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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


dem italienischen Publicum vorgeführt wird, ist äußerst ergötzlich anzusehen. Das Neueste in dieser Art hat der „Papagallo von Bologna geliefert, der Bismarck in Kolossalfigur bringt, über zwei Seiten reichend, die fast so groß sind, wie die der Leipziger „Illustrirten Zeitung“, und überdies in ganz vorzüglichem Farbendrucke ausgeführt. Bismarck ist darauf gar martialisch in voller Kürassieruniform dargestellt. als „il gran velocimano“, der große Tausendkünstler“. Nach Art der Taschenspieler, die in immer rascherer Bewegung vier, fünf, sechs Bälle zu gleicher Zeit aus einer Hand in die andere zu werfen und immer gleich geschickt wieder aufzufangen verstehen, spielt Bismarck hier mit Cardinälen und Bischöfen. Zwei fliegen eben angstschreiend durch die Luft, zwei andere zappeln ihm furchterfüllt auf den Händen, bereit, mit dem nächsten Augenblicke den gefürchteten Stoß zu empfangen und gleichfalls in die Luft zu gehen.

Ein anderes, ernsthafteres, aber vorzüglich gezeichnetes Bild in der neuesten Nummer des Turiner „Pasquino“ illustrirt die deutschen Kaiser, wie sie ehemals über die Alpen stiegen, „einen Fuß zu küssen, die Sclavin Italia hinter sich“, während sie jetzt kommen, „eine Hand zu drücken und um die Freundschaft Italiens zu werben“. Die Illustration ist, wie gesagt, so trefflich gedacht, wie ausgeführt; ihr Autor ist Teja selbst, der bekannte hochbegabte Director des „Pasquino“.

Daß bei den Carricaturen Roms neben dem König Victor Emanuel, dessen ganze Erscheinung für ein Witzblatt geradezu erfunden scheint, auch Garibaldi nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst. Am meisten Anklang und Verbreitung fand das Bild, welches der „Don Pirloncino“ an dem denkwürdigen Tage verkaufte, da Garibaldi seinen berühmten Einzug in Rom hielt. Es zeigt mit der Ueberschrift: „Rom 24. Januar 1875“ auf gleichfalls großem Format den König, den Papst und Garibaldi einträchtig vereint, Arm in Arm, Victor Emanuel in der Mitte und die beiden Andern, auf ihre Krückenstöcke gestützt, zu seiner Rechten und Linken. Im Hintergrund liegt Rom. Vom Capitol weht die italienische Fahne. Unter dem Bilde stehen die Worte: „Omne trinum est perfectum“ und in der That lag in diesem Zusammensein der drei Personen, welche bis dahin – ein Jeder für sich – als die hervorragenden Repräsentanten einer besonderen sich gegenseitig bitter befehdenden Richtung angesehen wurden, Etwas, was die Satire leicht genug herausforderte. Pius der Neunte, Victor Emanuel und Garibaldi!

War doch selbst noch am Tage des Einzugs die Regierung ihrer Sache oder vielmehr Garibaldis so wenig sicher, daß sie insgeheim die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln traf, die Garnison vermehrte und über den Tag und die Stunde der Ankunft Garibaldi’s von Caprera das Volk im Ungewissen zu halten suchte.

Um so feuriger und enthusiastischer war denn der Empfang, den die Römer ihrem ehemaligen Dictator, der an diesem Tage die Tiberstadt seit dem verhängnisvollen Jahre 1849 zum ersten Male wieder betrat, bereitete. Halb Rom war ihm entgegengeströmt, und vom wolkenlosen, blauen Himmel lachte die Sonne freundlich nieder auf das schöne Schauspiel. Die Pferde hatte man unter wahnsinnigem Beifallstosen ausgespannt und die nächststehenden vier-, fünfhundert Menschen schienen mit leidenschaftlich erhitzten Gesichtern einen Kampf beginnen zu wollen um die Ehre, an dem Wagen, der den General vom Bahnhof in die Stadt bringen sollte, mitzuziehen. Garibaldi saß ganz allein im Fond des Wagens, vorn standen sein Schwiegersohn Bedeschini und sein Sohn Menotti, um mit erhobener Hand die wie Sturmwogen andrängende und vom Taumel der Begeisterung hingerissene Menge zu beruhigen und vom Wagen fern zu halten. Vieltausendfältiges „Evviva!“ und unerhörtes Händeklatschen umhallte den greisen Helden, und von den Fenstern und Dächern wehten die weißen Tücher der Frauen.

Freilich wie ganz anders hatte ich mir den Löwen von Caprera gedacht! Aufrecht, aber ruhig und wie wenn ihn der ganze aufregende Vorgang Nichts angehe, saß Garibaldi in seiner bekannten rothen Blouse und im weißen Mantel im Wagen; fast theilnahmlos glitt sein müder Blick über die wild tobende, leidenschaftliche tausendköpfige Menge hin; sein bleiches, vom weißen Vollbart umrahmtes Gesicht verrieth nicht die leiseste Erregung; nach keiner Seite hin rührte er die Hand zum Danke, und so hatte diese Bewegungslosigkeit des Gefeierten mitten in der zügellosen Begeisterung, die seine Erscheinung hervorrief, fast etwas Unheimliches.

Garibaldi war leidend; seine Verehrer hatten beabsichtigt, die flatternden Fahnen und die blasenden Musikbanden voraus, ihn in solchem festlichen Zuge durch die Stadt zu führen. Aber am Hôtel Constanzi, das noch ziemlich nahe am Bahnhof liegt, angekommen, bestand Garibaldi darauf, den Wagen verlassen zu dürfen; die Erschöpfung der Reise, die Aufregung des tumultuösen Empfanges hatten ihn überwältigt. Seine Freunde trugen ihn in den Gasthof, von dessen Fenstern aus er dann die Menge noch aufforderte, auseinanderzugehen und vor Allem Ordnung und Ruhe zu halten.

Abends – die Dunkelheit war schon eingebrochen – begegnete ich zufällig noch einmal in der Nähe des Corso dem Wagen, in dem Garibaldi nun von dem Hôtel in die Wohnung seines Sohnes oder Schwiegersohnes gebracht werden sollte. Abermals waren die Pferde ausgespannt. Jungen mit leuchtenden Fackeln liefen brüllend und tobend neben dem rollenden Wagen her, auf dem Bock aber saß ein Mann, der eine große Fahne mit den italienischen Farben trug und sie unter dem grüßenden Beifallsruf der Begegnenden beständig nach allen Seiten hin flatternd schwenkte.

Garibaldi ist durch sein rheumatisches Leiden vor der Zeit alt geworden – körperlich; denn wie sehr er sich die geistige Frische zu bewahren wußte, beweist die Energie, mit welcher er sein Project der Tiberregulirung rastlos verfolgt. Dasselbe geht bekanntlich dahin, den Tiber oberhalb der Aniomündung abzuleiten und ihn, den Mons Sacer zur Linken lassend, in einem neuen Bett durch die Thäler des Anio, der Maranella und des Almone zu führen. Das neue Bett des Tiber würde das gegenwärtige ein wenig oberhalb von St. Paul schneiden und von da aus in geradem Canal nach Fiumicino führen, wo ein großer Seehafen angelegt werden soll, mit welchem Rom auf diese Weise direct verbunden wäre. Indem die neue Tiberleitung an der Ostseite der Stadt vorbei geführt wird, soll zugleich eine Berieselung und Bewässerung der römischen Campagna herbeigeführt werden, von welcher man sich für die rationelle Ausbeutung des ohnehin schon trefflichen Bodens das Beste verspricht. Das Project, dessen Ausführung etwa 80 Millionen Franken verlangen würde, hat so viele enthusiastische Freunde, als skeptische Anzweifler gefunden. Garibaldi, um die letzteren unbekümmert, arbeitet rüstig und voll muthigen Vertrauens weiter; die Pläne, die Risse, die Zeichnungen, die jetzt seinen Tisch bedecken, dienen nicht mehr den Schrecken des Krieges, sondern dem edleren Zwecke der Humanität, und so ist denn nur zu wünschen, daß es dem Helden von Caprera, dessen Name in der Befreiungs- und Einheitsgeschichte Italiens stets mit leuchtendem Ruhme fortleben wird, vergönnt sein möge, dieses segensreiche Werk des Friedens auch wirklich zu erfolgreichem Ende zu führen. Ob die radicale Partei, die doch eigentlich allein Garibaldi in das italienische Parlament brachte, von diesem nicht eine Thätigkeit ganz anderer Art erwartete, habe ich hier nicht zu erörtern. Thatsache ist, daß der General, indem er unter einem unerhörten Beifallsjubel der Kammer den Eid auf die Verfassung ablegte, seinen Frieden mit dem König machte und daß er gerade wegen dieses Actes, der eine hohe politische Einsicht in sich schloß, von allen Besonnenen und wahren Freunden des jungen Königreichs gepriesen und beglückwünscht wurde.

Den König habe ich wiederholt gesehen, wenn er von seiner Villa vor der Porta Pia nach dem Quirinal fuhr. Würde man ihn nicht aus den vielen Bildern kennen, die beim besten Willen keine Verwechselung zulassen, so würde gewiß Niemand auf den Gedanken kommen, daß es der König von Italien sei, der eben vorüberfahre – so einfach und schlicht bürgerlich ist das Auftreten Victor Emanuel’s. Dasselbe gilt vom Kronprinzen Humbert, dem man oft genug auf dem Monte Pincio begegnen kann und der von seinem Vater zwar nicht die gedrungene, kräftige Figur, wohl aber den ungeheueren Schnurrbart geerbt hat, hinter welchem fast sein ganzes kleines Gesicht verschwindet. Nur die Kronprinzessin Marghuerite erlaubt sich den Luxus zweier in brennendes Roth gekleideter Bedienten, die hinten auf dem Wagen sitzen und denselben schon von Weitem kenntlich machen.

An sich ist dieses bescheidene, bürgerliche Auftreten der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_352.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)