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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Die Nightingale-Nurses wohnen in einem eigenen Theile des Gebäudes, der sich zwischen Block Nr. 2 und Nr. 3 befindet. Der Name derselben stammt von der Gründerin, der bekannten Miß Nightingale, her, die sich um wohlthätige Anstalten sehr verdient gemacht hat. Diese Dame hat dem Hospitale eine Schenkung hinterlassen, für welche dasselbe vierzig junge Mädchen jährlich zu Krankenpflegerinnen heranbildet.

Die einzelnen ersten acht Blocks werden, wie schon vorhin gesagt, durch einen langen Corridor verbunden, dessen Länge eine viertel englische Meile beträgt. Es findet sich ein solcher Corridor im Parterre und im ersten Stocke, im Souterrain jedoch sehen wir einen langen unterirdischen Gang, der vom ersten bis zum letzten Blocke reicht. Wir wollen uns zunächst mit diesem Theile beschäftigen.

Unter jedem Blocke befindet sich ein großer Raum, der als Kohlen- und Vorratskammer benutzt wird, sodaß jedes Gebäude vom nächsten gänzlich unabhängig ist und mit demselben fast gar nicht in Berührung kommt. Jeder Block hat ferner einen großen und einen kleineren Kessel und ebenfalls einen eigenen Ofen für jeden Kessel. Der große Behälter dient dazu, die Heizungsapparate mit heißem Wasser zu versehen, während der kleinere, dessen Feuer nie ausgeht, die Bade- und Waschzimmer speist. Bei kaltem Wetter wird das ganze Hospital mit Wasserheizung erwärmt. Gewöhnlich aber heizt man jedes Krankenzimmer mit je drei offenen Oefen; diese stehen in der Mitte des Raumes in Verbindung mit einer vertikalen Röhre, die den Rauch entfernt. Die Heizungswerke sind von der großen Firma Haden und Sohn in Trowbridge ausgeführt worden und werden von den Aerzten als unübertrefflich gerühmt.

Jeder Block besitzt ferner zwei „Lifts“ oder Hebemaschinen, die mit Wasserkraft in Bewegung gesetzt werden und vom Souterrain ausgehen. Die größere derselben kann sechs Menschen auf einmal heben, während die kleinere nur auf einen Centner berechnet ist. Erstere dient den Patienten, auch Kohlen etc. zur Beförderung, letztere dem Essen und leichteren Gegenständen. Diese Lifts sind im sogenannten hydraulischen Widdersystem gebaut. Das hierzu erforderliche Wasser hat einen Fall von hundertvier Fuß und befindet sich in großen Reservoirs unter dem Dache jedes Blockes. Jede Hebemaschine kann dreiundsechszig Fuß hoch steigen; der Wasserdruck ist fünfundvierzig Pfund per Quadratzoll. Die Lifts können an jedem Stockwerke angehalten werden. Diese Maschinen wurden von der in diesem Fache berühmten Firma F. Colyer u. Comp. hierselbst hergestellt.

Vermittelst der größeren Maschine werden Todte aus den betreffenden Krankenzimmern in das Souterrain befördert, von wo aus man dieselben nach dem am äußersten Ende des unterirdischen Ganges gelegenen Todtenhause bringt.

Unsere Wanderung führt uns zunächst in das Parterre. Der Eingang befindet sich unter einem breiten, hohen Portale und führt unmittelbar in die große Halle, wo die verschiedenen Marmorbüsten berühmter Aerzte aufgestellt sind. Hier ist auch der von der Königin gelegte Stein angebracht. Links liegt das Bureau des „Medical Secretary“; dem Eingange gerade gegenüber befindet sich das Bureau des Oberaufsehers; rechts und links führt uns der Corridor in die verschiedenen Gebäude. Alles was in das Hospital ein- oder aus demselben herausgeht, muß durch das Bureau des Oberaufsehers passiren. Die in das Hospital aufgenommenen Kranken haben sich hier beim Eintritte zu melden, und wird überhaupt das ganze Institut von hier aus verwaltet.

Wir wenden uns nun zunächst nach links und finden im ersten Blocke an dieser Seite (Nr. 6) die Küche, deren enormer Kochherd zwei Köche beschäftigt. Dieser Herd dient zur Bereitung der allgemeinen Kost, und von hier aus wird das Essen für die verschiedenen Blocks mit kleinen Rollwagen an seinen Bestimmungsort geschafft. Wenn ich sage, daß die Kochherde von der auch in Deutschland wohlbekannten Londoner Firma Benham und Söhne geliefert wurden, so bedarf es nicht der Versicherung, daß dieselben ausgezeichnet sind. In der Mitte der Küche steht eine große Tafel, auf der die verschiedenen „Formen“ für die Kranken angegeben sind. Daneben wird täglich bemerkt z. B. acht Portionen erster Form für Zimmer Nr. 9 etc. Dieser Formen oder Krankenkosten giebt es fünf, drei für Erwachsene, zwei für Kinder. Erstere werden eingetheilt in „gemischte“, „Milch“- und „Fieber“-Form. Letztere nennt man „gemischte“ und „Milch“-Form. Jeder eintretende Kranke wird auf Milch- oder Fieberkost gesetzt, bis der Arzt die für ihn passende Form anordnet.

Rechter Hand vom Eingange befindet sich die Wohnung der Oberaufseherin, die das weibliche Personal des Hospitales zu leiten hat. Außer ihrer Wohnung sind hier mehrere Zimmer zu Aufbewahrungsorten von Leinenzeug und Provisionen eingerichtet, für deren Inhalt die Oberaufseherin verantwortlich gemacht wird. Neben der Küche, zwischen Block Nr. 6 und 7, liegt ein sogenanntes „Operationstheater“; ein zweites findet sich zwischen Block Nr. 3 und 4. Letzteres dient für Frauen, ersteres für Männer. Zwischen den Blocks Nr. 3, 4 und 5 befinden sich die Augenklinik, die Zimmer des Wundarztes und die Wartezimmer derjenigen Patienten, die nur um Rath, nicht aber um Aufnahme in das Hospital bitten. Die hier befindliche Zahl von Betten beläuft sich auf siebenundzwanzig, wovon vierzehn männlichen, dreizehn aber weiblichen Patienten angehören.

Kranke, die nicht in das Hospital aufgenommen zu werden wünschen, gelangen durch den Eingang Nr. 2 zu den rechts gelegenen Zimmern des beaufsichtigenden Arztes, der dieselben untersucht. Er händigt jedem Patienten einen sogenannten „Krankenbrief“ ein, welcher auf sechs Wochen lautet, das heißt, der Patient darf jede Woche einmal kommen, um sich Rath und Medicin zu holen. Ist er nach dieser Zeit nicht curirt, so wird der Brief auf weitere sechs Wochen verlängert. Hauskranke erhalten ebenfalls Behandlung, Medicin und Kost frei, und nothdürftigen Leidenden werden Krücken, Schienen und Bandagen geschenkt.

Zwischen Block Nr. 7 und 8 befindet sich die Wohnung der Gehülfen der Hausärzte. Dieselbe besteht aus etwa vierundzwanzig Zimmern, nebst Baderäumen und dergleichen, und hat einen besonderen Eingang C. Die Zimmermädchen, Nurses, Scheuerfrauen etc. wohnen in den unter dem Dache belegenen Wohnräumen.

Bei gutem Wetter wird es den Kranken erlaubt, in den kleinen Gärten des Hospitals umherzugehen; ist es dagegen rauh oder naß, so dient ihnen der lange Corridor des ersten Stockwerkes zum Spaziergange. Wie schon gesagt, verbindet derselbe die einzelnen Blocks, und um es den Kranken zu ermöglichen, sich hier Bewegung zu machen, hat man die Seiten desselben mit hermetisch schließenden Fenstern versehen. Um neben dem leiblichen auch das geistige Wohl zu berücksichtigen, werden hin und wieder gute Bücher gereicht, oder die Nurses lesen ihren Schutzbefohlenen vor, während am Sonntag in der im ersten Stock des Blockes Nr. 5 belegenen Kirche von dem Hausgeistlichen Gottesdienst abgehalten wird. Diese Capelle enthält dreihundert Sitze, und auch hier werden die Männer von den Frauen getrennt. Die Aerzte des Hospitals haben der Kirche eine Orgel zum Geschenke vermacht. Das Innere der Capelle ist einfach, aber geschmackvoll verziert; auch hier findet Wasserheizung statt.

In einem Hospital, namentlich in einem solchen ungeheuren Gebäude, wie es das Thomas-Hospital ist, muß es natürlich von Wichtigkeit sein, eine Ventilation anzubringen, die bei jedem Stande des Wetters gleichmäßige Dienste leistet. Diese Aufgabe ist hier glänzend gelöst. Jedes Gebäude ist auch in dieser Hinsicht von den übrigen unabhängig. So weit es möglich ist, läßt man die natürliche Ventilation zu, für kalte, stürmische Tage aber hat man die vollendetsten Ventilationseinrichtungen getroffen und zwar mittelst einer Anzahl von Luftröhren, welche von Zink gearbeitet sind und die Dünste des Krankenzimmers durch das Dach entführen, während vom Souterrain aus frische Luft durch andre Röhren in die verschiedenen Räume gepumpt wird. Die Wasch- und Badezimmer und die Wasserclosets befinden sich am Ende eines jeden Raumes in den hervorspringenden Theilen; um jede Ausdünstung zu vermeiden, hat man zwischen den Closets und den Krankenzimmern einen kleinen, leeren Zwischenraum angebracht, der an beiden Seiten mit Fenstern versehen ist. Ferner befindet sich in diesem Theil eines jeden Gebäudes eine lange, bis in das Souterrain führende Röhre, die dem schmutzigen Leinen etc. zur Beförderung nach unten dient. Eine zweite Röhre, ebenfalls hier angebracht, beseitigt den Kehricht.

Am Eingang in die Krankenzimmer bemerkt man drei kleine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_382.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)