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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


dem ganzen Raubbau der trinkgeldfordernden Kellner, Hausknechke, Portiers, Kutscher etc. – keine Spur dazumal. Das verhinderten schon die ausdrücklichen Erlasse der Landesherren über die „Herbergen, Gasthöfe und Garküchen“, deren uns aus dem siebenzehnten Jahrhunderte eine ganze Anzahl vorliegen. Statt aller weiteren Bemerkungen über diese für jeden Reisenden aller Zeiten so brennende Gasthausfrage mögen die kursächsischen Bestimmungen von 1623 hier ihre Stelle finden.

„In Wirthshäusern und Gasthöfen soll von denen von Adel und anderen vornehmen Leuten für eine Mahlzeit von 4 oder 5 guten Essen, nebst Butter und Käse und einheimischem Bier, so lange das Tischtuch liegt, 4 bis 6 Groschen bezahlt werden. Was außer dem Bier getrunken wird, soll besonders bezahlt werden.

Das Gesinde, Kärrner und Fuhrleute zahlen nur 3 bis 4 Groschen. Und sollen die Wirthe dem Gesinde unter der Mahlzeit ohne Vorbewusst ihres Herrn von Getränk nichts verabfolgen, bei Verlust der Bezahlung.

Wenn sich der Gast mit mehrern Gerichten, Confect und Anderem besser tractiren lassen will, so hat er sich mit dem Wirth besonders zu vergleichen. Ebenso wegen der Stube, wegen Holz und Licht. Und soll der Wirth dem Gast die Sachen jedesmal specificiren ‚und nit überhaupt rechnen‘.“

Auch was der Wirth für „Hafer und Rauchfutter“ anrechnen darf, ist genau bestimmt, und jedem Reisenden erlaubt, in den Wirthshäusern die Fütterung seiner Pferde selbst zu übernehmen. Was die „Garküchen“ betrifft, so sollen sie „für die durchreisenden Fußgänger jederzeit etwas in Vorrath haben und denselben auf Begehren folgen lassen:

     eine Suppe mit ½ Pfund Rindfleisch pro 1 Gr.
     eine Bratwurst ½ Elle lang um 1 Gr. etc.“

Und nun die Gedanken Zeiller’s. Ich theile sie in einer Auswahl mit, ohne viel Zuthaten. Es hat seinen eigenen Reiz, die Vergangenheit durch sich selber reden zu lassen.

In einem ersten Abschnitte handelt Zeiller von den Vorbereitungen zur Reise.

Wer reisen will, lesen wir da, muß „eines guten, starken Leibes, auch nicht zu alt, noch zu jung sein“, wenn anders er alle Strapazen aushalten und von der Reise den gehörigen Nutzen haben will. Er erhole sich zuvor guten Raths bei Anverwandten und verständigen und gelehrten Leuten, besonders aber bei denen, welche die gleiche Reise schon früher gemacht haben. Auch suche er sich aus Reisebüchern und anderen Schriften zu unterrichten, lese fleißig die Geschichte des Volks, zu dem er sich begeben will, und studire die Landkarte! Ferner übe er sich durch tägliche Spaziergänge in die Nachbarschaft, damit er, wenn er aus Armuth oder Mangel an Reit- oder Fahrgelegenheit zu Fuß wandern muß, „nicht auf dem Wege erliege, oder Blasen an den Füßen bekomme“. Auch ist es gut zuvor das Schwimmen und etwas Kochen zu lernen. (Wenigstens „etliche geringe Speisen anzufertigen, als eine Suppe zu machen, Eier, Fisch, Fleisch zu sieden, auf daß, wenn er in eine schlechte Herberge kommt und des Kochens unerfahrene Leute antrifft, er sich durch übel zugerichtete Speisen nicht eine Krankheit an den Hals esse, sondern selbst zur Küche sehen möge“.) Und nützlich ist es, wenn er „was Wissenschaft vom Regiment und Zustand seines Vaterlandes und den vortrefflichsten Leuten in demselben hat“, damit er in der Fremde die darauf bezüglichen Fragen beantworten kann. Zu dem Ende empfiehlt es sich, sich ein „geschmeidiges Standbüchlein“ (Stammbuch) anzulegen, in das man die auch in der Fremde bekannten Landsleute sich einschreiben läßt. Das weist man dann in der Fremde bei seinen Besuchen vor. Man hat deshalb darauf zu sehen, daß nicht ärgerliche und widerliche Sachen in das Stammbuch geschrieben oder gemalt werden.

Von Gepäck („Fahrniß“ heißt es dazumal) nehme man, in einem „wohl verschlossenen Reistrühlein, Rantzen, Felleisen oder Vellis“ (vellis) nur das Nöthigste mit, denn die Menge des Gepäcks ist einem hinderlich und lockt nur die Räuber an. Nun aber höre man und staune, was als derartiges Unentbehrlichstes gilt: Von Büchern nur ein Gebet- und Gesangbuch, das erwähnte Standbüchlein, ein Schreibtäflein, ein Reise- und kleines Tagebüchlein (für die täglichen Aufzeichnungen), einen Kalender und etwa „ein historisches lustiges, oder anderes zu seinem Vorhaben nützliches Tractätlein“. Ferner: Etliche Bogen weißes Papier, ein paar Federn, Tintenfaß und Streusand, ein kleines Feuerzeug, Nadel, Faden, „Klöblein und Schlößlein, etwa an einer übelverwahrten Thür eines Zimmers anzumachen“.

Die Kleider, die man mitnimmt, sollen weder zu stattlich sein, damit man nicht durch sie in Gefahr komme, noch gar zu schlecht, damit einem nicht vornehmer Leute Haus und Gespräch verschlossen bleibe. Es empfiehlt sich, sie nach der Mode des Landes, in das man reist, anfertigen zu lassen. Sehr nützlich ist ein „Regenmantel“ und ein breiter Hut; gegen die Kälte auch „neue Kappen, Nasenfutter und Ueberstrümpfe mit Knöpfen“ (Gamaschen). Sonst nehme man mit: drei oder vier „saubere Leib- oder Unterhemden“, ebenso viele „Ueberschläg oder Krägen“, ein „Oberhemd“, etliche „Schnäutz- und Handtüchlein“, auch zwei „Haupttücher“, etliche Paar Ober- und Unterstrümpfe, Socken, Schlafhosen, Schlafhauben, Handschuhe, ein übriges Paar Schuhe und ein Paar Pantoffeln. Die Schuhe muß man etliche Tage vor der Abreise tragen, auch ihnen, damit man sanfter gehe, zartes Tuch oder Filz unterlegen. Beyfuß in den Schuhen getragen, soll vorzügliche Dienste gegen die Müdigkeit thun.

Wer zu Wagen oder zu Schiff reist, thut wohl, einen Bettsack und einen Schlafpelz mitzunehmen. Kein Reisender soll ohne Waffen sein, Keiner, der zu Fuß reist, ohne einen guten Stecken wider die Hunde und zum Bergsteigen und Grabenüberspringen. Aber einen Hund mitzunehmen, ist nicht rathsam. Von sonstigen Sachen nehme man mit: „ein Perspectiv oder Fernglas, item Augenbrillen wider den Staub, einen Spiegel, Kreide, Räucher- und Wachskerze oder -Stöcklein, ein Petschaft (so aber wohl zu verwahren), ein Messer sammt einem Gäbelein, einen Kamm oder Strehl, einen Eßlöffel, Ohrlöfflein, Zahnstörer, Compaß, Sonnenweiser, Zeig- (aber kein Schlag-) und Sandührlein, so in Möß (Messing) eingefaßt, auch einen Quadranten etc. Item etwas von Gewürz, eingemachte Sachen, Oel, Hirschenunschlitt, Wachs, gemeinen Zucker, Rosenzucker, Pillen und etliche andere Arzneien wider das Schweißen aus der Nasen, Durchfluß und Stopfung des Leibes, Harnwinden, den Sod, den Wolf vom Reiten, Blasen an den Füßen, Erbrechung auf dem Meere, die Pest, Gift, böse Lüfte, Kopfweh, Bräune, Schlangen und Skorpionen und wüthenden Hundsbiß, die Läuse, Schrunden an den Lefzen und andere Umstände mehr.“ Das alles führt man am besten in einer kleinen „Feldapotheke“ bei sich.

Wer zu Wagen oder zu Schiff reist, verproviantire sich mit etwas an Speise und Trank, „als gebratenes Fleisch, Schinken, Brod, Käse, Butter, Knoblauch und etwas weniges gebrannten Wein“. Denn man findet nicht aller Orten etwas zu essen und trinken; auch kommt man manchmal des Tages viel weiter, wenn man nirgends „abstehet“ (absteigt), sondern seine „kalte Küche“ bei sich hat. Wohlhabende nehmen wohl ihre „Hof- und Lehrmeister“, auch einen oder zwei Diener mit. Aber sind die Diener nicht treu, wachsam, nüchtern, verschwiegen und unverdrossen, so läßt man sie lieber zu Haus. Denn sie kosten unterwegs fast so viel als der Herr. Man findet übrigens häufig, zumal in den „Kosthäusern“, Leute, die Einem die nöthigen Dienste verrichten. Ohnedem darf man sich in der Fremde nicht schämen, selber Hände und Füße zu brauchen: seine Kleider zu reinigen, die nöthigen Einkäufe zu machen. Man lernt so desto eher die Sprache und sich in die Leute schicken. Anders ist’s mit den Hof- und Lehrmeistern. Die sind für junge, vornehme Personen unentbehrlich. Namentlich in Kriegszeiten ist auch ein „Paßport“, Geleitsbrief und bisweilen sogar persönliche Begleitung (Geleite) von nöthen; in Sterbensläuften ein beglaubigtes Zeugniß, daß man von gesunden Orten herkommt.

Wenn nun Alles so weit wohl bestellt ist, so bleibt nur noch übrig, auf den „Zehrpfennig“ bedacht zu sein. Die Hauptsumme muß womöglich in Gold bestehen, und zwar in solchen Sorten, wie sie in dem Lande, wohin die Reise geht, gäng und gäbe sind; von kleinem Gelde soll man nur etwa den täglichen Bedarf bei sich haben. Man verwahre das große Geld sorgfältig „in dem Vellis oder Trühelein, im Beutel, Büchlein, Wachs, Stück Brodts, ausgehöhltem Stecken, in den Schuhen, Hosen, Wamms oder sonst, auch wohl an unsauberen Orten“.

Vor Allem aber soll man sich, bevor man abreist, mit Gott versöhnen, und den himmlischen Zehrpfennig (also das Abendmahl) zu sich nehmen, seine Schulden bezahlen, wenn man mündig ist, sein Testament machen und sonst all seine Sachen wohl bestellen, „weil man wohl ausreiset, aber nicht wieder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_589.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)