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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


frischgrünen Wiesengrund der Villen Borghese und Doria-Panfili wie mit einem blauen Schleier überzogen hatten, auch die Mandelbäume, die Pfirsichbäume haben ihre reizenden, zartfarbigen Blüthen schon verloren, aber der dunkle Lorbeer blüht jetzt voll und frisch; der Frühling ist nun wahrhaftig gekommen. Auf den breiten Wipfeln der Pinien und um die schlanken Stämme der Cedern, der Cypressen und um die ragenden Schäfte der Palmen spielt der warme, lebenweckende, lebenerhaltende Strahl der Sonne, die uns diesmal im Winter so oft untreu geworden war.

Der Frühling ist gekommen, die schönen Frauen Roms streifen die schweren Pelze ab, wie die Schmetterlinge ihre Hüllen, und in duftiger, buntfarbiger Seide rauschen sie an dem bewundernden Blicke vorüber, schöner, strahlender, imponirender denn je. Der Monte Pincio, der Corso sind auch jetzt der Mittelpunkt der römischen Welt, und jetzt in der That zeigen die Corsofahrten ein Bild, wie es mannigfaltiger und farbenprächtiger nicht gedacht werden kann. Ich muß gestehen, daß mir manchmal zu Muthe war, als habe nur ein neuer, ein anderer Carneval begonnen, und bei Gott, dieser gefiel mir noch besser, als sein Vorgänger.

Jetzt zeigt auch die römische Aristokratie ihren ganzen Reichthum; die feurigen Pferde vor ihren Carossen sind kostbar und von reinster Race. Ein Principe scheint den andern überbieten zu wollen, und indem man die Schönheit des vorübersausenden Gespannes, die Pracht des Geschirres, den Glanz der Livreen bewundert, versäumt man oft, sein Auge auf den Inhalt des Wagens zu richten, der noch kostbarer und schöner ist. Ich werde mich hüten, hier eine Beschreibung der Toiletten, der von verschwenderischer Pracht zeugenden Seidengewänder zu unternehmen, welche diese dunkeläugigen römischen Frauen in ihren Equipagen wie eine helle, leuchtende Wolke umgeben. Wie wäre es möglich, die Zusammenstellung aller jener lauten und auffallenden Farben zu schildern, welche der Geschmack des heutigen Tages ist, und die hier, wo der Zusammenfluß so vieler Fremden ohnedies leicht genug Extreme erzeugt, in der That bis zum Aeußersten geführt ist. Aber der breitkrämpige Rubens-Hut mit der wallenden Feder kleidet den Kopf der Römerin ganz vortrefflich und erhöht noch das vornehme Auftreten, das sie in der Öffentlichkeit so gern zeigt.

Vierspänner, Zweispänner, Einspänner drängen und treiben sich; ihre Insassen gehören nicht allein Rom, sie gehören allen Nationen der Erde an. Dort die Dame mit den mandelförmigen braunen Augen und den goldblonden Locken, anmuthvoll in den weichen Polstern ihres Wagens ruhend, den wollhaarigen Mohren auf dem Bock, stammt von einer der meerumrauschten Inseln Griechenlands. Sie ist berühmt wegen ihrer Schönheit, berühmt wegen ihrer Toiletten. Wenn sie manchmal den Wiesengrund der Villa Doria-Panfili der Gnade würdigt, ihn mit ihren lächerlich kleinen Füßen zu treten, so wird man bald erkennen, daß keine zweite Frau in Rom das Gewand so eng gespannt um den schlanken Körper trägt, wie sie, daß keine die ungeheuere Schleppe mit solchem Anstand zu führen weiß, wie sie, daß keine Frau auf höheren Absätzen an den coquetten Stiefelchen durch die Welt schreitet und daß kein Rubenshut in ganz Rom breitere Ränder aufzuweisen hat, wie der ihre. Aber auch keiner zweiten Frau sitzt er so keck, so herausfordernd auf der Seite, daß die rothe Feder mitsammt den blonden Locken weit hinab in den Nacken wallt. Im Wagen ist ihr unzertrennlicher Begleiter ein weißer Hund von colossaler Größe, der breit auf dem Rücksitz Platz genommen hat und sich von hier aus gravitätisch das Leben in Rom betrachtet. – Dort die junge Dame in der excentrischen Toilette mit dem bronzefarbenen Teint und den aufgeworfenen Lippen, die sich in ihrer Equipage mit solcher übertrieben vornehmer Nonchalance zurückgelehnt hat, daß ihre schmalen, ins feinste Handschuhleder gepreßten Füßchen fast beim Kutscher auf dem Bock zu liegen kommen, ist unter der heißen Sonne der Havanna geboren; die andere im nächsten Wagen kennzeichnet der weiße Schleier schon, der das ganze Gesicht mit Ausnahme der Augen undurchdringlich verhüllt, als Muhamedanerin, und so mag man leicht genug alle Nationen der Welt sich hier begegnen sehen, von dem überall unvermeidlichen Engländer, dem Franzosen und Deutschen ganz abgesehen.

Letzterer hält sich in der ihm angebornen großen Bescheidenheit meist zu Fuß auf dem Trottoir, wo er indessen von nicht minderer Mannigfaltigkeit des Lebens und der Erscheinungen in ihm umfluthet ist, als drüben auf der Fahrstraße. Durch das Gedränge, welches Elegants, Künstler, Officiere, Kleinkrämer aller Art bilden, kommt hier ein armenischer Geistlicher geschritten im schwarzen Gewand, mit breitem, lang niederwallendem weißem Bart und auf dem charakteristischen Kopf einen merkwürdigen Hut von schwarzer und rother Farbe, der die breitkrämpige Kopfbedeckung des katholischen Geistlichen und den Turban des Muhamedaners in sinniger Weise vereinigen zu wollen scheint. Dort schlüpfen zwei Trinitarier gewandt durch die Equipagenreihe, auf ihren weißen Gewändern das blaue und rothe Kreuz, und hier wandeln bedächtig zwei Kapuziner durch die Menge, das Haupt geneigt und die härene Kapuze bis zu den Sandalen reichend. Dazwischen drängt sich denn auch das Frauenvolk munter und lustig, Allen voran die robuste, breitnackige Amme in ihrer pompösen, grellfarbigen Tracht, die rothgefältelte Krause hinten um den schwarzen Zopf und die blitzende Silbernadel, deren eines Ende meist in einen Büschel immer schwankender, kunstvoll gearbeiteter Kornähren ausläuft, quer durch das Haar.

Ich wiederhole: bei all diesem schillernden, wie die Woge des Meeres immer beweglichen Treiben, das unaufhörlich neue Bilder, neue Erscheinungen zu Tage fördert, empfängt man leicht genug den Eindruck, als sei man nur von einem neuen, von einem zweiten Carneval umrauscht. Und dabei habe ich noch nicht einmal der zu jener Zeit noch in voller Blüthe stehenden römischen Salons gedacht, in denen so mancher zweifelhafte Geselle, der mit seiner Heimath aus irgend einem Grunde grollend gebrochen hat, oft unter dem Schutze eines vornehmen Namens oder gut klingenden Titels noch eine Rolle zu spielen vermag, in denen so manche abenteuerlustige Frau, der das Leben daheim schon längst zu philisterhaft geworden ist, nun das wallende Banner der Emancipation schwingt, und in denen so manche reifere Jungfrau, die jenseits der Alpen viele lange Jahre hindurch ihren Ruhm darin sah, zu den Prüdesten gezählt zu werden, jetzt mit einem an Verrücktheit streifenden Enthusiasmus die Herrlichkeit der antiken Plastik preisend verkündigt.

Ja, das ist der wahre, echte Carneval des Lebens, mit allen Glanzseiten und Gebrechen seines Namensbruders, der nur im Februar die Köpfe und Herzen der Menschen verwirren darf, mit all seiner berauschenden Farbenpracht, mit all seiner bestrickenden Leichtfertigkeit, mit all seinen bunten Maskeraden, seinen Thorheiten und seinen Täuschungen. Wessen Auge vermöchte sofort zu entscheiden, wer in diesem Gewühle Mitspieler sei, wer blos Zuschauer? Am Ende spielen wir Alle mit, Alle ohne Ausnahme, bewußt oder nicht, und am besten ist wohl der daran, der durch das Gedränge dieses Carnevals mit der Schellenkappe des Humors schreitet, ihre Silberglöcklein lächelnd anschlägt, wo ihm eine jener glänzenden und verführerischen Erscheinungen mit gefährlicher Lockung vorüber gleitet, und der um so kräftiger mit ihnen Sturm läutet, wenn ihm Heuchelei oder Thorheit allzu derb auf die empfindlichen Zehen treten wollen.




Aus dem Bereiche des Postwesens.
II. Die Organisation der Postanstalten.

„Die Post aus England ist ausgeblieben.“ – Mit diesen inhaltsschweren Worten stört der erste Buchhalter der ehrenwerthen Firma van Sweert das reizende Stillleben des Principals, der, von sonniger Veranda auf den Mastenwald an den Boompjes von Rotterdam hinabschauend, in Gesellschaft des „Handelsbladed“ behaglich den Morgenkaffee schlürft. Mynheer, der soeben eine vielversprechende Aussicht auf steigende Kaffeepreise im Geiste erwogen hat, stellt erzürnt den kleinen japanischen Porcellannapf mit Ansichten von Yeddo und Toiko zur Seite: „– ist es möglich? keine Nachricht von Mr. Hope und Mr. Baring! kein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_573.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)