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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


die Ostküste des Erdtheils etwa vom zehnten Grade südlicher Breite, von C. Delgado, bis über den Aequator hinaus wenig beachtet. Erst die deutschen Missionäre Krapf, Rebmann, Erhardt berichteten Ende der vierziger Jahre von ungeheuren Schneebergen gerade unter dem Aequator und einem unermeßlichen Binnensee, dem Victoria- oder Ukerewesee mitten in Afrika. Die herodoteischen Märchen, die ptolemäischen Mondberge schienen Wahrheit geworden; die Berichte wirkten zündend auf den Forschungsdrang der Reisenden. Zunächst vervollständigten diese Nachrichten die Engländer Burton, Speke, Grant, sodann der Deutsche Albrecht Roscher, der 1860 an der Nordspitze des südlicheren Nyassa-Sees ermordet wurde. Die ausführlichsten Nachrichten aber sind dem oben erwähnten Werke des deutschen Barons von der Decken zu verdanken. Sie sind die Hauptquelle für die Kenntniß des Landes Zanzibar, dessen Beherrscher, wie gesagt, jetzt in London alle Aufmerksamkeit der geographischen Welt auf sich zieht, Sultan Seid Bargasch, dem auch wir unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben.

Seid Bargasch gehört der arabischen Race, der arabischen Nationalität an. Seine Hautfarbe ist licht; er hat nichts mit afrikanischen Negern oder Negerähnlichem gemein; seine ganze Familie zeichnet sich durch helle Gesichtsfarbe aus. Er gehört der edlen Dynastie der Imâme von Omân an der Ostküste Arabiens an, der Abu Seidi, welche die Jarebiten, die Jahrhunderte im heutigen Zanzibar geherrscht hatten, 1744 stürzte und mit dem ausgezeichneten und thatkräftigen Achmed ben Said eine geschichtlich bedeutsame Periode begann.

Der dritte Nachfolger Achmed’s war Seid Said, der in einer fünfzigjährigen Regierung, 1806–1856, es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, und auch in Europa als „Imâm von Maskat“ bekannt geworden ist. Er ist der Vater Seid Bargasch’s. Seid Said vereinigte die Küste des mittleren Ostafrika, das heutige Zanzibar, mit seinem Erblande Omân in Arabien zu einem ansehnlichen Reiche, siedelte 1840 aus dem arabischen Erblande Omân nach Zanzibar über und widmete sich nach stürmischen Anstrengungen den Werken des Friedens. So ereilte ihn 1856 im sechsundsechszigsten Lebensjahre der Tod. Er hinterließ neben vielen Töchtern elf Söhne, von denen Seid Suëni, Seid Madjid und „unser“ Seid Bargasch die bekanntesten sind. Nach Seid Said’s Tode zerfiel das Reich in eine arabische Hälfte unter Seid Suëni und in eine afrikanische unter Seid Madjid. – Erst nach dem Tode dieses letzteren, 1870, folgte ihm Seid Bargasch, der wegen eines gegen seinen Bruder angezettelten Aufstandes mehrere Jahre in der Verbannung leben mußte, größtentheils in Bombay, wo er die englische Sprache und europäische Sitten lernte. Das Exil war seine beste Schule; ihr verdankt er ein großes Maß seiner Bildung, die ihm und seiner Regierung zu Gute kommt. Er hob den Sclavenhandel auf.

Die Größe des Areals, der Bevölkerung seines Reiches ist auch nur mit Wahrscheinlichkeit noch nicht zu bestimmen.

Der Werth des Handels in Zanzibar beträgt an dreißig Millionen Reichsmark. Der Verkehr mit Europa und dem Caplande wird seit 1873 durch eine regelmäßige englische Dampferlinie vermittelt. Seid Bargasch hat auch ein Geschwader von Kriegsdampfern, welches jedoch in den letzten Jahren durch einen Orkan schwer geschädigt worden ist. Die Staatseinkünfte beliefen sich früher auf etwa anderthalb Millionen Reichsmark, von denen neun Zehntel die Handelszölle einbrachten. Gegenwärtig mag etwa ein Achtel der Einnahmen durch die Aufhebung des Sclavenhandels seit 1872 ausfallen, denn die Zahl der jährlich verzollten Sclaven betrug etwa zwanzigtausend, von denen pro Stück zwei Maria-Theresienthaler gezahlt wurden.

Dieser empfindliche Ausfall ist auch die wesentliche Ursache des Besuches Seid Bargasch’s in England. Er hofft durch persönliche Verhandlungen einen Ersatz für die Einbuße aus der Abschaffung des Sclavenhandels zu erlangen, und ohne Zweifel wird die englische Regierung loyal und gerecht genug sein, um die Maßregeln gegen den Sclavenhandel zu vervollständigen und zu schirmen.

Die Gesellschaft zur Abschaffung des Sclavenhandels hat auch bereits dem afrikanischen Herrscher eine Deputation in’s Haus geschickt, um ihm für seine treue Innehaltung der früheren Zusagen zu danken und die Klagen vorzutragen, daß Zanzibar doch noch immer der Rüstplatz zu Sclavenexpeditionen ist. Die Deputation bat um weitere Maßregeln zur vollständigen Ausrottung des Menschenhandels und um Oeffnung der Häfen und Flüsse für den legitimen Handel, welcher bald einen überreichen Ersatz für die beklagten Steuerausfälle bieten würde. – Seid Bargasch versicherte mit großer Zuvorkommenheit, daß er lebhaft wünsche, Englands Forderungen zu erfüllen. Aber der tief eingewurzelte Brauch des Sclavenhandels lasse sich nicht mit einem Schlage ausrotten; er werde indeß das Möglichste thun.

Noch lebhafter und schöner war der Ausdruck seiner Dankadresse an die geographische Gesellschaft, die ihn zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt hatte, und in deren Sitzung er von Sir Henry Rawlison feierlich begrüßt wurde. Seid Bargasch ließ seinerseits durch den Dolmetscher, Dr. Badger, eine Adresse verlesen, in welcher er seine große Freude aussprach, sich in die Gesellschaft eingeführt zu sehen, und ihr für die herzliche Begrüßung dankte. Er habe erstaunlich viel über das Wirken der Gesellschaft in allen Theilen der Erde vernommen, über Manches aber auch genauere Kunde erlangt durch seinen Freund John Kirk (den englischen Consul in Zanzibar), besonders über die Forschungsreisen, welche Burton, Speke, Grant, Livingstone, Manley und Cameron in ihrem Auftrage in Ost- und Centralafrika unternahmen. Durch sie habe die Welt zuverlässige Berichte über das Land der großen Seen erhalten, und sie hätten ihn selbst die Landstriche genauer kennen gelehrt, die zwar zu seinem Gebiete gerechnet worden, aber nur ungenügend bekannt gewesen seien. Diese Forschungen müßten sicherlich große Vortheile im Gefolge haben. Er selbst habe, so viel in seinen schwachen Kräften gestanden, dieselben gefördert, unter großen Schwierigkeiten, die man nicht immer genugsam in Betracht gezogen habe. Er werde dies auch ferner thun, besonders da er jetzt ein Mitglied der Gesellschaft sei und aufgemuntert durch das, was er hier in England sehe. Die Adresse abließt mit erneuten freundschaftlichen Versicherungen. Der Sultan unterzeichnete die arabische Abschrift derselben und bemerkte dabei, er hoffe, daß dies nicht das letzte Document sei, das er für die geographische Gesellschaft unterzeichne.

Zanzibar ist übrigens, wie es in v. Decken’s Reise heißt, für Reisende an der Ostküste Afrikas dasselbe und mehr, was Kairo und Chartum für den Nordosten sind. Hier kann man sich mit Allem versorgen was man braucht, und bleibt in Verbindung mit der Heimath.

Und welch’ ein Zufall! Während der Sultan von Zanzibar in London feierlichst verspricht, den Sclavenhandel mit allen Kräften zu unterdrücken, kommt die Nachricht, daß an der afrikanischen Küste ein Sclavenschiff unter französischer Flagge aufgebracht sei, das aber den französischen Behörden ausgeliefert werden mußte und von diesen freigegeben wurde, weil mit Frankreich ein Vertrag zur Unterdrückung der Sclaverei nicht existirt, – mit Frankreich, das mit prahlerischem „Elan“ sich brüstet, an der Spitze der Civilisation zu marschiren! –




Die Bettlerin mit dem Schleier.
Ein Bild aus der Residenz.


Während meines letzten Aufenthaltes in Berlin schlenderte ich an einem Spätherbstabende „Unter den Linden“ entlang und tauchte dann in den Menschen- und Lichtstrom, welcher die „Passage“ oder „Kaisergalerie“ durchfluthet, hinein. Unter dem Säulenportale an der Ecke der Friedrichs- und Behrenstraße blieb ich eine Weile stehen um, zurückblickend, mein Auge noch einmal an dem prächtigen Bilde zu laben. Ich stand in dem Schatten eines jener mächtigen Steinpfeiler, welche den Eingang zu dem prächtigen Kinde der mit Fug und Recht verpönten „Gründerzeit“ schmücken.

Da kam ein junger, hübscher und elegant gekleideter Herr aus der im Vergleiche zu der Lichtfülle, welche mein Auge

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_494.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)