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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Gestalt untersetzter. Das Nasenbein erscheint kaum merklich nach unten gebogen und endigt in der äußeren Bildung einer bedeutsamen Nase, dem Organe des feinsten Witterungsvermögens. Die breite Brust mit den tiefen Höhlungen an beiden Seiten des vorsehenden Brustbeines, die gute Wölbung der Rippen, die geraden, muskelkräftigen Läufe mit den starken Sprunggelenken, den geschlossenen Zehen und heraustretenden Hinterschenkeln, der stramme, gerade Rücken, die eingezogenen Weichen nebst den runden, breiten Hüften bekunden ebenso sehr große Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit, wie die lange, etwas tiefangesetzte Ruthe ein Zeichen echter Race ist. Hirschmann ist der schwarzen Race mit gleicher fuchsfarbenen Zeichnung, sowie der ganz fuchsfarbenen oder gelben sehr verbrüdert, auch zählt er glatthaarige wolfstreifige, hin und wieder selbst langhaarige Vettern von brauner oder schwarzer Färbung. Hingegen hat seine Normalrace nichts gemein mit den niedrig gebauten Thieren mit abstehenden Ellenbogen und etwas schiefen Läufen, welche gewaltig abstechen gegen die stramme Haltung und die hohe Action der Vertreter reiner Race.

Der braune Hirschmann, aus dem Braunfels’schen stammend, ist längst ein waidmännisch „vollkommener“ Hund. Ohne durch das sogenannte „Pfeifen“ (Winseln) die leidige Unruhe schlechter oder junger Schweißhunde zu verrathen, läßt er sich ruhig an die „Halsung“ (Halsband) mit dem „Hetzriemen“ oder „Fangstrick“ nehmen und folgt gemessen hinter der linken Seite seines Führers, der, aus dem Hause schreitend, nun bedächtig „zu Holz zieht“, um die „Frühpürsche“ auszuüben.

Schon verkünden den noch hinter den Bergen weilenden Tag blaß-weiße Streifen am Horizonte. Die Strophe des alten Waidmannsliedes:

„Es fängt schon an zu tagen,
Nun ist’s die rechte Zeit –“

geht eben unserem Jäger durch’s Gemüth, als plötzlich der alte Hirschmann an der Ecke einer Waldwiese still steht und „windet“ (mit der Nase in der Luft wittert). Sein aufmerksamer, behutsam dahinpürschender Herr hat den jähen Widerstand am Hetzriemen gemerkt und biegt sich vorsichtig in der Richtung, die der Hund mit seiner windenden Nase angiebt, am Waldsaume vor, die Wiese auszukundschaften. Ein dunkler Gegenstand in derselben verräth ihm, daß bereits ein Stück Wild auf dieselbe zur „Aeßung“ getreten. Noch kann aber nichts Näheres wegen der herrschenden Dunkelheit vermerkt werden. Hirschmann, als ein vollkommener Schweißhund, wird blos an der abgelegten Jagdtasche seines Herrn mit dem Hetzriemen an Ort und Stelle gelassen. Ruhig legt sich der Alte nieder, während sein Herr sich zum Anpürschen an das Stück Wild in der Wiese wendet. Dies kann auf einem alten Wege im deckenden Stangenholze längs des Wiesenrandes bewirkt werden und gelingt dem Schützen bis auf Büchsenschußweite. Im ersten Morgengrauen nun präsentirt sich dem überraschten Auge unseres Waidmannes ein „jagdbarer“ Hirsch, ein „Zehnender“, mitten auf der Wiese „breit“ (von der Seite). Es blitzt aus der Büchse, und mit dem Knalle sieht der geübte Waidmannsblick den Hirsch durch Zusammenfahren ein „Zeichen machen“, nachdem das aufmerksame Ohr auch die Kugel „schlagen“ gehört. Aber der Hirsch geht „flüchtig“ gegenüber der Wiese durch’s hohe Holz bergauf, der nächsten Dickung zu. Kein günstiges Zeichen!

Der „Anschuß“, das heißt die Stelle, wo der Hirsch getroffen, wird schnell „verbrochen“, das ist mit abgebrochenen Zweigen bezeichnet, und der an seinem Platze ruhig verweilende Hirschmann abgeholt oder waidmännisch „arretirt“. Der Hund zieht auf den Zuspruch; „Vorhin, Hirschmann, verwund’t!“ ruhig an dem Fangstricke vor dem Jäger her und „fällt“ sogleich den „Schweißgang an“. Eine Strecke über die Wiese in das hohe Holz hinein wird mit dem Hunde „nachgezogen“ (die schweißige Fährte verfolgt). Von ungestümem Vordringen, oder gar von „im Wind Suchen“ neben dem Gange ist bei Hirschmann keine Rede. Ruhig und regelmäßig, wie an einer Schnur „bringt er die Schweißfährte fort“ (verfolgt er sie), so spärlich dieselbe auch hin und wieder erscheint. Nur einmal ist es bei gänzlichem Mangel an Schweiß auf einer längeren Strecke nöthig, „vorzugreifen“ oder einen „Bogen zu schlagen“, das ist mit dem Hunde abseit so lange halbkreisförmig vorzuschreiten, bis man den Schweißgang wieder gekreuzt und der Hund ihn von Neuem aufgenommen hat. Plötzlich entdeckt man im Schweiße ausgeflossenes zermalmtes „Geäße“, ein Zeichen daß der Hirsch „weidwund“, das heißt in das „Gescheide“ (Gedärme) geschossen ist. Hirschmann wird arretirt oder von der Fährte zurückgenommen und dem „angeschweißten“ (verwundeten) Hirsche einige Stunden Zeit gelassen, sich in einer Dickung „niederzuthun“.

Nach mehreren Stunden ist unser Waidmann mit Hirschmann und begleitet von dem alten Wildhüter Peter, vulgo der „Hirschpeter“ genannt, wieder an Ort und Stelle, mit dem Hunde nunmehr ernstlich dem erfahrungsmäßig inzwischen „krank gewordenen“ Hirsche „nachzuhängen“ oder „nachzuziehen“. Hirschmann bringt den schweißigen Gang fort durch das hohe Holz bis zur nächsten Dickung, oben auf einem mäßigen Bergrücken. Hier an der Wand des sehr dichten jungen Holzes stehen die beiden Waldmänner in kurzer Jagdberathung, die zu dem Beschlusse führt, den Waldort mit Hirschmann vorerst zu umgehen, um den angeschweißten Hirsch zu „bestätigen“, ehe man mit der „Hatze“ auf Gerathewohl beginne. Hirschpeter nimmt den Hund und umkreist die Dickung mit demselben am Fangstricke. Nach einiger Zeit erscheint er von der anderen Seite des Dickichtrandes, dem Oberförster meldend, daß Hirschmann längs des Jungholzes nirgends einen Schweißgang angefallen, der Hirsch also im dichten Holze „stecken“ müsse. Auf diese Meldung hin, sicher wie ein Evangelium, wird der Hund nun vom Stricke „gelöst“, um allein den Hirsch „auszumachen“ oder zu finden. – Hat Meister Hirschmann doch schon zu wiederholten Malen, sogar auf „grobe“ (zwei- und mehrjährige) angeschweißte Sauen bekundet, daß man sich in der Alleinhatze, selbst im „Verlorensuchen“ auf ihn verlassen kann, und „Fehlhatzen“ (das heißt vergebliches Hetzen) bei ihm unter weiser Berücksichtigung der waidmännischen Verhältnisse von Seiten seines Führers nie vorfallen. Noch unlängst bewies er sich bei einem angeschweißten, noch flüchtigen „Hauptschwein“ (fünfjähriges Schwein), das er in einem Sumpfe verbellt, ebenso ausdauernd wie vorsichtig, da der „Keiler“, nur an einem Laufe lahm, den Hund „annahm“ (auf ihn losging) und um sich schlug. In gehöriger Entfernung von der Sau sich haltend, „gab“ der kluge Hund eine gute Viertelstunde anhaltend „laut aus“, bis man mit der „Hatz“ (Anzahl Saurüden) gefolgt war und den Keiler „auf den Boll hetzte“ (von den Hunden fassen ließ). – So wird der alte Bewährte auch heute seine Alleinhatze gut bestehen – schließen die beiden an der Dickung Stehenden.

Mehrere Minuten sind indeß in angestrengtem Aufhorchen auf die Jagd Hirschmann’s verstrichen, als derselbe plötzlich in der Dickung laut ausgiebt. Er hat einen „feinen Hals“ (hohe Stimme), so daß der dumpfe, tiefere Laut, den Hirschmann eben hören läßt, dem Eingeweihten um so deutlicher verkündet, er habe den Hirsch gefunden und verbelle ihn lebhaft. Rasch eilt man durch’s Holz der Stelle zu, wo der Hund anhaltend „standlaut“ ist. Man erreicht einen Erlenhorst, worin der Hirsch sich niedergethan und so krank geworden ist, daß er nicht mehr „hoch wird“ oder „aufsteht“. Nur schwach und unentschieden schlägt er mit dem Geweihe nach dem Hunde, der auf den Zuruf seines Herrn: „Hui faß’, Hirschmann!“ wie der Blitz den Hirsch an der Kehle gepackt. hat. So ist dem Jäger beste Gelegenheit geboten dem Kranken mit dem Hirschfänger den „Fang“ (Stich) hinter das Blatt zu geben. Hirschpeter „bricht“ waidgerecht den „verendeten“ Hirsch sogleich „auf“, um ihn bald darauf mit herbeigeschaffter Mannschaft auf dem Wildkarren, geschmückt mit „Brüchen“ (Laubzweigen), aus dem Holze zu schaffen.

Auf dem Heimzug erfahren wir von Hirschpeter noch manche Charakterzüge Meister Hirschmanns. Derselbe macht dem Oberförster einen Leithund überflüssig: denn er „zeichnet“ alle Fährten von Hochwild und leistet so beim „Bestätigen“ die besten Dienste, das heißt er zeigt den frischen Stand von Roth-, Dam- oder Rehwild, sowie einer Sau in einem Districte an, welch’ letzteren man dann getrost auf das bestätigte Wild abtreiben lassen kann. Er ist auch auf angeschossenes Kleinwild zu gebrauchen und verrichtet diese Jagd allein auf Hasen und Füchse vortrefflich, welch’ letztere er, „scharf“ wie er ist, tüchtig „abwürgt“, nachdem er nur erst der Nähe seines Herrn versichert ist, dem er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 786. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_786.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)