Arzenei
Wird meine Radicalcur auch gelingen.

Mein Kopf ist leicht und unbewölkt mein Blick;
Die Abenddämm’rung macht so Alles linder;
Drum führt sie mich ganz ungebeugt zurück
Von dem Begräbniß – meiner Musenkinder.

 Mit aller Ergebenheit und bestem Dank

 Ida T.…

Es kann nur in äußerst seltenen Ausnahmsfällen unsere Sache sein, literarische Erzeugnisse, welche für unser Blatt nicht aufnahmsfähig sind, zu beurtheilen. Wo aber dieser Kelch nicht an uns vorübergehen kann, da wünschen wir, es möge unsere Kritik stets mit einem so gesunden Humor aufgenommen werden, wie in dem vorliegenden Falle.




Für den

„Deutschen Hülfsverein in Paris“


gingen ferner ein: Concert des Männer-Gesangvereins in Markneukirchen 26 Thlr.; aus Breslau 1 Thlr.; heitere Abendgesellschaft zu Groitzsch 1 Thlr. 17 Ngr.; kleine Gesellschaft in Ostritz 1 Thlr.; S. W. C. Faust in Frankfurt a. O. 1 Thlr.; aus Straßburg i. E. 1 Thlr.; Gr. E. in Erfurt 1 Thlr.; die Eltern von Elsa und Lothar 50 Mark; M. in Herford 1 Thlr.; Advocat Tscharmann in Leipzig, durch Becker u. Comp. 5 Thlr. 10 Ngr., C. P. in A. 3 Thlr. 10 Ngr.; Ph. Krafft in Nürnberg 10 Thlr.; aus Schlüchtern 1 Thlr.; Fräulein Marie und Emmy B….. durch Major von Prittwitz in Berlin 8 Thlr. 20 Ngr.; Eugen R. in Berlin 5 Thlr.; A. F. in Gotha 3 Thlr., aus Jever 2 Thlr.; Fr. in Zweibrücken 10 Thlr.; W. J. in Gelnhausen 5 Thlr.; eine Wittwe mit sechs unerzogenen Kindern 5 Ngr.; G. Nuß in Bochum 1 Thlr.; Mathilde Pape in Buxtehude 2 Thlr. und H. Winter daselbst 8 Thlr.; O. R. in Bremm 1 Thlr.; aus Unter-Rodach 1 Thlr.; J. R. Mocker bei Thorn 4 Thlr.; aus Sonneberg 1 Thlr.; Vortrag von C. Böhme in Gera 2 Thlr.; D. I. in Tübingen 14 Thlr. 8½ Ngr.; Ertrag einer Sammlung durch den Kämmereiverwalter Liebert in Bautzen 48 Thlr.; Max H. Fischer in St. Louis 4 Thlr.; G. in Eisleben 1 Thlr.; Bieresler der Nacht in Alzey 10 Thlr. 8½ Ngr.; Irren ist menschlich 2 Thlr.; die Schlagzeug-Capelle des Café Orlopp in Gera 12 Thlr.; durch F. Ranke in Apolda 1 Thlr.; ein Deutscher in Oldenburg 5 Thlr.; Ap. u. Eb. 3 Thlr.; Josefine Rues in Sulzbach 2 Thlr.; Frau A. Räbel in Berlin 2 Thlr.; F. R. Lange in Manchester 20 Thlr.; Lehrer E. T. in Naumburg 1 Thlr.; Sammlung des Bahnhofspersonals in Meerane 2 Thlr. 4½ Ngr.; Concert des Turnvereins in Grünhainichen 12 Thlr.; Neumühl bei Fürstenfelde 2 Thlr.; zwei Frauen in Freiburg a. U. 2 Thlr.; Benno Binkus 10 Thlr.; Ludwig Jaeger in Freiburg i. Br. 6 Thlr. 20 Ngr.; Fräulein Anna Däumling auf Staten-Island bei New-York, durch Rechtsanwalt H. Blum 5 Thlr.; der Bankverein von Siegmar und Umgegend 25 Thlr.; aus Waldkirchheim 10 fl. rhein.; F. R. in Würzburg 2 fl. rhein.; durch Darstellung der „Nibelungen“ in Alzey 72 fl. 7 kr.; Meta und Rudolf E. in Tetschen 5 fl. öster.; zwei Echt-Deutsche in Finnland (30 Mk.) 10 Thlr.; F. v. S. in S. 3 Rubel; A. M. in Prag 10 fl. öster.; Ed. Kahn in Nebron 1 Dollar Papier.

Gesammtbetrag sämmtlicher Beiträge: 2579 Thlr. 16 Ngr. 3 Pf. – Indem wir unsererseits hiermit die Sammlung schließen, danken wir den Freunden unseres Blattes für die bewiesene rege Betheiligung und bemerken, daß die obengenannte Summe unverkürzt dem deutschen Hülfsverein in Paris übermittelt wurde.

Die Redaction der Gartenlaube.
E. K. 


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_490.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2016)