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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Ein wohlgepflegter Garten umbuscht das mächtige Gebäude, welches kaiserliche Huld dem Schöpfer der Farbenwunder zur freien Disposition gestellt hat. Auf diesem Grunde, der einst die Stätte war, wo ein namhafter Bildner Werke schuf, welche einen Hauptplatz Wien’s zieren, ein Künstler, dessen Geist jetzt leider umnachtet ist, hat unser Hans Makart sein phantastisches Daheim geschaffen. Durch mächtige Pforten von deren Karnieß in schweren Falten reiche Gobelinvorhänge herab wallen, treten wir in den Malerpalast. Der Herr des Hauses, eine zierliche aber sehnige Gestalt, mit ausdrucksvollen feinen Zügen, glühenden Augen, das schöne Antlitz von schwarzem Vollbart umrahmt, tritt mir entgegen und heißt mich, in Berücksichtigung meines Begleiters, willkommen.

Er stand soeben vor seiner neuesten, dem Publicum noch unbekannten Schöpfung, an welche er die letzte Hand legte. Das Riesenbild nimmt fast die ganze ungeheuere Seitenwand des Ateliers ein und wird durch eine sinnreiche mechanische Vorrichtung mit Leichtigkeit in die Höhe gehoben oder in die Tiefe versenkt und so dem Künstler ohne große Schwierigkeiten nach allen Punkten zugänglich. Den Gegenstand des neuen Meisterwerkes, welches den Blick des Eintretenden sofort unwiderstehlich fesselt, bildet ein „Bacchantenfest am Meeresufer“.

Die Kühnheit seiner Compositionen, welche an die besten Werke von Tintoretto und Paul Veronese erinnert, tritt auch in dem neuesten Werke des deutschen Künstlers in fast bewältigender Weise uns entgegen, so wie die glühende Farbenpracht, die darüber ausgegossen ist, kaum in einem früheren Bilde Hans Makart’s erreicht wurde. Die tolle glühende Ariadne, welche jubelnd im sinnlichsten Uebermuthe als Mittelpunkt des phantastischen Märchenbildes erscheint, ist eine Gestalt voll sprühenden farbenglühenden Lebens; der halbberauschte Bacchus, der stumpfsinnige Silen, welcher begehrliche stechende Blicke nach dem Weibe richtet, die spielenden Bacchanten und Bacchantinnen, von denen die eine sich gewaltsam losreißt aus den gewaltig umschlingenden Armen eines urkräftigen Tritons, der sie in die Wellen zu ziehen sucht, und Pan zum tollen Reigen aufspielend, bilden die hervortretendsten Figuren der mächtigen Gruppe, während die Nebengestalten, ein junger Centaur, von reizenden Weibern in wildem Reigen umtanzt, Kinder mit einem Tiger spielend etc., keineswegs als Beiwerk erscheinen. Die mächtige Phantasie des Künstlers, vereint mit der vollendetsten Technik, allein vermag ein solches Werk zu schaffen. Jede der einzelnen Gestalten erscheint uns als Hauptfigur, wenn wir sie isolirt in’s Auge fassen; eine wilde sprühende Lust, ein bewältigender Farbenglanz ist über das Ganze ausgegossen; überquellende Kraft reißt Alles fort zum Ringeltanze, zu dem sich selbst die schäumenden Wellen des Meeres, mit dem bunten Reichthum der am Ufer verstreuten Riesenmuscheln zu erheben scheinen. Von der Kühnheit dieser Composition kann sich nur der Beschauer einen Begriff machen; meine Feder ist ein gar armer Behelf für die Schilderung aus dem Reiche der Farben und der Töne.

Es dauert lange, ehe wir uns losreißen können von dem phantastischen Feste, welches uns seine Jubelgrüße von der Wand herab entgegen sendet, und ehe wir den gesammelten Blick weiden können an der wunderlichen Zusammenstellung dieses Malerheims. Allüberall tritt uns Ungewohntes, Seltsames entgegen. Hier an dem breiten, in grellen orientalischen Stoffen glänzenden Ruhebett liegt ein theilweise ausgestopftes Tigerfell ausgebreitet. Der Kopf des Unthiers sieht mit glänzenden Augen herab auf seinen Antipoden, einen mächtigen Eisbären, der seine gewaltigen Pranken in den Boden zu krallen scheint; zwischen denselben liegt der wuchtige Kopf des Nordpolbewohners.

Von der Wiener Weltausstellung hat er seinen Weg gefunden in die Kunstausstellung von Hans Makart. Das fast vollendete Brustbild einer jungen Dame, die ihr wunderbar schönes Haar wie ein goldener Mantel einhüllt, hängt an der Staffelei. Aus dem Gedächtniß hat der Künstler die blendend schöne Erscheinung in einem Tage gemalt, sie und ihre Schwester, zwei der reizendsten Damen der Residenz, von denen die eine bald Gott Hymen an die nebligen Ufer der Themse entführen wird. Die Phantasie des Malers hat das Geschwisterpaar in reiche, altvenetianische Gewänder gehüllt, welche zu der charakteristischen Schönheit der jugendlichen Köpfe wie geschaffen scheinen.

Wohin das Auge blickt, sehen wir Neues: hier Costüme in reichem Goldglanze aus dem Reiche der Mitte, aus dem fernen Arabien, dort gestickte, bunte, schillernde Stoffe, welche die geschickten Hände der Haremsfrauen in Brussa fertigen, oder schwere Burnusse, mit Gold durchwirkt, die im fernen Damascus und in Beirut gewebt werden, um die phantastischen Gestalten der Beduinenhäuptlinge zu umwallen. Ein bunter Pfau entfaltet den farbenprächtigen Schwanz und staunt die schillernde Welt um ihn an, die seinem glänzenden Kleide so erfolgreiche Concurrenz macht. Die Mitte des ungeheuren Raumes nimmt bis an die hohe Decke ein schwarzer, reich verzierter Marmorkamin ein, dessen Rand mit Antiquitäten jedweder Art und jedweden Zeitalters belegt ist. Zwischen zwei Sonnenbrennern, deren Gaslicht das phantastische Buntuntereinander phantastisch beleuchten, schwebt mit ausgebreitetem Flügeln ein ausgestopfter mächtiger Adler; ihm gegenüber hängt das seltsame Gebilde einer Seejungfer schwebend in der Luft. Wir sehen große Figurengruppen der werthvollsten Holzschnitzereien aus altvenetianischer Zeit, Schränke von wunderbar schöner Arbeit aus derselben Epoche; ein prachtvoll erhaltener feister Metelluskopf von antiker Bronze findet sich behaglich unter dem weiten Schirme eines Panamahutes, während der Schädel eines Negers von schwarzem Marmor unter einem Eisenhelm uns aus den eingelegten weißen Augen entgegen grinzt. Geharnischte Männer bewachen dieses Künstlerasyl, in welchem gar werthvolle Skizzenbücher, Photographien und unvollendete Kunstwerke zum Diebstahl einladen. Der erste Entwurf einer Vordergardine zu der entschlafenen „Komischen Oper“ in Wien läßt auf’s Tiefste bedauern, daß die Ausführung dieses Projectes der Kosten wegen unterblieb. Etwas mehr Schulden würden das Geschick dieses dem Krach geweihten Institutes doch nicht aufgehalten haben. Nicht unerwähnt darf der im Saale aufgestellte Entwurf eines deutschen Siegesdenkmals bleiben, welches von der Hand des Bildhauers Wachmüller in München ausgeführt wurde. Man bedauert lebhaft, daß dieses Meisterwerk nicht an passender Stelle, als Zierde der Nation, im Großen in’s Leben treten soll.

Wir begeben uns über eine kleine, im trefflichsten Renaissancestile geschnitzte Treppe in einen kleinen abgezweigten Raum, den sich Hans Makart als sein eigentliches „Heim“ vorbehalten und ausgeschmückt hat. An der Decke von eingelegter Holzschnitzarbeit sehen wir Medaillonbilder in altdeutscher Tracht von der Hand des Eigenthümers, darunter das Portrait der reizenden, vor nicht langer Zeit verstorbenen Gattin Makart’s. Ein wuchtiger venetianischer Kronleuchter von Krystall hängt zwischen den Balken; farbensprühende Glasfenster in alter Malerei lassen ein sanftes Licht durch den Garten in diese kleine Welt voll reicher Erinnerung treten. Alte Möbel, mit Elfenbein zierlich eingelegt, altvenetianische Gläser in wunderlichen Formen und Farben, mächtige Kandelaber aus demselben Material, kunstreich in Silber getriebene Platten und Teller, eine Sammlung alter Waffen in reichster Ausschmückung mit Juwelen und edeln Metallen besetzt, ein geschnitztes Bett, von Meisterhand gearbeitet, die vortreffliche Bronzebüste Karl’s des Fünften, zahllose Seltenheiten aus aller Herren Ländern in Krystall, Gold, Silber, Holz und Bronze, aus der ganzen bewohnten Erde hierher geschleppt, Alles dies denke man sich zusammengedrängt auf diesen kleinen Raum, und man wird mir Recht geben, daß eine ähnliche bunte Welt in phantastischer Anordnung sich kaum in einem zweiten Künstlerheim finden dürfte. Und nun denke man sich dieses „in Scene gesetzte Märchen“ an einem der Festtage, zu welchen Hans Makart von Zeit zu Zeit seine Freunde einladet. Man denke sich diese Räume strahlend erhellt, und von einer gewählten Gesellschaft, die zu diesem „Costümball“ gebeten ist, erfüllt.*[1] Nicht nur die Gäste, auch das Orchesterpersonal, die gesammte Dienerschaft, ist nach einem festen Plane in passende malerische Costüme gekleidet. Die Möbel, die Geschirre, die Tafelaufsätze sind in derselben Weise dem Ganzen angepaßt. Sei es, wie bei dem letzten dieser Carnevalsfeste, ein Landsknechtlager, eine Gruppe antiker Griechen, oder eine im altungarischen Costüm, immer erscheint das Arrangement des Ganzen von einer einheitlichen Künstleridee ausgehend und musterhaft durchgeführt. Kein Fürst kann schönere Feste geben; freilich gehören zu solchen auch fürstliche Gastfreundlichkeit und – ein fürstliches Einkommen!

Franz Wallner.

  1. * Die Hauptdecoration bildete bei dem letzten dieser Costümfeste das große, dem Publicum damals noch unbekannte Bild: Catarina Cornaro, welches seit der Zeit eine Triumphfahrt in die deutschen Hauptstädte gemacht hat.




Der Somnambulisten- und Spiritistenschwindel macht in Paris wieder viel von sich reden. Besonders nimmt die Schaar der Spiritisten mit jedem Tage zu, da Jeder von ihnen sich auf die Proselytenmacherei verlegt. Man zählt deren bereits über dreißigtausend, die eine zusammenhängende Gesellschaft bilden. Als ihren Gründer betrachten sie Allan-Kardec. Dieser Mann, der vor einigen Jahren starb, hat nicht nur eine lange Reihe spiritistische Schriften verfaßt, sondern auch die erste spiritistische Gesellschaft unter dem Titel „Société Parisienne des études spirites“ in’s Leben gerufen. Der Hauptsitz der Spiritisten ist in der Rue Molière, wo jeden Dienstag spiritistische Vorstellungen stattfinden und die Media vor einem zahlreichen aus Gläubigen und Neugierigen zusammengesetzten Publicum ihre Gastrollen geben. Von diesen Medien, deren sociale Stellung ein mehr oder weniger dichter Schleier umhüllt, schreiben Einige, was ihnen der herbeigerufene, natürlich unsichtbare Geist des Verstorbenen in die Feder dictirt; Andere, die wahrscheinlich nicht schreiben können, beschränken sich auf die mündliche Mittheilung des Schattenreichs. Eine solche Vorstellung schafft immer mehrere Proselyten, welche, wie alle Proselyten, den angenommenen Glauben mit Eifer verbreiten.

Außer dem Saal in der Rue Molière haben die Spiritisten fast in allen Vierteln von Paris je an bestimmten Abenden ihre Zusammenkünfte. Sie sind in Gruppen abgetheilt, von denen jede ihren Vorsitzenden ernennt. Wer als Mitglied von den Spiritisten aufgenommen wird, hat bei jener Aufnahme einen kleinen Beitrag zu erlegen, der zur Anschaffung von Papier und Federn verwendet wird. Da nämlich die Geister in der Regel sich keiner Bündigkeit befleißigen und nicht nur selig, sondern auch sehr redselig sind, so nehmen deren Dictate eine beträchtliche Menge von Schreibmaterialien in Anspruch. Wahrscheinlich dienen aber die Beiträge auch noch zu Privatzwecken. Die Geisterbeschwörung ist ein Gewerbe wie jedes andere, und man ist in Paris nicht Geisterbeschwörer um Gotteswillen.

Großentheils gehören die Media zum schwachen Geschlecht, zu deren mancherlei Schwächen die Uneigennützigkeit durchaus nicht gehört. Der Erwerbszweig der Spiritisten ist mitunter sehr einträglich. Sie speculiren auf den Aberglauben und die Leichtgläubigkeit der Menge, in welcher sich immer Leute befinden, die für Geld und gute Worte einige Nachrichten von einem verstorbenen Freunde ober Verwandten zu erhalten wünschen. Der Spiritist oder die Spiritistin weiß immer diesen Wunsch zu erfüllen.




Zum Fritz-Reuter-Dank. Aus Marseille ging der Redaction der Gartenlaube nachstehender Brief mit einer Inlage von mehreren Thalern zu. Wir theilen denselben hier allen Verehrern des Dichters mit; vielleicht werden sie dadurch veranlaßt, rasch, mit Ernst und Verständniß an die Errichtung eines würdigen Denksteins zu gehen, welchen sie dem Fritz Reuter schuldig sind.

„Un wenn hei as ick, ock an de twintig Jahr mang de parlewuus süten hät – en ächter Mecklenbörger is as in de Wull farwt Dohk, un kulürt nich ut. Und dorüm, geihrte Herr Redacktür, dank ick Sei vör dat schüne Angedenken, wat Sei dörch Fritz Friederich in Ehr Gorenlauw unsen Fritz Reuter gäwen hewwen – bit Lesen wür mi heel wehmödig tau Maud – und ick bir Sei disse lutte Gaav vör sinen Gravsteen tau verwennen. Hei hat mi männig trurig Stun in Freud verwannelt – nu is hei dod, un ick kann em min Dankborkeit nich anners bewiesen.

Marseille, 4. August 1874.

Karl Eggerss.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_570.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)