Seite:Die Gartenlaube (1875) 858.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Gesellschaft“ über die ungenügende Speciesvaluta. Da meinte Sonnin: „Ei, ei! Was doch die Chinesen für kluge Leute sind! Die kehren sich an kein Gepräge, sondern nehmen alles Silber nach Gehalt und Gewicht. Wenn wir das auch thäten, so brauchten wir uns nicht die Köpfe über die Species zu zerbrechen, sondern wir rechneten dann am einfachsten und gewissesten.“

Einige intelligente Kaufleute nahmen den Sonnin’schen Gedanken auf und machten Propaganda für die Einführung einer Barrenvaluta. Dieselbe wurde endlich Anno 1770 theilweise eingeführt, so daß Barrenvaluta und Speciesvaluta neben einander bestanden; bald aber überzeugte man sich allgemein von den Vortheilen der ersteren, und 1790 ward die Speciescasse ganz aufgehoben. So hatte man denn das Ideal einer Valuta, die absolut unveränderlich blieb, denn dem in den Kellern der Bank ruhenden, mit dem Stempel des Wardeins versehenen Silberbarren konnte keinerlei Münzverwirrung draußen in der Welt etwas anhaben.

Zu jener Zeit nahm die Bank einen ganz außerordentlichen Aufschwung. Auswärts ward mit dem verhältnißmäßig neuen Papiergelde der schmählichste Mißbrauch getrieben. Wie es mit den „Assignationen“ der ersten französischen Republik ging, ist bekannt, aber selbst in England herrschte eine schlimme Banknotenwirthschaft, die sogar das wirkliche Werthmaß, Edelmetall, den stärksten Coursschwankungen unterwarf; im Jahre der Handelskrisis wußte Niemand, welchen Werth ein Pfund Sterling nach einigen Monaten haben werde. Dagegen stand „Banco“ unerschütterlich wie ein Fels im Meere; siebenundzwanzigdreiviertel Mark Hamburger Banco waren immer gleich einer Kölner Mark Feinsilber – das glaubte die ganze Welt. Ausländische Capitalisten brachten nicht selten einen Theil ihres Vermögens in die Hamburger Bank; gute hamburgische Wechselbriefe waren immer begehrt; neben dem Wechselgeschäft florirte auch der Waarenhandel, und endlich ließ auch der Umstand, daß Silberbarren in Masse zur Hamburger Bank wanderten, die Stadt zum Silbermarkt ersten Ranges werden.

Doch bald folgten schlimme Zeiten. Die französische Herrschaft und die Continentalsperre fügten Hamburg unberechenbaren Schaden zu, und um das Maß des Unglücks voll zu machen, ließ zur Zeit der Belagerung Hamburgs, am 4. November 1813, Davoust die Bank unter Siegel legen. Das hatte Niemand geahnt, war doch der Bankfond Privateigenthum. Der Marschall aber erklärte, es solle Alles wiedererstattet werden, einstweilen brauche er dringend Geld zum Kriegführen. So ward denn bis zum 17. April 1814 nach und nach der gesammte Inhalt der Bank, 7,506,956 Bancomark 4 Schilling, geraubt. Der Raub lieferte den glänzendsten Beweis von der Solidität des Instituts, denn das Guthaben der Bankinteressenten hatte nur 7,489,343 Bancomark 12½ Schilling betragen. Das eigene Vermögen der Bank war also um 17,612 Bancomark 7½ Schilling geschmälert worden.

Gleich nach der Befreiung Hamburgs, am 1. Juni 1814, erfolgte die Wiedereröffnung der Bank. Durch den Pariser Frieden ward Frankreich auferlegt, der Bank 10 Millionen Franken Ersatz in fünfprocentigen Renten zu leisten.

Während des nächsten halben Jahrhunderts führte die Bank ein Leben idyllischer Ruhe; die Organisation des Instituts hatte sich so vortrefflich bewährt, daß man die größte Scheu hegte, auch nur das Geringste an derselben zu ändern. Die Hamburger Bank stand isolirt, aber weltbekannt und weltberühmt da, als alle anderen europäischen Girobanken längst eingegangen waren. Auch im Jahre 1857, zur Zeit der großen Handelskrisis, konnte die Bank ihren Verpflichtungen jederzeit gerecht werden. Die fünfzehn Millionen, welche der Staat Hamburg damals von Oesterreich entlieh, um der Geldklemme abzuhelfen, wurden wohl in den Kellern der Bank aufbewahrt; das Institut selbst war aber nur Verwahrer und Hüter des Schatzes und bedurfte keiner fremden Hülfe. Ueberhaupt blieben die fünfzehn Millionen unangerührt und wanderten nach sechs Monaten in den nämlichen Kisten mit Zinsen und Dank zurück.

Mit der wachsenden Bedeutung der vielen Privatbanken, die sich nicht auf das Girogeschäft beschränkten, sondern ihren Kunden alle möglichen anderen Banquiersdienste leisteten, mußte indessen der Glanz der alten Bank nach und nach verlöschen. Und als endlich die Münzverhältnisse Deutschlands zur endgültigen Regelung gelangten, als das neugestaltete deutsche Reich auch auf diesem Gebiete Ordnung schaffte, da schlug die Stunde der „Banco-Mark“. Am 15. November 1872 wurden neben den Silberconten auch Reichsmarkconten eröffnet, und am 15. Februar 1873 ward die Barren-Valuta endgültig aufgegeben. Von diesem Tage an schreibt der Hamburger Kaufmann in Reichsmark ab.

Nunmehr war die Aufhebung der Girobank selbst nur eine Frage der Zeit. Es ließ sich voraussehen, daß früher oder später die Reichsbank den Posten einnehmen würde, welchen die alte Hamburger Bank Jahrhunderte lang so würdig ausgefüllt hatte. Sie sicherte während der schlimmsten Zeiten der Münzverwirrung dem Handel Hamburgs die solide Basis einer zuverlässigen Valuta. Das war ihre Hauptaufgabe, welche sie treulich erfüllte, und es ist erfreulich, daß sie dieselbe heutzutage nicht mehr zu erfüllen braucht. Ihre Nebenaufgabe, als Clearing-House par excellence zu fungiren, kann sie getrost der „Reichsbank-Hauptstelle Hamburg“ überlassen; darf man doch zur Solidität der Deutschen Reichsbank dasselbe Vertrauen hegen, welches man der alten Hamburger Bank schenkte. Die Hamburger Börse wird das altehrwürdige Institut nicht vermissen; wohl aber darf sie sich mit Dank seiner früheren Leistungen erinnern, und so wird das Andenken der alten Hamburger Bank ein ehrenvolles bleiben.

Gustav Kopal.



Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin.
Von Otto Glagau.
12. „Dividendenbier“. (Schluß.)

Die Gründer beschränkten sich darauf, Privatbrauereien in Actiengesellschaften umzuwandeln. Was aber von manchen Brauereien fabricirt, an vielen Orten verschänkt wurde, war fast ungenießbar, war oft geradezu Gift. Um die Bieractien unterzubringen, warf man hohe Dividenden aus, und um bei der ungeheuren Belastung und der kostspieligen, verschwenderischen Wirthschaft überhaupt Dividenden erzielen zu können, producirte man ein Getränk, dem das Volk mit vollem Rechte und höchst treffend den Namen „Dividendenjauche“ beilegte.

Unter diesem widerlichen Getränk, das den Durst nicht stillte und doch auch wieder nicht reizte, das mancherlei Unbequemlichkeiten und sogar Unpäßlichkeiten erzeugte, litten Publicum und Gastwirthe gleichmäßig. Man trank es nur mit Unbehagen und Widerstreben.

Alle Biere, auch die, welche die noch übrig gebliebenen Privatbrauereien herstellten, wurden schlechter. Das früher so beliebte „Actienbier“ von Tivoli verlor schnell seinen Ruf, und das Wort „Actienbier“ wurde nur noch im verächtlichen Sinne gebraucht, wo man nicht „Dividendenjauche“ sagen wollte. Alle Actienbrauereien liefern ein miserables Getränk, das miserabelste aber diejenigen Gesellschaften, welche sich später als faule und oberfaule Gründungen erwiesen, wie Schloßbrauerei Schöneberg, Adler, Societäts-Brauerei und Hasenhaide. Im besten Falle wurde ein Gebräu fabricirt, das früher als „Bier zweiter Classe“ galt und das, die Tonne einen oder zwei Thaler billiger, in gewissen Tanzlocalen und Vergnügungs-Etablissements verschänkt worden war.

Nur Eine Ausnahme ist zu vermerken. Der alte brave Patzenhofer ließ sich zu dem Schwindel der „Dividendenjauche“ nicht herab. Auch in der Gründerperiode behauptete „Patzenhofer“, wiewohl jetzt ebenfalls „Actienbier“, seinen alten Geschmack und Gehalt. Selbstverständlich war es sehr begehrt und konnte der Nachfrage nicht genügen. – Uebrigens ist auch dieses Bier in der allerletzten Zeit schlechter geworden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 858. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_858.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)