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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Bei der Ausschmückung der Kreuzgänge bekundet sich vielfach die Einwirkung fremdländischer Baumeister, vielleicht italienischer Mönche, welche zeitweise als Techniker bei dem Bau thätig gewesen sein mögen. Die Wände und Gewölbeflächen zeigten beim Restaurationsbau auch deutliche Kennzeichen, daß sie, gleichwie die Räume und Gewölbe des Marienburger Schlosses, über und über mit lebhaften Farben bedeckt gewesen sind, und geben somit einen neuen Beweis für die oft und irrthümlich angezweifelte Thatsache, daß das Mittelalter seine Basiliken, Dome und Klöster, – wie im Alterthume die Griechen ihre Marmortempel und Bildsäulen – mit einem Aufwande von Farbenreichthum, Vergoldung und Versilberung schmückte. In Rücksicht darauf hat auch bei der Restauration der Anstrich der Hallen und Gewölbe Farbentöne erhalten; in leuchtender Pracht bunter Malerei strahlt jedoch nur das kleine Refectorium. Das große Refectorium dehnt sich längs dem südlichen Flügel des Kreuzganges. Die Thür, die es mit diesem verbindet, ist aus Eichenholz mit flachgestochenen gothischen Blätterornamenten (in einigen Zügen Nachahmung der alten schönen Pforte, welche aus dem östlichen Kreuzgange direct in die Trinitatiskirche führt), und hat ein Meisterstück von Schloß aus Alt-Danziger Zeit mit reicher Ciselirung.

Die Tonnengewölbe dieses Saales, durch außerordentlich kräftiges[WS 1] Netzwerk von Graten belebt, sind gegen die Pfeiler der tiefen spitzbogigen Fenster und der diesen gegenüber belegenen spitzbogigen Nischen wie die Falten eines Gewandes zusammengeführt, um in den Mauermassen derselben zu verschwinden. Die unverhältnißmäßige Länge dieses Raumes scheidet ein dreifacher gothischer Bogen zu einer größeren und zu einer kürzeren Halle, die sich zu künstlerischen Ausstellungen aller Art vortrefflich eignen, weniger jedoch ihrer Bestimmung zum Concertsaale entsprechen. Zur Erwärmung dieses Saales hatte ehemals eine unter ihm angebrachte Luftheizungsvorrichtung gedient, die in der einfachen Einrichtung ihrer Heizkammern große Aehnlichkeit mit der bekannten des Marienburger Schlosses hatte.

Der herrlichste und durch seine Schicksale merkwürdigste Raum des Klosters ist der Conventremter. Man gelangt zu ihm durch den Treppenhausanbau und die Vorhalle, auf welche das große Refectorium mündet. Wie eine Lilie anmuthig entfaltet sich sein imposantes Gewölbe auf einer einzigen Säule. Und hier in diesem köstlichen Saale waren die Lazarethküchen eingebaut gewesen! Im Jahre 1851, als der verstorbene König in Danzig erwartet wurde, hatte der alte Freitag, um die ganze Schönheit des Gewölbes für den kunstsinnigen Fürsten frei zu legen, die Kühnheit, mit einem Aufgebote dienstwilliger Soldaten ohne vorher eingeholte Erlaubniß diese Einbauten herauszubrechen.

Bei dem großen Brande von 1857, der in dem Stadtviertel wüthete, wäre der Remter, und mit ihm wohl das ganze Kloster, ein Opfer der Flammen geworden, hätte sich nicht der damalige Lieutenant zur See Schau mit seinen Marinesoldaten seiner angenommen und ihn gerettet. Brandstiftung, die an demselben Abende den alten interessanten Bau bedrohte, wurde auch glücklich abgewandt. Heute dient der Remter der Johannisschule (Realschule 1. Ordnung) als Aula. Diese Schule nimmt das zweite, um einige Fuß erhöhte Stockwerk des Klosters im südlichen und östlichen Flügel ein, das mit allen Erfindungen der Neuzeit, die der Gesundheitspflege der Schüler dienen können, auf das Zweckmäßigste ausgestattet ist. Eine breite Granittreppe mit schwerem Steingeländer und weitem Vorflur vermittelt in dem Treppenhausanbau den Zugang zu den Schulräumen. Das Institut hielt hier Ostern 1872 unter seinem Director Dr. Panten seinen festlichen Einzug; während der westliche, dem Stadtwalle zugekehrte Flügel schon 1868 von der Provinzialgewerbeschule bezogen worden war.

Zwei geheime Räume in der Südwestecke des Gebäudes, (da, wo jetzt die neue Steintreppe zur Bildergalerie hinanführt) mit geheimer Wendeltreppe und vermauerten Zugängen und ein kleines Gewölbe zwischen Bibliothek und Remter, in dem der alte Genius loci von den idealen Träumen seiner Vergangenheit und der endlichen Einrichtung einer Modellirclasse an der Kunst- und Gewerbeschule zu Danzig träumt, welche ihm das Geschick bis heute noch nicht hat gönnen wollen, repräsentiren die Romantik des Klosters.

Im inneren Hofe plätschert, umgeben von Blumenanlagen, lustig ein Springbrunnen. In seiner Nordostecke verbindet ein Thurm mit alterthümlicher Wendeltreppe und oben ein an die Kirche angebauter Balcon mit Steingeländer die Wohnung und das Atelier des Conservators des Museums, des Maler Sy, im nördlichen Flügel – das ehemalige Palatium – mit dem Haupthause. Das Dachgeschoß des südlichen und östlichen Flügels enthält die Gemäldegalerien. Sie bestehen aus einzelnen, aneinanderhängenden Compartimenten mit Oberlicht, die sich da, wo sie zusammentreffen, in den Gibelbauten des Remters und Treppenhausanbaues, zu Sälen erweitern.

Die herrlichen Gemälde, die bisher in den Sälen des Rathhauses, in Erwartung zum Museum geweihter Hallen, eine Freistätte gefunden hatten, sind jetzt hier bleibend aufgestellt, darunter das sogenannte „Blaue Wunder“ unseres berühmten Landsmannes Hildebrandt. Sie bilden mit der bekannten Kabrun’schen Gemälde- und Kupferstichsammlung, die auch hierher übergesiedelt worden ist, den Kern unserer städtischen Sammlung, um den sich hoffentlich bald weitere Schätze der Malkunst schaaren werden. In diesen durch moderne Luftheizung erwärmten Galerien veranstaltet jetzt auch der Kunstverein seine Ausstellungen.

Malerei, Wissenschaft und Musik haben ihren Einzug in die geweihten Räume gehalten; nur die schönsten harren noch ihrer Belebung durch die ihnen bestimmten Werke der Sculptur. Die Büsten einiger Helden trauern darin über ihre Einsamkeit, und des großen Friedrich’s Haupt (Abguß von Rauch’s Meisterwerk, von König Friedrich Wilhelm dem Vierten 1852 der Sammlung vaterländischer Kunstgegenstände zu Danzig geschenkt) schaut blitzenden Auges erwartungsvoll durch die gewölbten Hallen nach ebenbürtiger Gesellschaft aus – wohl auch nach Ueberlieferungen altdanziger Kunstbestrebungen, altdanziger Pracht.[1]

E. Püttner.




Epische Briefe.
Von Wilhelm Jordan.
VII. Die Kunstgeheimnisse[WS 2] Homer’s. (Schluß.)


Homer nun malt in der Regel gar nicht, oder doch nur mit einem anschauungwirkenden Beiworte. So nennt er das Schiff das schwarze, das blaubugige, das mennigwangige, das auf beiden Seiten gleichmäßig gewölbte; das Meer, wo es bei heiterem Wetter glatt und ruhig ist, namentlich in der Nähe der Küsten, „wie Luft aussehend“, womit unfraglich die helle Bläue gemeint ist; wo es vorgestellt wird als weite und aus der Ferne betrachtete Fläche, „veilchenhaft aussehend“, wo die Rede ist von der sturmbewegten Tiefe, „aussehend wie (der dickgekochte, fast schwarze griechische) Wein“, wo es geschaut wird als auf dunkler Grundfläche von weißen Schaumlinien durchzogen und namentlich auch vom Ruder schaumig geschlagen, mit demselben Worte, welches die noch überwiegend schwarzen, aber schon mit weißen untermischten Haare bezeichnet, πολιος. So nennt er das Schießzeug für Pfeile, weil er dafür keine Benennung hat, welche wie die unsrige, Bogen, die gekrümmte Form bereits ausdrückt, das gebogene. Auf eine weitere Ausführung läßt er sich nur ein, wo eine Hauptwendung der Erzählung gebietet, dem Hörer eine genauere Vorstellung zu sichern. Die große Narbe im Beine des Odyssens z. B., an welcher ihn erst Eurykleia beim Fußbade gegen seinen Willen erkennt, und durch welche er sich dann dem Rinder- und Sauhirten wie zuletzt seinem Vater Laertes als der ächte ausweist, wird vorstellig gemacht durch die große Erzählung von seiner Reise zum Großvater und von seiner Verwundung


  1. Die Illustrationen zu dem Aufsatze sind dem Album entnommen, das die Stadt durch den Photographen Ballerstadt von den schönsten Partien des Klosters für den Kaiser, welcher sich gleich seinen königlichen Brüdern und Kindern stets lebhaft für den alten Kunstbau interessirt hat, herstellen ließ.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: kraftiges
  2. Vorlage: Ein Kunstgeheimnisse
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_274.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)