Seite:Die Gartenlaube (1875) 452.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

daß diese Schwierigkeiten durch andere Härtungsverfahren aus dem Wege zu räumen sein werden. Wir wissen nicht, ob man dabei bereits an die Anwendung leichtflüssiger Metallgemische, die man für alle Temperaturen zwischen achtzig und vierhundert Grad schmelzend erhalten kann, gedacht hat.

In dieser Beziehung scheinen die deutschen Fabrikanten dem Franzosen bereits völlig den Vorsprung abgewonnen zu haben. Namentlich soll sich das auf anderen Grundlagen beruhende Verfahren von Richard Mensel in Geiersthal bei Wallendorf in Thüringen durch seine Gefahrlosigkeit und die Leichtigkeit, mit der es ohne kostspielige Umbauten in jeder Glashütte auszuführen ist, auszeichnen. Derselbe hat unter anderen Dingen nach seinem Verfahren Flaschen von gewöhnlicher Wandstärke und aus dem gewöhnlichen Materiale hergestellt, die einen Druck von dreißig Atmosphären, mehr als das Doppelte, was eine gute Flasche sonst aushielt, ertrugen. Der Champagner, den das Springen so vieler Flaschen bei der Fabrikation am meisten vertheuert, hätte demnächst Aussicht, billiger zu werden. Von demselben Erfinder hergestellte Lampencylinder konnten, nachdem man sie durch Aufschrauben der Gasflamme glühend gemacht hatte, ohne Gefahr des Zerspringens mit nassen Tüchern berührt werden. Es scheint, daß dieses deutsche Verfahren, welches in Baiern bereits patentirt ist, die meiste Aussicht hat, im Großen ausgeführt zu werden, und der beste Beweis für seine Vorzüge dürfte dadurch geliefert worden sein, daß die société céramique zu Paris und andere französische Fabrikanten, nachdem sie sich von der praktischen Unausführbarkeit des la Bastie’schen Verfahrens überzeugt haben, mit unserem Landsmanne in Unterhandlungen getreten sind, und daß in Frankreich bereits deutsches Hartglas fabricirt wird. Mensel hat in Pantin bei Paris, in der Fabrik des Herrn Vidie, wie authentische Berichte aus Frankreich sich ausdrücken, Beweise geliefert, daß seiner Erfindung der Preis gebührt.

Prof. A. Bauer in Wien stellte durch Versuche fest, daß bei der Härtung die Dichtigkeit des Glases, welche zwischen 2,429 bis 2,438 schwankt, auf 2,460 bis 2,468 steigt, so daß also die Theilchen desselben, namentlich an der Oberfläche, einander mehr genähert sein müssen, wodurch die Härtezunahme bedingt sein mag. Diese Oberflächenschicht ist dabei so hart geworden, daß sie sich viel schwerer mit dem Diamanten ritzen läßt, als gewöhnliches Glas, was die Bearbeitung erschweren muß. Wird es schließlich mit Gewalt entzweigeschlagen, so zerfällt de la Bastie’s Glas, ähnlich den Glasthränen, in einen unfühlbaren Staub, so daß ein bombardirtes Glashaus in Wolken, aber nicht in Splitter verwandelt werden würde, und Fräulein Ungeschickt in der Küche kann diesem Stoffe gegenüber nicht mehr sagen, eine Caraffe sei entzweigegangen, sondern sie sei entzweigeduftet. Uebrigens sollen nicht alle Sorten des gehärteten Glases diese Eigenschaft des Verstäubens theilen, sondern zum Theil im gegebenen Falle zerbrechen wie anderes Glas.

Die Tragweite der Erfindung leuchtet ein, auch wenn die Anwendung des gehärteten Glases sich, theils der Erhöhung des Preises, theils der schwierigen Bearbeitung wegen, weder auf die billigsten noch auf die theuersten Gegenstände (gewöhnliche Bierflaschen etc. einerseits und geschliffene Waare andererseits) erstrecken sollte. Hagelsichere Glashäuser und Fensterscheiben, unverwüstliche Lampencylinder und Kochgeschirre, Tischgeräthe für Kinder und Erwachsene, Reiseflaschen und Gläser, Cassetten und Negativplatten für Photographen, Glasstereoskopen und Glasgemälde, Uhrgläser und Tischglocken, sowie hundert andere Dinge, die man sonst gar nicht aus Glas machte, werden nunmehr aus diesem Materiale gefertigt werden (z. B. Tafelgeschirr aus gehärtetem Milchglas statt Porcellan). Die Quelle gar manchen häuslichen Aergers wird verstopft sein, wenn die Dienstmädchen nicht mehr im heimlichen Bunde mit den Glaswaarenhändlern zu stehen scheinen werden, und so ist die neue Erfindung recht eigentlich eine Erfindung des Friedens.

Carus Sterne.





Aus dem Stammbuche der „Grille“.

„Grillen sind oft böse Gäste,
Böse Gäste sind oft ‚Grillen‘.“

Ja, das muß wahr sein. Sehr böse Gäste sind oft „Grillen“. Alle Theaterbesucher wissen es, und die Meisten von ihnen wissen auch, daß es nur eine „Grille“ giebt – Friederike Goßmann. Das Verschen, das diesen Zeilen vorangestellt wurde, ist eine Liebenswürdigkeit, die ich dem Stammbuche der Künstlerin entnommen habe, aus dem hier noch Mehreres mitgetheilt werden soll. Stammbücher pflegen freilich im Allgemeinen keine sehr anregende Lectüre zu bilden, wenigstens für einen Zweiten und Dritten nicht. Der Besitzer eines solchen mag sich allerdings durch dasselbe leicht in angenehme Träume, in selige Erinnerungen einspinnen lassen, was aber fängt ein bei Seite Stehender an mit den zarten, lyrischen, immer höchst persönlichen Gefühlsergüssen eines „ewig getreuen Freundes“ oder einer auf noch längere Zeit hinaus getreuen Freundin? Die intimen Beziehungen, welchen der Stammbuchbesitzer mit liebevollster Hingebung im Geiste wieder nachgehen kann, sind ihm fremd, kurz ihm fehlt der feste, greifbare Grund, an welchen, und sei er noch so klein, sich die schimmernden Krystalle einer wehmüthigen oder freudigen Erinnerung ansetzen könnten. Das gilt von den Stammbüchern gewöhnlicher Sterblicher. Anders stellt sich die Sache, wenn ein nicht gewöhnliches Menschenkind sich von nicht gewöhnlichen Menschen Dinge in’s Album schreiben läßt, die ebenfalls nicht gewöhnlich sind. Dann wird man ein solches Büchlein gern in die Hand nehmen, um sich durch die auf die verschiedenen Blätter hingeworfenen Züge das Charakterbild des interessanten Eigenthümers, sowie das seiner interessanten Freunde zu vervollständigen. Darnm glaube ich, daß die Leser der „Gartenlaube“ eine kleine Blumenlese aus dem Stammbuche von Friederike Goßmann freundlich aufnehmen werden. Das Buch zeigt uns die liebenswürdige Künstlerin in einer neuen reizvollen Beleuchtung, im intimen Verhältnisse zu ihren Freunden und Kunstgenossen, die wieder, zum großen Theile ebenfalls von aller Welt gekannt und verehrt, sich durch ihre Poesien in harm- und absichtsloser Weise selbst charakterisiren. Daß wir in diesen Blättern auch eine Reihe von bisher ungedruckten Gedichten von Manchem unserer namhaftesten Poeten finden, wird uns ihr Interesse sicher nicht schmälern.

Friedrich Bodenstedt hat der Künstlerin folgende Zeilen gewidmet:

„Gern seh’ ich Dich, nicht ganz so gern die Stücke,
Worin Du spielst mit wohlverdientem Glücke,
Trotz Schwesterneid und Recensententücke.

Wohl ist es, schön, auch Nied’res zu verklären,
Doch Deine Kunst weist Dich in höhere Sphären,
Soll, der Dich schmückt, der Ruhm sich lang bewähren.“

Heinrich Kruse, damals „nur“ Chef-Redacteur der „Kölnischen Zeitung“ und noch nicht dramatischer Dichter, kann als eifriger Verehrer seiner Freundin kein „Aber“ und kein „Doch“ gelten lassen, wenn es auch nur entfernt dazu dienen sollte, ein ihr gespendetes Lob einzuschränken. Er polemisirt auf der nächsten Seite in einem Gedichte „An meinen Freund Friedrich Bodenstedt“ gegen die citirten Verse, wie folgt:

„O Freund, so wolle doch nicht schelten!
Nein, laß’ uns unser Grillchen gelten!
Ist’ ihre Schuld, daß Classiker noch nicht
Ein Wesen, das ihr gleicht, verherrlicht im Gedicht?
Und siehst Du duftige Maiglöckchen stehn,
Verlangst Du Rosen d’ran zu seh’n?“

Als wahrer Freund muß aber Heinrich Kruse auch ein selbstständiges Verschen liefern;

„Bei Dir ist Ein’s, Friederike, streitig nur:
Verdankst Du mehr der Kunst, mehr der Natur?
Doch sei es Marmor oder Meißelschlag,
Anmuthig strahlst Du, wie der junge Tag,
Und stehest Du als Grillchen kauend da,
Speisest Du Brod, doch wir Ambrosia.“

Ueber das Eine, was bei Friederiken nur streitig ist, hilft sich O. Banck durch folgenden Spruch hinweg:

„Ein einzig Kunstsystem bleibt ewig neu:
Natürlichkeit und auch Genie dabei.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_452.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)