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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


von siebentausendfünfhundert Dollars an, um damit „die Kosten einer Vermessung, Kartirung und Planentwerfung zu decken über das Aufdämmen von Seen und die Anlage von Wasserbehältern am Ursprunge (headwaters) des Hudsonflusses“.

Als näherer Zweck der Geldbewilligung war bestimmt, zu ermitteln: in welcher Ausdehnung und mit welchem wahrscheinlichen Kostenaufwande es möglich sein würde, die ungeheure Ansammlung atmosphärischen Niederschlages auf der Adirondak-Hochebene während der sechs Wintermonate aufzuspeichern und später für die Zwecke des Staates nach Bedürfniß nutzbar zu machen. Man nahm an, daß die aus der nördlichen Wildniß des Staates im Frühjahr in den Hudson strömende Wassermasse in ihrem alljährlichen Zerstörungswerke zurückgehalten und in gewissem Grade controlirt werden könnte und daß die Nachhülfe aus dem aufgestauten Wintervorrathe die Nachtheile der häufigen trockenen Sommer, wenn nicht ganz beseitigen, doch erheblich mildern könne.

Eine der Hauptfragen, womit sich das bestellte Ingenieurcorps zunächst beschäftigte, war die: in welcher Ausdehnung die Schifffahrt auf dem Hudsonflusse, dieser unvergleichlichen Lebensader nicht nur des Staates New-York, sondern durch seine Canalverbindungen auch der ganzen Vereinigten Staaten, in den Perioden niedrigen Wasserstandes durch ein System von künstlichen Wasserbehältern gehoben werden könne. Es war den Ingenieuren zu dem Zwecke aufgetragen worden, annähernd zu ermitteln:

1) die Masse des alljährlich in den den Hudson- und Raquettefluß (dieser entspringt auch auf der Adirondak-Hochebene, nimmt aber seinen Lauf, dem des Hudson entgegengesetzt, nördlich nach dem St. Laurenzflusse) speisenden Bassins sich ansammelnden überschüssigen Wassers;

2) in welcher Ausdehnung und mit welchen Kosten diese Wassermasse zurückgehalten, durch Aufbewahrung in großen Reservoirs zu nützlichen Zwecken verwandt und den gegenwärtigen wie künftigen Anforderungen der Industrie der Bevölkerung dienstbar gemacht werden könne;

3) in welchem Grade man auf jene in den Behältern zurückgehaltene Wassermasse, einmal zur Speisung der Canäle und, was wichtiger, aber auch schwieriger, zur Erhöhung des Wasserstandes im Hudsonflusse während trockener Sommer- und Herbstmonate rechnen könne.

Um die Großartigkeit der Aufgabe bloß in letzterer Beziehung meinen Lesern zum Verständnisse zu bringen, genügt es, zu bemerken, daß der Hudson von Albany bis zu seiner Mündung (so ziemlich dieselbe Distanz wie von Bonn bis zur Nordsee) die fünffache Wassermasse und Breite des Rheines hat.

Es wurde festgestellt durch Beobachtungen des Regenfalles im ganzen Staate New-York, von 1850 bis 1863 auf dreißig Stationen vorgenommen, daß derselbe im Durchschnitte für die genannte Periode 41,941 Zoll englisch betrage, wovon etwas über 22 Zoll auf die sechs Sommermonate (Juni bis November), der Rest auf die übrigen Monate des Jahres komme, daß dagegen auf dem Adirondak-Plateau, welches durchschnittlich eine absolute Höhe von 2000 Fuß über dem Meeresspiegel besitzt, der atmosphärische Niederschlag über 64 Zoll betrage.

Diesem Niederschlage gegenüber wurden zunächst als Veranlassungen zu Verlust in Betracht gezogen:

1) die Verdunstung, auf Grund von Beobachtungen aufgenommen an zwei Orten der Vereinigten Staaten und an einem in England;

2) Filtration und Absorption;

3) Lecken durch mechanische Einrichtungen, und

4) Wasserbenutzung zur Unterhaltung organischen Lebens.

Der Gesammtverlust aus diesen vier Ursachen wurde auf 19 Zoll festgestellt, sodaß von dem Niederschlage von 64 Zoll 45 Zoll zur Verwendung übrig blieben. Um jedoch ganz sicher zu gehen, wurde als Grundlage späterer Berechnungen der atmosphärische Niederschlug auf 58 Zoll verringert und das Verlustquantum auf 25 Zoll erhöht, sodaß 33 Zoll Wasser zur Verwendung blieben. Die sogleich näher zu beschreibenden Behälter sind darauf berechnet, daß sie bei einem Niederschlage von 40 Zoll wohlgefüllt bleiben und ihr Vorrath gesichert ist.

Es werden als Reservoire zwölf kleinere Seen und ein Reservoir ohne See vorgeschlagen, an deren Ausflußstellen Dammbauten errichtet werden sollen, welche das Wasser aufstauen.

Es stellt sich als großes Ganzes das folgende Resultat heraus:

1) Oberfläche, deren Ablauf in die Reservoirs fließt, einschließlich der Seen und Reservoirs circa 400,000 Acker.

2) Durchschnittliche Tiefe 10 Fuß.

3) Fassungsvermögen aller Reservoirs, einschließlich der Seen, über 18,140 Millionen Kubikfuß Wasser.

4) Abflußmasse pro Minute für 100 Tage: 125,973 Kubikfuß Wasser.

5) Jährlicher Abfluß über 58,258 Millionen Kubikfuß.

6) Kostenanschlag 426,572 Dollars.

Nachdem die Ingenieure noch angedeutet haben, woher, im äußersten Nothfalle, noch weitere bedeutende Wassermassen zu beziehen wären, wenden sie zunächst die obige Verlustscala auf ihr gefundenes Wasserquantum an und gehen dann zur Prüfung der Gefahren über, welche einestheils aus einem Durchbruche der Dämme, und anderntheils für die Gesundheit der die Reservoirs umwohnenden höchst unbedeutenden Bevölkerung entstehen möchten, welche sie geneigt sind sehr gering anzuschlagen, namentlich wenn gewisse von ihnen empfohlene Vorsichtsmaßregeln gesetzlich angeordnet würden. Diesen möglichen Nachtheilen gegenüber entwickeln sie ausführlich die sicheren Vortheile, welche die Ausführung des Projectes gewähren wird, und weisen zuerst hin auf die wesentliche Verbesserung der Schifffahrt und des Flößens in der Wildniß, worin die Seen gelegen sind, zu welchem Zwecke in den Dämmen Vorrichtungen getroffen werden sollen, ähnlich den Canalschleußen.

Demnächst heben sie hervor, welch ungeheure Wasserkräfte durch Ausführung des Projectes geschaffen würden. Sie berühren hier die in allen mit Canälen versehenen Ländern so kitzelige Frage: ob das Ueberflußwasser derselben unter gewissen Beschränkungen und innerhalb sicherer Regeln zur Anlegung von Mühlen, Fabriken und dergleichen abgegeben werden soll und kann, und kommen zu dem Resultate, daß bei der großen Wassermasse und unter Zugrundelegung der nothwendigen Fallhöhe hundertsechsundneunzig Mühlenkräfte füglich abgelassen werden könnten.

Der nächste Vortheil, welcher aufgezählt wird, ist die Verminderung der Beschädigungen, welche die Frühlingswässer alljährlich herbeiführen, und es wird die wohl nicht unbegründete Ansicht ausgesprochen, daß der Betrag der jährlich hierdurch geretteten Summe die Gesammtauslagen aller Reservoire übersteige. Die Grenze, bis zu welcher den Ueberfluthungen vorgebeugt werden könne, genau zu bestimmen, sei mit den bis jetzt vorliegenden Daten zwar unmöglich, allein bis zu welchem Grade es doch ausführbar sein würde, möge annähernd aus der Thatsache entnommen werden, daß allein am oberen Raquette-Flusse über 14,000 Millionen Kubikfuß Wasser oder 503,000 per Minute Abfluß für 20 Tage und eine Entwässerungsoberfläche von 646 englischen Quadratmeilen unschädlich gemacht werde.

Zuletzt wird die Frage, die wichtigste, untersucht und beantwortet: ob aus den vorgeschlagenen Wasserhaltungen es möglich sein würde, dem Hudsonflusse bei Troy (etwa correspondirend am Rheine der Lage von Coblenz) während der trockenen Jahreszeit und für eine längere Periode einen die Schifffahrt sichernden Wasserzufluß zuzuführen? An der Hand von Professor Weisbach’s Formel und auf Grund längerer und genauer Beobachtungen wird die Wassermasse des Hudson bei Troy auf circa 240,000 Kubikfuß Wasser pro Minute festgestellt. Es werden dann die folgenden Resultate gezogen:

1) Die sämmtlichen in Vorschlag gebrachten Wasserhaltungen werden jede Minute während 100 Tagen einen Wasserabfluß von 125,973 Kubikfuß Wasser gewähren.

2) Die Gesammtausgabe zur Herstellung jener Wasserhaltungen wird etwa 427,000 Dollars betragen.

3) Die sämmtlichen Wasserhaltungen werden durch einen atmosphärischen Niederschlag von blos 40 Zoll, welches weniger als der Durchschnittsniederschlag des ganzen Staates New-York ist – gefüllt.

4) Die durch die Wasserhaltungen gesicherte Wassermasse ist ungefähr das Zweiundeinhalbfache des Quantums, welches erforderlich ist, um dem Hudsonflusse bei Troy einen Wasserstand

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_720.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)