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verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

an sie heran. „Entfliehen Sie mir nicht!“ bat er sanft und energisch zugleich. „Es ist eine Fügung des Himmels, daß ich Sie sprechen darf, ehe ich mich Ihren Eltern eröffne. Ihretwegen, Juliette, allein Ihretwegen kam ich ja.“

Das Wort war gesprochen; er wußte selbst nicht, wie es so rasch auf seine Lippen gekommen war. Es war nicht mißzuverstehen, und der zärtliche Blick, der es begleitete, schien nur zu fragen: kam ich dir erwünscht? Ueber das schöne, jetzt marmorbleiche Gesicht des Mädchens zuckte es hin wie ein Aufblitzen freudiger Erregung. Dann schien sie Schmerz zu empfinden: unter der Stirn zogen sich die Augenbrauen finster zusammen, und der schon zum Sprechen geöffnete Mund schloß sich wieder mit krampfartigem Druck. Er glaubte keine Antwort abwarten zu dürfen. „Hören Sie mich gütig an, Juliette!“ fuhr er fort; „wer weiß, ob mir die Stunde noch einmal so günstig ist – und Sie müssen Alles erfahren.“

Sie ließ den Mantel fallen und streckte die Hand wie abwehrend gegen ihn aus. „Nein, nein –! schweigen Sie –“ fiel sie jetzt fast heftig ein, und ihre Stimme hatte einen bange zitternden Klang. „Sie dürfen so nicht zu mir sprechen – nie, nie!“

„Ich muß!“ rief er leidenschaftlich, „ich muß – und wenn es mir an’s Leben gehen sollte! – Es geht mir an’s Leben, Juliette,“ fuhr er sanfter fort, „glauben Sie mir das! Ich habe Ihnen ein kurzes Bekenntniß zu machen, das Ihnen vielleicht besser, als eine lange Rede, meinen ganzen Zustand erklärt: ich, Juliette, war der Räuber Ihres Bildes.“

(Fortsetzung folgt.)




Der Pflanzenschmuck der Wohnungen.


Die Liebe zu den Blumen – so nennen wir nach allgemeinem Gebrauch alle Zimmerpflanzen – ist, wie wohl Jedem aus Erfahrung bekannt, unter allen Ständen verbreitet. Die Blumenzucht beginnt in den schwach erhellten Räumen der Kellerwohnung, entwickelt sich zu prächtigen Decorationen in der sogenannten Bel-Etage und steigt hinauf bis zum Dachstübchen, wo die arme Näherin oder der gering besoldete kleine Beamte seine Wohnung sucht. Sie blüht in der Stadt wie auf dem Lande. Allerdings ist sie besonders in Kreisen heimisch, wo das Gemüthsleben gepflegt wird. Rohe, nur nach gemeinem Sinnesgenuß strebende Menschen pflegen keine Blumen.

Aber die Freude an den Blumen zeigt sich auf verschiedene Weise. Die Einen wollen mit den Pflanzen nur ihre Wohnung schmücken und stellen sie in die Classe der übrigen todten Zimmerdecorationen. Die Andern lieben sie um ihrer selbst willen und erfreuen sich ihrer Schönheit, ohne viel an die Verschönerung zu denken. Bei den Ersteren sind die Blumen blos Mittel – Decorationen, – bei den Zweiten Selbstzweck. Auf welcher Seite die bessern Erfolge zu suchen sind, brauche ich nicht zu sagen. Wer die Blumen den todten Schmuckgegenständen gleichstellt, wird auch stets nur todte haben. Schon dieser Verdruß sollte dazu bestimmen, sich der Blumen mehr anzunehmen, selbst wo der Verlust an Geld nicht im geringsten in Betracht kommt. Ist es nicht für Jeden ein schmerzliches Begegniß, Blumen, also lebende Wesen, die am Tage vorher strahlten und dufteten, verdorrt und unrettbar verloren zu sehen?

Man muß den Pflanzen mit Liebe zugethan sein. Aber die Liebe muß sich durch die That, durch liebevolle Pflege bethätigen. Und doch, wie selten wird das erkannt!

Bei den so ungemein verschiedenen Verhältnissen in Bezug auf Einrichtung und Hülfsmittel, bei der großen Menge von Pflanzen, welche jetzt Bewohner der Zimmer geworden sind, ist es schwer, zur Pflege der Blumen mehr als allgemeine Vorschriften zu geben. Hierauf soll sich meine heutige Darstellung beschränken. Das Einzelne möge dann der freundliche Leser in Fachschriften nachlesen, und mit gutem Gewissen kann ich mein eigenes, mit vielen Abbildungen versehenes kleines Werk „Die Zimmer- und Hausgärtnerei“ hierzu empfehlen.

Die Zucht der Blumen in den Wohnräumen bringt manche Schwierigkeiten mit sich, welche der Gärtner nicht kennt, daher viele Ausnahmen in der Behandlung. Dabei stellt sich aber die überraschende und für Blumenfreunde erfreuliche Wahrnehmung heraus, daß manche Pflanzen im Zimmer sich schöner entwickeln, als in Gewächshäusern, wo man ihnen die beste Behandlung angedeihen läßt. Ich nenne als solche den sogenannten Gummibaum (Ficus elastica), den Kaffeebaum, den chinesischen wohlriechenden Oelbaum (Olea oder Osmanthus fragrans), Curculigo (da von hundert Pflanzen für neunzig keine deutschen Namen vorhanden sind, auch nicht gemacht werden können, so müssen sich Blumenfreunde an den Gebrauch fremder Namen gewöhnen), Dracaena heliconiaefolia und robusta, die immergrüne Kletterpflanze Cissus antarcticus, Cyclamen (das sogenannte Alpenveilchen), die lebendig gebärende Graslilie Chlorophytum Sternbergianum oder Cordyline vivipara (die Calla). Der Grund dieser Erscheinung liegt einestheils in der mehr trockenen Luft, welche viele Pflanzen, analog den Standorten in ihrem Vaterlande, bedürfen, welche ihnen aber im Gewächshause nicht zu Theil werden kann, anderntheils aber darin, daß sie einzeln stehen, sich frei ausbreiten können und nicht von Ungeziefer leiden, wenigstens leicht davon gereinigt werden können. Die beliebte Calla blüht im Zimmer, immer in einem mit Wasser angefüllten Untersatze stehend, fast das ganze Jahr, bei den Gärtnern nur im Winter. Das erwähnte Chlorophytum steht im Zimmer frei auf einem hohen Ständer, und die neuen durch Fäden an der Mutter befestigten, bewurzelten Pflanzen hängen nach allen Seiten herab und werden nicht gestört, was im Glashause nicht angeht. Das Alpenveilchen, in seinen natürlichen Standorten, den höheren Gebirgen, monatelang mit Schnee bedeckt, blüht nur einmal, entweder im Frühlinge, wie das persische und die südeuropäischen Arten, oder im Sommer, wie das deutsche Alpenveilchen, und die Gärtner geben den Pflanzen einige Monate trockene Ruhezeit. Im Zimmer dagegen, in einem ganz unnatürlichen Zustande, tränkt man sie immer durch Untersätze, und sie blühen fast das ganze Jahr.

Ich erwähne solche Thatsachen, um die Schwierigkeiten, welche sich dem Gedeihen der Zimmerpflanzen entgegenstellen, nicht in einem allzu düsteren Lichte erscheinen zu lassen. Dieser Schwierigkeiten sind gar viele: Mangel an hinreichendem Licht und ungeeignete Wärme, unreine, oft durch Gas verdorbene Luft etc. In jedem bewohnten Zimmer ist nur am Fenster ein durchaus heller Standort, und wenn man den Pflanzen die meisten Fenster einräumen will, was jedenfalls die Behaglichkeit der Wohnung stört, so haben sie doch immer nur seitliches, einseitiges Licht. Die Wohnzimmerwärme ist nicht für alle Blumen ungeeignet, wie schon aus den gegebenen Beispielen hervorgeht, aber für sehr viele. Es bieten aber Nebenzimmer und weniger warme Räume Gelegenheit, ihnen eine günstige Temperatur zu verschaffen. Leider sinkt diese durch Nachlässigkeit in kalten Wintern oft tiefer, als Pflanzen ertragen können. Am schlimmsten ist die schlechte Beschaffenheit der Luft. Dieselbe ist zeitweise mit Staub und Ruß (von Oefen und Beleuchtung) erfüllt, zuweilen zugig, vor allem für die meisten Blumen zu trocken. Man muß die Pflanzen vor diesen feindlichen Einflüssen möglichst schützen und die Arten derselben speciell im Hinblick auf den ihnen bestimmten Standort auswählen. Lichtmangel, trockne Luft, hohe und tiefe Wärme etc. vertragen zwar nur wenige, aber doch einige schöne Pflanzen, welche alles Ungemach ohne merklichen Schaden besiegen, wenn man ihnen im Sommer eine Erholungspflege giebt. Ich nenne z. B. die grüne und bunte Aspidistra elatior (Plectogyne variegata), einige Drachenpalmen oder Dracänen Dracaena rubra, congesta, paniculata etc.), den sogenannten kleinen Gummibaum (Ficus[WS 1] australis), den japanesischen Spindelbaum (Evonymus japonicus), Pittosporum Tobira etc. Hierher gehört auch theilweise der Epheu, wenn er oft genug gewaschen und angefeuchtet wird; auch einige Fächerpalmen vertragen bei sonst guter Behandlung viel.

Als Schutz für die Blumen ist zu empfehlen das Belegen des Fußbodens mit Wachstuch- oder anderen Teppichen, Anstrich desselben mit Oelfarbe, Fußbodenlack oder Wachs, weil in Folge dessen das trockene Reinigen – gefährlich wegen des

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fitus
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1875, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_282.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)