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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


solche Spitzbüberei gegen Malwine ausführen könnte,“ rief Rudolph aus.

„Und doch für Sie schlimm,“ gab Landeck zur Antwort – „dann wäre es mit seiner Zeugenschaft zu Ihrer Rechtfertigung und zur Aufklärung Ihres Vaters und Ihres Oheims für immer aus.“

„Das freilich! Aber lassen Sie sich dadurch nicht abhalten,“ rief Rudolph zornig, „diesen bösen Menschen zu züchtigen – führen Sie Ihre Waffe mit fester Hand ihm gegenüber!“

„Verlassen Sie sich darauf,“ entgegnete Landeck mit sehr entschlossenem Tone. „Und geben Sie Ihre Sache nicht verloren! Ich werde mit Frau von Haldenwang reden. Sie wird mir ja glauben, daß sie sich, wenn Doctor Iselt’s Voraussetzungen irgend gegründet sind, in eine heillose Lage hat locken lassen, und daß nur schleuniges, energisches Handeln, offenes Vorgehen bei Gericht sie daraus rettet. Dadurch aber wird jenes Menschen Charakter der Welt enthüllt; er ist dann nicht mehr der Ehrenmann in den Augen Ihres Vaters und Ihres Oheims – diese werden Ihnen von jenem Augenblicke an glauben.“

Rudolph schien durch diese Aussicht nicht sehr getröstet. Aber was war für den Augenblick zu thun? Die beiden jungen Männer mußten sich, ohne zu einem weitern Entschlusse gekommen zu sein, endlich erheben und den weitern Heimweg antreten. Als ihre Pfade sich trennten, nahmen sie mit warmem Händedrucke Abschied von einander; Rudolph wollte noch am heutigen Abende den Doctor Iselt aufsuchen, dessen Beistand man bei dem bevorstehenden Duell bedurfte; er wollte versuchen, nähere und bestimmtere Andeutungen über den Grund seiner Beurtheilung Maiwand’s von ihm zu erhalten, und am morgigen Tage Landeck über den Erfolg dieses Versuchs Bericht erstatten.




10.

Eine halbe Stunde später stand Frau von Haldenwang, aus der Stadt heimgekehrt, in ihrem Salon mit hochwogender Brust und gerötheten Wangen vor Maiwand, der eben mit leidenschaftlicher Beredsamkeit auf sie einsprach; auch seine Wangen waren geröthet; auch ihn hatte die gewöhnlich zur Schau getragene überlegene Ruhe verlassen. Seine Augen blitzten; seine Lippen zitterten, während der Strom seiner Rede über sie fortging.

„O, mein Gott,“ fiel sie ihm endlich in’s Wort, „so halten Sie doch ein, verschonen Sie mich endlich einmal mit dieser Fluth von Anschuldigungen, Beschwörungen, Betheuerungen! Ich will ja Alles einräumen; ich will mich ja schuldig bekennen; ich will mich ja auf’s Tiefste demüthigen. Ich wiederhole es Ihnen, ja, ja, ja, ich mag sehr leichtsinnig, sehr unvorsichtig, sehr kopflos gehandelt haben. Ich mag durch das unbedingte Vertrauen und die unbefangene Freundschaft, die ich Ihnen zeigte, grenzenlos verbrecherisch geworden sein; ich mag dadurch Hoffnungen in Ihnen genährt haben, von denen ich nicht im Entferntesten dachte, daß Sie dieselben wirklich hegten. Aber wenn ich Ihnen nun erkläre, daß ich nicht wußte, daß eine Frau nicht voll offener, harmloser Freundlichkeit gegen einen Mann sein darf, und daß Sie sich getäuscht haben, Herr von Maiwand, völlig und gründlich getäuscht, so kann ja nun Alles zu Ende und wieder Frieden unter uns sein. Sie wissen nun für alle Zeit, daß ich nicht bin wie viele andere Frauen, die jede ihrer Bewegungen behutsam überwachen und, wenn ein Mann in ihrer Nähe ist, ihre Worte anders setzen, ihre Augen anders aufschlagen, ihren Arm anders ausstrecken – ich sehe, wenn ich mich ausspreche, den Menschen, das Menschengemüth und die Menschenseele vor mir und nicht, ob es Mann oder Weib ist, mit dem ich rede. Gewiß, es mag sehr verkehrt sein, sich so ohne Zwang gehen zu lassen, aber Sie kannten mich lange genug, um mich richtig beurtheilen zu können und mir diese Scene zu ersparen!“

„Scene zu ersparen – welch eine Grausamkeit, daß Sie von mir verlangen, ich solle nicht einmal reden, wie mir’s um’s Herz ist, während die Leidenschaft für Sie mich wahnsinnig macht, mich in den Tod treiben wird …“

„Ach, die Leidenschaft tödtet nicht gleich. Der Wahnsinn hindert Sie nicht an einer außerordentlich beredten Beweisführung, daß ich ganz furchtbar schuldig sei und dadurch Buße thun müsse, daß ich Ihr Weib werde. – Wenn Sie mir Ihre Leidenschaft beweisen wollen, so thun Sie es durch Gehorsam! Geben Sie mir, was ich von Ihnen verlange, den Revers, und dann, falls wirklich meine Nähe Ihren Seelenfrieden stört, verlassen Sie mich!“

„Sie sind wirklich abscheulich, so abscheulich in Ihrer erbarmungslosen Härte,“ rief Maiwand, während seine Augen die hellste Wuth sprühten und sein Mund eine eigenthümliche Verzerrung zeigte, „daß Sie mich ja vollständig selbst herausfordern zu jeder mir nur möglichen Rache. – Oder fürchten Sie etwa diese Rache nicht, haben Sie, um sich vor ihr sicher zu stellen, mir vielleicht Ihren griechischen Palikaren auf den Hals gesendet, um Händel mit mir zu beginnen, und mich unschädlich zu machen? – Der Mensch hat mich mit seiner Herausforderung so plötzlich und unmotivirt, so ganz sinnlos überfallen, daß ich es wirklich glauben muß …“

„Von wem reden Sie? Was sollen diese Worte bedeuten?“ unterbrach ihn Malwine betroffen.

„Von Ihrem athenischen Freunde rede ich, von diesem Landeck, der mich zum Duelle herausgefordert hat, ohne daß ich im Geringsten begreife, was ich diesem mir höchst gleichgültigen Schulmeister soll gethan haben, das nur durch Blut gesühnt werden könnte. Aber immerhin. Lassen Sie immerhin so Ihren ‚Klephten‘ gegen mich los, Malwine! Auf diese Art bringen Sie mich nicht zum Rückzuge.“

„Ich weiß von der Sache nicht das Mindeste,“ fiel Malwine ein, „und was Sie sprechen, enthält einen zu albernen Verdacht, als daß Sie selbst auch nur im Entferntesten daran glauben könnten!“

„Quälen Sie nicht auch mich, indem Sie mir einen albernen Verdacht zeigen … indem Sie auf’s Tödtlichste meine Ehre durch dieses stürmische Verlangen dessen, was Sie einen ‚Revers‘ nennen, kränken. Hören Sie auf, mir von diesem Revers zu reden, und ich will Ihnen versprechen, so lange Ihnen nicht von meiner Leidenschaft zu reden. Und ich denke, auf diese Bedingungen hin schließen wir Frieden, Malwine. Wahrhaftig, es wird mir schwerer werden, seine Bedingungen zu erfüllen, als Ihnen.“

Er wandte sich ab, und die Arme aber die Brust verschränkt, begann er langsam mit der Miene eines auf’s tiefste gekränkten Mannes, den ein namenloser Schmerz darnieder beugt, auf und ab zu gehen.

Malwine ließ sich wie gebrochen in einen Armsessel gleiten. Sie war wie vernichtet. Sie hätte, wenn nicht Maiwand gegenwärtig gewesen wäre, in lautes Weinen und Schluchzen ausbrechen mögen. Davon hielt ihr Stolz sie jetzt zurück. Sie war verzweifelt darüber, daß sie sich solche Worte von einem solchen Manne gefallen lassen mußte. Weshalb war sie nicht schroffer, kälter, verschlossener gegen ihn gewesen, weshalb hatte sie ihm in Allem und Jedem so völlig vertraut? – So war es gekommen, daß sie vor einigen Wochen auf seinen Vorschlag wegen des Scheinkaufs eingegangen war, um so die beschränkende Clausel im Testamente ihres Mannes zu umgehen. Sie müsse, hatte er dann eines Tages gesagt, mit ihm zum Justizrath fahren, um einen Kauf-Act wegen eines Wiesenstückes zu unterschreiben, dort werde sie gleich den bewußten Scheinkaufs-Act mit unterschreiben können; da hatte sie wohl geantwortet, daß sie ja ihre Einwilligung dazu noch gar nicht gegeben, aber sie hatte, als er nun drängend den ganzen Strom seiner Beredsamkeit über sie ergossen, endlich ‚Ja‘ gesagt, wenn sie aufrichtig gegen sich sein wollte, am meisten, um nur dem langen Geschwätz über die Sache ein Ende zu machen. Und so war es geschehen. Während die Männer im Arbeitszimmer verhandelt hatten, hatte Malwine sich im Empfangszimmer mit der Frau Justizräthin unterhalten; dann hatte man sie hereingerufen, um ihr das Geschriebene vorzulesen und es sie unterzeichnen zu lassen.

Und dann – was war es gewesen, was ihr sodann eine gewisse Sorge um das Geschehene eingeflößt? Zuerst eine merkbare Aenderung in Maiwand’s Wesen, eine unumwundene keckere Sprache, womit er ihr jetzt seine Huldigungen vortrug, etwas Herrisches, das sein Ton so unverkennbar annahm, daß es selbst ihrer Lini aufgefallen war und diese ein paar Bemerkungen darüber hatte fallen lassen. Ferner der Kaufact selbst, den ihr der Justizrath gesendet und der doch so erschreckend ernst und feierlich lautete – und dann eine sich steigernde Gereiztheit gegen Maiwand,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_092.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)