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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

ihre den Taubenhäusern und Hühnerhöfen so gefährliche Nähe. Schweigsam schlichen sie ihre bedächtigen Wege.

Die Stimme des Wüstenfuchses habe ich nur in meinen eigenen Mauern zu hören bekommen, obgleich dieses Thier an Menge alle die Stammesgenossen in der Oase bei Weitem übertrifft und stellenweise der Sandboden von seinen Fährten wimmelt, als wäre eine Hammelheerde darüber weggezogen.

Der Wüstenfuchs ist im südlichen Algier und Marokko ebenso häufig wie in der Libyschen Wüste, welche er in ihrer ganzen Ausdehnung von den Thoren Alexandriens bis nach Kordofan hinein, von Dongola bis nach Fezzan zu bewohnen scheint. Der Name Fennek war indeß in der Großen Oase unbekannt; die Eingeborenen pflegten die Wüstenfüchse schlechtweg als „Hossenat“, das heißt Füchse, zu bezeichnen. Da ich kein Verfahren kannte, die letztgenannten Thiere lebendig einzufangen, dieselben aber seit langer Zeit ein besonderes Bedürfniß des Berliner Zoologischen Gartens bildeten, so forderte ich die Einwohner durch verlockende Angebote zu ihrem Fange auf. Es waren kaum vierzehn Tage verstrichen, als ich mich auch schon im Besitze von drei Dutzenden dieser reizenden Geschöpfe befand, und immer neue wurden mir zugetragen – der Vorrath schien in der That unerschöpflich.

Weil ich nicht Ketten und Käfige genug zur Hand hatte, um die Füchse alle festzumachen, so entwich mir der größte Theil derselben in kurzer Zeit; andere verendeten durch allerhand Unfälle, durch Erwürgen, durch herabfallende Steine in der Ruine, die mir als Herberge diente; der Ersatz wäre immer wieder von Neuem auf’s Leichteste zu beschaffen gewesen. Den Fennek-Fang hatten die Knaben der Oase für sich allein in Anspruch genommen. Wo man zwischen den Sanddünen oder den Kalkfelsen nur hinblicken wollte, überall begegnete man den kleinen aus Gras und Stroh errichteten Hütten, welche die Knaben im Umkreise des Ortes als Fallen aufgestellt hatten. Als Köder bedienten sie sich der Datteln, der Lieblingsspeise des Wüstenfuchses, welche er jeder andern Kost vorzieht. Die einen Fuß hohen, schoberartig zusammengebundenen Hüttchen hatten unten am Boden eine runde, knapp der Kopfbreite des Thieres entsprechende Oeffnung, und in dieser hing maskirt die verhängnißvolle Schlinge von schwachem Palmbaststricke. Wenn nun der Fennek zu den auf dem Boden des Hüttchens frei daliegenden Datteln hineinschlüpfen wollte, zog er sich selbst die Schlinge um den Hals. Ein Knoten am Stricke, in dem seiner Halsweite entsprechenden Abstande angebracht, hielt die Schlinge geeigneten Orts auf und schützte den Gefangenen vor dem Erwürgtwerden, und ein der Länge nach durchbohrtes Stück Holz, durch welches der Strick gezogen war, den im Bereiche seiner Zähne befindlichen Theil des letzteren vor dem Zernagtwerden. So fand man des Morgens die hoffnungslos am Stricke zappelnden Wüstenfüchse, wenn sie nicht inzwischen von einem größeren Räuber verzehrt worden waren. In der Regel kann man annehmen, daß das feine Gebiß des Fenneks einem etwa fingerdicken Stricke nichts anzuhaben vermag, in der ersten Ueberraschung und Verzweiflung aber versucht das Thier jedenfalls alles Mögliche, sich zu befreien, sollte sogar dazu eine Selbstverstümmelung verhelfen. Der erste Fennek, der meinen Fallen zum Opfer fiel, sich aber später befreite – es war ein gewöhnliches Teller- oder Mardereisen – hinterließ in derselben die abgebrochene Spitze seines Unterkiefers mit den sechs Zähnen.

Sehr auffällig erschien es mir, wie die gefangenen Fenneks ihre ursprünglichen Sitten ablegten und die gewohnten Laute einstellten. Mit Recht legt daher auch Brehm, der unerreichte Darsteller des Lebens der Thiere, nur geringen Werth auf die Beobachtung der Lebensgewohnheiten im nichtfreien Zustande. In der ersten Zeit hatte ich meine Gefangenen, an Messingketten gefesselt, in allen Ecken und Winkeln der von mir bewohnten Ruine untergebracht. So unbändig sie sich in ihrem gegenseitigen Verhalten auch anfangs geberdeten, eben so geduldig und schweigsam wurden sie nach Verlauf weniger Tage. In Wuth gerathen, was jedes Mal bei Annäherung des Menschen geschieht, kläffen sie wie ganz kleine junge Hunde und unter lebhaftem Vorschnellen des Kopfes stoßen sie schnell hintereinander ihr „Kack, Kack, Kack“ aus, Laute, welche sie noch in der späteren Gefangenschaft beibehalten.

Doch wenden wir uns zur Betrachtung der reizenden Gestalt dieses das Auge eines jeden Naturfreundes mit Entzücken erfüllenden Wüstenkindes selbst! Zunächst fesselt den Blick des Beschauers das ausdrucksvolle Köpfchen mit den großen strahlenden Augen, mit dem fein zugespitzten und von langen Schnurren besetzten Schnäuzchen und den immensen Ohren. Stets kläffend und in Wuth, sobald man sich ihm Auge in Auge genähert, bezaubert uns schon die Lebhaftigkeit im Ausdruck des gleichsam voll Schadenfreude ob vollbrachter Bosheit frohlockenden Gesichts des niedlichen Thieres; man kann ihm nicht gram werden, dem kleinen Bösewicht; man fühlt sich da wie einem schönen Kinde gegenüber, dessen Reize die Wuth ausgelassener Unart erhöht.

Abgesehen von den großen, ihm ein so abenteuerliches, fast fledermausartiges Aussehen ertheilenden Lauschern, deren Länge von der Wurzel bis zur Spitze genau der Totallänge des Kopfes gleichkommt, und den besonders zierlichen, feinbepfoteten Füßchen, scheint der Fennek in keinem wesentlichen Stücke vom Gattungscharakter des Fuchses abzuweichen. Seine ganze Länge erreicht kaum zwei Fuß, und davon gehen acht Zoll für die Standarte ab. Die oben an der Basis des Schwanzes bei allen Füchsen vorhandene Drüse, die sogenannte Viole, duftet beim Fennek nach Rosen und ist durch einen schwarzen Schattenring markirt. Viele Naturforscher haben in der ovalen Gestalt der Pupille einen Unterschied von den übrigen Füchsen nachzuweisen gesucht, und diese Frage ist in letzter Zeit bei Besichtigung der im Berliner Garten befindlichen Exemplare vielfach in Anregung gebracht worden. Bodinus, der Regenerator dieses gegenwärtig alle ähnlichen Institute der Welt weitaus überflügelnden Thiergartens,[1] giebt nach genauer Untersuchung der Fenneks sein Urtheil dahin ab, daß ihre Augen, wenn man sie dem Sonnenlicht aussetzt, eine ebenso spaltförmige Pupille erkennen lassen, wie die des Fuchses, nur sei die kastanienbraune Iris nicht am Rande, sondern gegen die Mitte zu tiefer gebräunt, wodurch der Eindruck einer rundlichen Pupille hervorgerufen werde.

Die Färbung des Fennek-Balges ist in ihren Nüancen ebenso zart wie die feine Gliederung der leichten Gestalt. Strohgelblich, etwas ockerig auf der ganzen Oberseite, Kopf und Lauscher mit inbegriffen, spielt sie mehr oder minder in jene frische Sandfarbe hinüber, die man isabellgelb nennt; die Beine sowie die ganze Unterseite des Körpers, mit Ausnahme der Standarte, sind vom reinsten Weiß. Jüngere, nicht die älteren, Individuen sind am ganzen Körper um mehrere Schatten heller, fast weißlich. Der Balg ist wie von Seide und füllt sich zur Winterzeit mit dichtem Wollhaar, wodurch das Fleckige und Buschige des Pelzes noch mehr in die Augen tritt. In manchen Gegenden nennen die Araber daher auch den Fennek „Abu Ssuf“, das heißt Vater der Wolle. „Alles, was aus der Wüste kommt,“ sagt der Araber, „ist zierlich und nett,“ nichts aber in der Welt giebt uns eine Vorstellung von jener Zartheit und Reinheit eines frisch eingefangenen Fenneks, es sei denn, daß sich der Vergleich an kunstvoll gewaschene Straußenfedern halte, oder an den leichten Flaum des Marabus. Diesem weichlichen Kleide entspricht auch der hohe Grad von Empfindlichkeit, welchen das Thier gegen Kälte äußert. Nach besonders kalten und stürmischen Winternächten fehlte auf den vom Nordwinde frischgefegten Sandflächen jegliche Fennek-Spur; das Thier hungert lieber in den warmen Löchern, die es sich nach Art der Füchse gräbt, als daß es seinen zarten Körper der Unbill des Wetters preisgäbe.

Sehr mannigfaltig ist, je nach der Jahreszeit, die Nahrung des Fennek. In der eigentlichen Wüste sind es zunächst die Eidechsen, welche sich fast überall aufspüren lassen und vom Fennek stets mit großer Gier gefressen werden. Von mehr localer Verbreitung sind die eigentlich als die Basis der Fennek-Existenz anzusehenden Wüstenmäuse. Gelegentlich bietet sich dem Fennek ein besonders fetter Bissen in den Flughühnern und Wüstenlerchen, wenn er ihren nächtlichen Ruheplatz zu erspähen vermag; dazu kommt noch das ganze Heer von Zugvögeln, deren Auswurfstoffe ja gewiß auch, wie die der Kameele auf der Heerstraße, einen bedeutenden Zuschuß zum Haushalte der niederen Wüstenfauna liefern mögen, ein Umstand, welcher, zieht man die Menge der im Frühjahre und Herbste die stille Oede


  1. Selbst der Londoner zoologische Garten ist keinem Vergleiche mit dem Berliner mehr gewachsen; ein Stolz Deutschlands, schließt seine Vollkommenheit eine ernste Mahnung für die noch auf so primitiver Stufe befindlichen botanischen Gärten unseres Vaterlandes in sich.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_034.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)