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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


No. 29.   1875.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennige. – In Heften à 50 Pfennige.


Hund und Katz’.
Eine Geschichte aus dem bairischen Oberlande.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


„Mußt das nicht schief aufnehmen,“ unterbrach er sie, „mußt es halt so verstehen wie’s gemeint ist. Du kennst mich ja, wie ich bin, Mechel, Du weißt …“

„Ja wohl kenn’ ich Dich,“ fiel sie rasch ein, „aber Du kennst mich nicht, sonst thätst Du wissen, daß ich den Namen Mechel nicht ausstehen kann. Mechtildis heiß’ ich, und so will ich haben, daß Du mich nennst und nicht anders.“

„Ja ja,“ entgegnete er, „ich weiß es ja und hab’ nur darauf vergessen; es geht mir halt hart in den Kopf, denn wenn’s Dir auch anders vorkommt, mir gefallt Mechel viel besser; es ist viel lieber und heimlicher.“

„Warum nicht gar! Das verstehst Du nicht,“ unterbrach ihn das Mädchen, „ich will einmal das Wort nicht hören, und Du mußt auch Deinen Namen ändern. Du heißest ja auch Franz von der Firmung her; ich nenn’ Dich allemal Franz, das dumme Zachariesel bringt man ja kaum heraus.“

Nun war die Reihe, verletzt zu sein, an den Burschen gekommen: er sah nicht ein, was an dem Zacharias auszusetzen sei, der ihm von Jugend auf so gewohnt und vertraut geklungen hatte. „Thu’ dem ehrlichen Namen nicht Unrecht, Mechtild!“ sagte er, „mein Vater hat so geheißen und mein Großvater und mein Ahnl; er ist schon von jeher auf dem Hause.“

„Drum kannst ihn so leichter aufgeben,“ rief Mechtild, „Du gehst ja jetzt fort von Haus und wirst Grubenmüller; eine solche Kleinigkeit wirst mir doch nicht abschlagen, wenn Du mich wirklich so gern hast, wie Du mir alleweil sagst.“

„Wie könnt’ ich Dir was abschlagen!“ rief der Bursche entzückt, denn sie hatte ihm zugleich die Hand wieder geboten und ihn mit einem Blicke angesehen, in dem die ganze Zuversicht einer Liebe glänzte, die ihres Sieges gewiß war. „Ich will ja gern Mechtild sagen zu Dir, wenn’s Dir Freude macht. Nenn’ Du mich, wie Du magst, Peter oder Paul, aber am liebsten ist es mir doch, wenn Du mich Deinen lieben Buben nennst und Deinen Schatz.“

Sie reichten und drückten sich die Hände, und die Versöhnung wäre wohl mit einem Kusse versiegelt worden, wären die Bursche nicht mit einmal so laut geworden, daß es nur einem Tauben hätte entgehen können. So leise der Namenstreit geführt worden, war er doch den Lauschern nicht entgangen, welche aus einzelnen aufgefangenen Worten unschwer den ganzen Zusammenhang erriethen. Sie winkten und nickten sich zu und waren schnell ohne Auseinandersetzung über einen Scherz einverstanden, der dem lustigen Tage vollends die Krone aufsetzen sollte. Schon erhoben sich Einzelne von den Sitzen, als vor dem Hause ein Gefährt angerollt kam und das Vorhaben unterbrach.

Es war das Schweizerwägelchen des Schlösselbauern mit den muthigen Braunen davor. Die Begrüßungen der Gäste waren einfach und bedurften nicht vieler Zeit. Der Schlösselbauer mit Kuni wollte gleich aufbrechen um auf dem Markte die Einkäufe zu machen, die er beabsichtigte, der Müller aber gab es nicht zu und meinte, da man auf dem Lande doch so selten zusammen komme, solle man einen Augenblick verweilen, eine Maß zum Willkomm trinken und dann gemeinsam die Herrlichkeiten des Jahrmarkts besehen. So setzte man sich denn an einem Tische zusammen, und der Müller stellte denen vom Schlösselbauernhofe das Brautpaar vor. Die Mädchen begrüßten sich als frühe Bekannte von der Schulzeit her, und die feurige Mechtild war außer sich vor Freude, der Jugendgespielin ihren Hochzeiter noch besonders vorstellen und erzählen zu können, wie glücklich sie sei. Kuni hörte mit einem Lächeln zu, das von Spott nicht frei war, gewahrte sie doch, daß die Braut den Bräutigam fortwährend an der Hand hielt, als befürchte sie, daß er ihr noch von der Seite weg gestohlen werden könne. Der Bauer hatte soeben von der bereits erhaltenen Einladung und deren Annahme erzählt; natürlich wollte der Müller die dadurch erwiesene Ehre mit einer andern erwidern und erhob den Krug, damit der Schlösselbauer mit ihm anstoße und Bescheid thue.

„Mich schönstens zu bedanken, Schlösselbauer,“ sagte er, „sollst leben und Deine Tochter daneben und sollst bald die gleiche Freud’ erleben.“

Etwas kleinlaut stimmte der Bauer ein und stieß nothdürftig mit dem Kruge an, Kuni aber biß sich die Zähne übereinander und sah auf das Zifferblatt der großen Standuhr hinauf, wo eben der Kukuk aus seinem Verstecke schlüpfte, um mit grellem Rufe die Stunde anzuzeigen. Sie that, als hätte sie gar nicht gehört, was gesprochen worden, und als sähe sie nicht, daß alle Anwesenden, insbesondere das Brautpaar, ihr die Gläser entgegen hielten, um mit ihr anzuklingen auf baldige Erfüllung des soeben ausgesprochenen Wunsches. Zu anderer Zeit hätte sie dazu gelacht und lachend mit angestoßen, aber nach dem, was vor so kurzer Zeit zu Hause vorgefallen, war sie gereizt und empfand die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_485.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)