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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und des deutschen Reichstags.

Diese acht Herren constituirten sich unter dem Vorsitze der Excellenz von Bonin als „Lindenbau-Verein“ und kauften sieben Grundstücke an, resp. genehmigten sie den Ankauf. Vier der Grundstücke wurden angekauft von Paul Munk, der sie erst kurz vorher erworben hatte. Die Häuser Behrenstraße 57 und 56 überließ Munk der Gesellschaft mit einem Aufgelde von je 150,000 Thalern, zusammen also – 300,000 Thalern, die Häuser unter den Linden 17 und 18 mit einem Aufgelde von 1,150,000 Thalern. Unter den Linden 17 und 18 sind gewissermaßen historische Häuser. Hier hatte Strousberg der Große seine Bureaux; hier wurde seine Zeitung, die „Post“, fabricirt. Munk, der zu Strousberg in vielfachen Beziehungen stand und ein Schüler und Jünger des „Culturhelden“ genannt werden darf, hatte die beiden Grundstücke von diesem während des Krieges für 600,000 Thaler erstanden und verkaufte sie jetzt dem „Lindenbau-Vereine“ für – 1,750,000 Thaler(!!), Munk erhielt also zusammen ein Aufgeld von – 1,450,000 Thalern(!!!). Aber selbstverständlich mußte er davon seinen Verbündeten abgeben. So cedirte er später von dem Kaufgelderreste: 85,000 Thaler an Banquier Meyer Cohn, 85,000 Thaler an Banquier Aron Hirsch Heymann, 85,000 Thaler an Kaufmann Hermann Reimann und 55,000 Thaler an Commerzienrath Hermann Egells – bis auf Letzteren, lauter alte Genossen von der „Passage“ her. Diese Cessionen deuten gewisse, ziemlich durchsichtige Coulissengeheimnisse an, und ganz klar ist, daß die Gründung, so zu sagen, in der Familie vor sich ging. Meyer Cohn nämlich ist der Compagnon und Schwager von Emil Heymann. Aron Hirsch Heymann ist der Vater von Emil Heymann. Gustav Markwald ist der Schwiegervater des gleich zu erwähnenden genialen Directors Schweder. Hermann Reimann ist, wie wir hören, ein Verwandter von Consul Schillow etc.

Die Actien im Betrage von 2,400,000 Thalern, wurden ohne Prospect, durch die „Preußische Boden-Credit-Actienbank“ an der Börse „eingeführt“ und durch die geschickten Hände der Herren Richard Schweder und Wilhelm Paradies glücklich abgesetzt. Von den Vorgängen zwischen Munk und Genossen, von der kolossalen Gründerbeute hatte Niemand eine Ahnung, weder im Publicum noch an der Börse. Selbst Börsenleute, selbst gewiegte Makler und Banquiers hielten das Papier für gut und nahmen es in Posten (großen Summen) auf. Schweder kannte kein Erbarmen; er „betheiligte“ mit den Actien Juden wie Christen, die besten Freunde und die eigenen Verwandten. Wir haben selber einen Oheim über ihn jammern hören. – Für den Vertrieb der Actien berechnete die Preußische Boden-Credit-Actienbank sich die Kleinigkeit von 400,000 Thalern.

In den Zeitungen ließen die Gründer verbreiten, wie sehr das Project „an Allerhöchster Stelle interessire“, wie erbaut davon die Staats- und städtischen Behörden seien, während sich hinterher herausstellte, daß die Behörde sich gegen den Durchbruch, als eine unnütze und unschöne Unterbrechung der Linden, erklärt hatten. Fortwährend wurde auf den Einfluß des Herrn von Bonin „bei Hofe“ hingewiesen, einen Einfluß der nicht im Mindesten bestand. Nur bei dem Kronprinzen fand Herr von Bonin zuweilen Zutritt. Nach dem Kronprinzen wurde die neue „Prachtstraße“, die nie gebaut werden sollte, sondern nur auf den zahlreichen eleganten Zeichnungen des Hofbauraths Klingenberg existirt, bereits Friedrich Wilhelm-Straße genannt, und unter diesem Namen auch die Actien dem Publicum empfohlen. Die „National-Zeitung“ und die „Börsen-Zeitung“ meldeten im redactionellen Theile übereinstimmend: Der Bauverein „Unter den Linden“ hat mehrere Parcellen sehr vortheilhaft verkauft. Für ein Eckgrundstück sind 9000 Thaler pro Quadratruthe bezahlt worden. – Dieser Preis würde nur den Selbstkosten entsprochen haben, aber tatsächlich ist nie ein Fuß breit verkauft worden.

Die öffentliche Straße wurde nicht genehmigt, und der Aufsichtsrath beschloß, eine Privatstraße zu bauen. Aber da kam der Krach, und man ließ die Häuser stehen. Die zum 1. April 1873 sämmtlich gekündigten Geschäfts- und Wohnungsräume blieben zum Theil lange leer und sind erst im letzten Jahre wieder vollständig vermiethet worden, natürlich zu sehr herabgesetzten Preisen. Die Strousberg’schen Häuser Unter den Linden 17 und 18, welche den Actionären 1¾ Millionen Thaler(!!) kosten, sind eigentlich blos Baustellen, alte Ruinen, die im Sommer 1873 einzustürzen drohten und im Keller gestützt werden mußten. Die sieben Grundstücke stehen mit 3,462,000 Thalern(!!!) zu Buch; die Actien notiren etwa 15.

„Lindenbauverein“ war eine so mörderische Gründung, daß sie selbst den Unwillen professioneller Gründer erregte, die Börse empörte und einen Theil der Presse in Bewegung setzte. Verschiedene Localblätter geißelten Herrn Munk und Genossen und forderten sie auf, doch wenigstens einen Theil der Beute herauszugeben. Auf Antrag einer Anzahl von Actionären schritt auch die Staatsanwaltschaft ein, und die Voruntersuchung schwebte acht Monate, hatte aber nicht das geringste Resultat.

„Centralstraße“, „Passage“, „Lindenbauverein“ – um heute nur diese zu nennen: so wurde Berlin Weltstadt. Allerdings dienen Centralstraße und Passage zur Verschönerung der Stadt, aber sind sie es wohl werth, daß darum Tausende ausgeplündert, um ihr Vermögen, ihre Sparpfennige beraubt und theilweise an den Bettelstab gebracht werden mußten? – Nein und hundertmal nein! Zum Teufel mit solchen Verschönerungen!! Centralstraße wie Passage haben eine Unzahl neue Läden geschaffen, an denen Berlin ohnedies Ueberfluß hat. In Berlin herrscht ein bedenklicher Schachergeist; jeder zehnte Mensch, gleichviel ob Mann oder Weib, ist hier Händler; in jedem Hause, selbst in den äußersten Vorstädten, giebt es einen oder mehrere Läden. Weitaus die Mehrzahl dieser Ladeninhaber, meistens Kleinhändler, arbeitet nur für die Miethe, vertheuert nur die Privatwohnungen; gut die Hälfte dieser Läden könnte ohne Schaden geschlossen werden, ja es wäre für die Bevölkerung ein Segen.





Glockengeläute im Walde.

Es war das erste Mal, daß ich die hohen Urwälder Brasiliens betrat. Nach einem mühsamen Marsche über steile abgebrochene, durch das dicke Gebüsch sich schlängelnde Wege, gelangte ich ermattet an das Ufer eines auf silberhellem Kies dahinrauschenden, krystallklaren Baches, geschmückt mit Baumfarren, Caladien, Zwergpalmen, Orchideen und andern eleganten tropischen Gewächsen, worunter einige ihre brillanten Blumen entfalteten. Ueber mir erhoben sich die riesigen Bäume des Urwaldes, mit zahlreichen Schlingpflanzen umwunden, deren glänzende Blüthen sich zuweilen mit der Krone der Bäume vereinigten und achtzig bis hundert Fuß über mir eine den Sonnenstrahlen undurchdringliche Laube bildeten. Der große prachtvolle Schmetterling, der Morpho, mit seinen ultramarinblauen Flügeln, schwebte ruhig zwischen dem Laube auf und nieder; mehrere brillante Colibris mit den lebhaftesten Farben flatterten summend um die mit zahlreichen Blumen geschmückten Orchideen. Dort saß ich stillschweigend, voll Bewunderung über das üppige tropische Bild, welches sich vor mir entfaltete. Kein Laut irgend eines der Bewohner dieser Wildniß störte die Todtenstille, die um mich herrschte, als plötzlich die Ruhe des Waldes durch einen hellen metallischen Klang unterbrochen wurde; ein zweiter Klang, ähnlich dem Schalle, der von einem Hammer, auf einen Ambos geschlagen, hervorgebracht wird, folgte bald diesem, und nun wiederholten sich diese sonderbaren Töne so rasch aufeinander, daß sie mit dem Geläute einer Dorfkirche verwechselt werden konnten, schienen aber alsdann aus einer weiteren Entfernung herzutönen. Nicht lange dauerte mein Erstaunen, denn ich erkannte alsbald in dem sonderbaren Waldsänger den vom Prinzen von Wied in seinen Reisebeschreibungen erwähnten Glockenschläger oder Araponga der Brasilianer.

Ich sprang von dem Felsensteine, auf dem ich ruhte, auf, packte meine Flinte und stürzte, so schnell es mir der mit unzähligen Schlingpflanzen verwachsene Wald erlaubte, der Richtung des Schalles zu; allein gleich den morganischen Gewässern

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_527.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)