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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

fast in allen größeren Thiergärten vertreten, und ich habe es allein in mindestens dreißig unter sich vollkommen übereinstimmenden Stücken gesehen und wenigstens ihrer acht, männliche und weibliche, jahrelang gepflegt. Es ist kleiner, kurzrumpfiger, kurzarmiger, wohl auch kurzbeiniger und schmalhändiger als der Gorilla, soll jedoch nach Versicherung der Eingeborenen ausgewachsen immerhin bis anderthalben Meter hoch werden. Sein Kopf ist rundlicher, sein Gesichtsausdruck minder thierisch, sein Ohr größer und weniger menschenähnlich, seine Hand dünn und lang, nicht allein schmäler, sondern auch länger, was sich namentlich in den wie bei der Menschenhand nicht zum größern Theile in eine Haut eingehüllten Fingern bemerklich macht. Der Daumen ist kleiner und schmächtiger, der Fuß ebenfalls verhältnißmäßig länger und schmäler als die betreffenden Theile beim Gorilla, der Leib ähnlich behaart wie bei diesem, das Haar jedoch zu beiden Seiten des Gesichts und Kopfs stärker entwickelt, auf dem Rücken in der Regel nicht abgescheuert, auch ein größerer Theil der Oberhand und des Oberfußes nackt. Die Färbung der Haare, mit alleiniger Ausnahme derer, welche das Kinn und spärlich die Schnauze sowie das Gesäß bekleiden und weiß aussehen, ist gleichmäßig dunkelschwarz; Augenbrauengegend, Vordergesicht von der Mitte der flachen Nase an, sowie das Ohr und die Hände und Füße, soweit sie nackt, haben lederfarbene, eine maskenartig die Augen umgebende Stelle und die Wangen schwarzgraubraune, die Haut des Kopfes bläulichgraue, der Haarboden des übrigen Leibes ebenfalls lederbraune Färbung.

Von beiden Menschenaffen unterscheidet sich derjenige, welcher in Dresden lebte, so auffallend, daß er mit keinem von ihnen verwechselt werden kann. Als ich dieses äußerst merkwürdige Thier am 26. August vergangenen Jahres zum ersten Male sah, erkannte ich sofort, daß ich keinen Schimpanse vor mir hatte, glaubte damals aber, vielleicht doch einen Gorilla in ihm erkennen zu dürfen. In diesem Sinne berichtete ich, bevor ich das einschlägliche Schriftthum genauer gewürdigt, an den in Frankfurt erscheinenden „Zoologischen Garten“, beiläufig gesagt, die einzige wissenschaftliche Zeitschrift, welche von der Verwaltung eines deutschen Thiergartens herausgegeben wird. Ich bekenne auch an dieser Stelle meinen Irrthum und nehme jene Aeußerung hiermit zurück. Besagter Affe ist gewiß kein Gorilla, ebenso sicher aber auch kein Schimpanse, also jedenfalls eine neue, beziehentlich durch die bisher veröffentlichten Beschreibungen noch nicht genügend bekannt gewordene Art. Am meisten scheint er mit dem von Franquet und Duvernoy aufgestellten Tschego übereinzustimmen, und nehme ich deshalb keinen Anstand, ihn vorläufig mit diesem Namen zu bezeichnen. Irre ich mich wiederum, so ist es kein Unglück: es genügt mir, die Aufmerksamkeit auf das Thier gelenkt und auch meinerseits zu ferneren Untersuchungen Veranlassung gegeben zu haben. Zur genaueren Beschreibung will ich mich derselben Worte bedienen, welche ich in der vollständig umgearbeiteten, demnächst (im Verlage des Bibliographischen Instituts zu Leipzig) erscheinenden zweiten Auflage meines „Thierlebens“ gebraucht habe.

Der Tschego (Anthropopithecus Tschego), welchem ich, falls meine Deutung der ursprünglichen Beschreibung Duvernoy’s nicht richtig sein sollte, unter Beibehaltung des landesüblichen den wissenschaftlichen Namen Anthropopithecus angustimanus verleihen würde, ist, wie uns das höchstens fünfjährige Weibchen des Dresdener Thiergartens bekundete, bedeutend größer als der Schimpanse und vielleicht nur wenig kleiner als der Gorilla. Schon das in Rede stehende, noch sehr junge Thier hatte etwa die Größe eines sechs- bis siebenjährigen Menschenkindes erlangt: seine Höhe betrug 110 Centimeter, die Rückenlänge 53 Centimeter, die Länge des Armes von der Schulter bis zur Handwurzel 15,5, die der Hand bis zur Spitze des Mittelfingers 26 Centimeter. Der verhältnißmäßig, namentlich im Vergleiche zu dem des Schimpanse, kleine Kopf sitzt auf kurzem Halse zwischen sehr breiten Schultern, welche so hoch gezogen sind, daß die wegen der nackten Kehle leicht erkennbaren Schlüsselbeine in ihrer Richtung der senkrechten sehr nahe kommen. Der Leib ist schlank, nach den Hüften zu bedeutend verschmächtigt, der Brustkorb ebenmäßig gerundet, nicht aber, wie bei dem Gorilla und Schimpanse, von vorn nach hinten zusammengedrückt, der Bauch eingezogen, wenigstens nicht vorgewölbt, der Leib überhaupt durchaus anders, weil verhältnißmäßig länger, in der Schultergegend viel breiter, in der Hüftengegend weit schmächtiger als der des Schimpanse.

Die vergleichsweise langen Arme sind sehr kräftig, die Hände ungemein schlank und schmal, verglichen mit einer großen Manneshand nur so breit wie jene ohne den letzten Finger. Der weit zurückstehende Daumen ist lang, aber merklich schwächer als die übrigen, unter sich ziemlich gleichmäßig entwickelten, kräftigen, jedoch nicht dicken, wie bei Mensch und Schimpanse nur durch kurze, nicht weit vorragende Bindehäute vereinigten Finger, unter denen die beiden mittelsten durch ihre Stärke hervortreten. Die Nägel ähneln bis auf den etwas mehr gewölbten des Kleinfingers denen der Menschenhand, sind aber ebenfalls kleiner, als hier; die kräftigen Beine scheinen verhältnißmäßig länger zu sein als bei irgend einem bekannten Menschenaffen; die wohlgestalteten Füße, welche schwache Knöchel, aber ziemlich entwickelte Fersen zeigen, sind sehr gestreckt; die mittleren Zehen fast bis zum Ursprunge des ersten Gelenkes frei, von der langen und starken Daumenzehe weit getrennt. Am Kopfe, welcher sich außer durch seine geringe Größe auch durch Schmalheit auszeichnet, fallen namentlich die sehr stark vortretenden, mit dicker, runzeliger Haut überdeckten Augenbrauenwülste und die ziemlich großen, abstehenden, ein kleines Läppchen tragenden Ohren auf. Erstere verleihen, weil sie die kleinen, lebhaften, braunen, rundsternigen, von vielen Falten umgebenen Augen zurücktreten lassen, dem Gesichte einen Ausdruck eigenthümlicher Wildheit; letztere ähneln denen des Schimpanse, weichen also weiter von denen des Menschen ab, als die des Gorilla. Die Nase ist sehr flach gedrückt, der Nasenrücken kurz, in der Mitte durch eine tiefe Längsfurche getheilt, die Nasenspitze flach gerundet, die Nasenscheidewand beträchtlich vorgezogen, jeder Nasenflügel wulstig verdickt, wodurch die erwähnte Wildheit des Gesichtsausdruckes sich steigert.

Von der Nasenwurzel bis zum Rande der Oberlippe bildet der Umriß des Gesichts eine fast gerade Linie und an den Lippen mit dem merklich zurücktretenden Kinne einen stumpfen Winkel. Die wie das Gesicht vielfach gefalteten, sehr dünnen, weit gespaltenen Lippen sind überaus beweglich und lassen sich noch bedeutend weiter vorstrecken, als die des Schimpanse. Zwischen den breiten, aber flachen Backen und dem Maule tieft sich eine Grube ein; eine andere befindet sich am hinteren Mundwinkel. Gesicht und der größte Theil des Vorderkopfes überhaupt, Ohrgegend, Kinn und Kehle, ein schmaler Hof um die Brustwarzen, Handteller und Fußsohlen, Finger und Zehen sowie die Mitte des Gesäßes sind nackt, oder doch nur sehr spärlich behaart, auch die Innenseite der Glieder, Brust, Bauch und Hinterrücken dürftig oder dünn bekleidet. Die im Allgemeinen dunkellederbraun gefärbte Haut geht in der Gesichtsmitte zwischen Augen, Jochbogen und Lippen in ein tiefes Schwarz über, welches auch auf den Brauenbogen noch zur Geltung gelangt, hier jedoch nicht das sammtige Gepräge zeigt, wie im Gesichte. Finger und Zehen, Handteller und Fußsohlen sehen blaugrau aus. Die Behaarung entwickelt sich im Gesichte zu einem an den Schläfenleisten beginnenden, über die hintere Wangengegend verlaufenden, die vordere Kehlgegend bekleidenden schmalen Backenbart, bildet auf der Mitte des Scheitels einen nach hinten sich verstärkenden Längsstreifen, verlängert sich sodann auf Hinterkopf und Nacken, Oberrücken und Schulter ein wenig, richtet sich im Allgemeinen von vorn nach hinten oder von oben nach unten, auf dem Unterarme jedoch umgekehrt von der Handwurzel nach dem Ellenbogen, am Oberschenkel nach der Vorderseite, ist vollkommen schlicht, glatt, glänzend und mit alleiniger Ausnahme einiger graulichen Härchen am Kinne und einiger weißlichen am Gesäße schwarz gefärbt, besitzt aber einen schwachen blauen Schimmer und spielt daher etwas in letztere Farbe.

Unser Menschenaffe stammt von der Loangoküste und zwar aus Majumba oder Mayumba und ist wahrscheinlich dasselbe Thier, welches schon der am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts an der Loangoküste thätig gewesene Battel unter dem Namen „Ensego“ erwähnt, vielleicht auch mit Du Chaillu’s „Kulukamba“ gleichartig. Der schon Plinius unter dem Namen „Satyr“ bekannte Orang-Utan (Simia Satyrus) unterscheidet sich von allen afrikanischen Menschenaffen durch die verhältnißmäßig bedeutend längeren Arme, welche bis zu den Knöcheln der Füße

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_047.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)