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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

die Blüthe nicht schon da ist, nochmals größere Töpfe. Regel ist, daß bei dem Verpflanzen das ganze Wurzelholz am Rande, besonders am Boden, mit einem scharfen Messer abgeschnitten wird. Unterläßt man dies, so verfaulen meistens die sämmtlichen alten Wurzeln in kurzer Zeit und die Pflanze leidet sehr darunter.

Es giebt aber viele Ausnahmen. So werden zum Beispiel Camellien, wenn sie nicht zu stark durchwurzelt sind, besser nicht, Palmen, Ammyllis und andere Blumen nie beschnitten. Man darf eben bei solchen Pflanzen auch nicht warten, bis sie zu stark gewurzelt sind. Junge Gewächse werden umgepflanzt, ehe sie einen Wurzelfilz am Boden gebildet haben, dabei aber nicht beschnitten. Solches Verpflanzen kann jeder Zeit vom März bis September geschehen; wenn der Wurzelschnitt nöthig ist, dürfen die Pflanzen nicht im Trieb sein, das heißt keine Blätter, Blüthen oder Zweige bilden. Kann es nicht vorher geschehen, so muß es später vorgenommen werden. Pflanzen, welche im Winter blühen, verpflanzen die Gärtner gern im August.

Indem ich diese Mittheilungen schließe, will ich nur noch vor Anwendung der glasirten und mit Oel- oder Lackfarbe angestrichenen Töpfe warnen, da sie nicht austrocknen und die Blumen krank machen. Hat man solche, so stelle man lieber die Pflanzen mit gewöhnlichen Töpfen hinein. Sind sie hierzu zu groß, dann müssen die in solchen Töpfen befindlichen Blumen viel weniger begossen werden.

H. Jäger in Eisenach.




Vom deutschen Reichskanzler.

Von Fedor von Köppen.

In dem Leben und Wirken unseres großen Staatsmannes, des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck, ist die Neigung zu einer humoristischen Behandlung mancher Fragen, jene liebenswürdige Schnellkraft des Geistes, mit welcher er an Dingen, die mit dem Anspruche von Wichtigkeit sich vordrängen, die lächerliche Kehrseite aufzudecken weiß, nicht zu verkennen. In keiner Epoche aber bot sich ihm mehr Veranlassung zu einer ironischen Betrachtung der Dinge, als während seiner Amtsthätigkeit in Frankfurt am Main zu der Zeit, als der unter den Stürmen des Jahres zu Grabe geläutete Deutsche Bund plötzlich zu einem Scheinleben wieder auferweckt und von den diplomatischen Lobrednern desselben die Behauptung aufgestellt wurde, daß allein diese „wohlorganisirte staatsmännische Schöpfung“ es sei, welche den deutschen Fürsten ihre Rechte, dem deutschen Volke das ihm ersprießliche Maß von Freiheit verbürgen könne.

Die Stimmung, in welcher Freiherr von Bismarck-Schönhausen als neu ernannter preußischer Bundestagsgesandter die „heiligen Hallen“ des Thurn und Taxis’schen Palais in der Eschenheimer Gasse betrat, läßt sich aus den jüngst veröffentlichten Briefen an seine Gemahlin und an seine Schwester Frau von Arnim aus der ersten Zeit seines Frankfurter Aufenthalts erkennen. Während er genöthigt war, an der grünen Tafelrunde im Bundessaale den „ganz unglaublich langweiligen Vortrag eines hochgeschätzten Collegen über die anarchischen Zustände von Ober-Lippe“ anzuhören, ließ er in einem Briefe an Frau von Arnim dem Humor freien Zügel.

„Ich gewöhne mich daran,“ schrieb er, „im Gefühle gähnender Unschuld alle Symptome von Kälte zu ertragen und die Stimmung gänzlicher Wurschtigkeit in mir vorherrschend werden zu lassen, nachdem ich den Bund allmählich mit Erfolg zum Bewußtsein des durchbohrenden Gefühls seines Nichts zu bringen nicht unerheblich beigetragen zu haben mir schmeicheln darf.“

In einem Briefe an seine Gemahlin findet sich unter Anderem die Stelle:

„Ich habe nie daran gezweifelt, daß sie alle mit Wasser kochen, aber eine solche nüchterne einfältige Wassersuppe, in der auch nicht ein einziges Fettauge zu spüren ist, überrascht mich. Schickt den Schulzen X. oder Herrn von ?arsky aus dem Chausseehause her! Wenn sie gewaschen und gekämmt sind, so will ich in der Diplomatie Staat mit ihnen machen.“

In dem bekannten Buche von G. Hesekiel, sowie in der neuerdings erschienenen Biographie des Reichskanzlers vom Verfasser dieser Zeilen[1] sind manche charakteristische Züge aus jener Epoche seines Wirkens überliefert worden. Wir beschränken uns hier auf die Mittheilung einiger bisher weniger bekannter Episoden, welche immerhin Schlaglichter auf die damalige Situation werfen und als Beiträge zur Beurtheilung des bedeutenden Mannes von Interesse sein dürften.

Vielfach verbreitet ist die Erzählung von einer diplomatischen Cigarre, welche Herr von Bismarck, als er dem österreichischen Gesandten Grafen Thun seinen ersten Besuch machte, an dessen glimmender Havanna sich angeraucht haben soll, um das politische Gleichgewicht zwischen Preußen und Oesterreich herzustellen. In der Wirklichkeit hat sich die Sache anders zugetragen. Der österreichische Gesandte, welcher seine Wohnung im Bundes-Palais, dem ehemaligen Palaste des Reichspostmeisters Fürsten Thurn und Taxis, selbst hatte, wachte mit Eifersucht über die „herkömmlichen Vorrechte der Präsidialmacht“ und erlaubte sich, um dieselbe schon in der Form anzudeuten, manche kleinen Freiheiten, die seine Collegen nicht genossen. Es war Gebrauch geworden, daß der Präsidial-Gesandte zu den Sitzungen des Militär-Ausschusses, welcher aus den Gesandten von Oesterreich, Preußen, den vier Königreichen und Hessen-Darmstadt bestand, mit der brennenden Cigarre aus seiner Wohnung in das Versammlungszimmer herabkam und während der Sitzung rauchte, wogegen der frühere preußische Gesandte, General von Rochow, obgleich er ein leidenschaftlicher Raucher war, sich diesen Genuß versagte. Nachdem Herr von Bismarck diese Erscheinung mehrmals beobachtet und erkundet hatte, daß sie auf einem Gewohnheitsrechte beruhe, brachte auch er eine Cigarre mit, und es rauchten nun also die beiden Präsidialmächte. Sei es, daß er diese Frage der Würde zum Gegenstande eines Berichts nach München gemacht, sei es, daß er sich mit dem Grafen Thun benommen hatte – genug, der bairische Gesandte, der bekanntermaßen des Rauchens unkundig war, zog in der folgenden Sitzung eine ungewöhnlich blonde Cigarre hervor, schlug sich klirrend Feuer und rauchte, jedoch nur so lange, bis eine bemerkenswerthe Veränderung seiner Gesichtsfarbe die übrigen Mitglieder des Ausschusses darauf vorbereitet hatte, daß er die Cigarre weglegen würde. In der nächsten Sitzung folgte Hannover seinem Beispiele, nach und nach die anderen Königreiche, sodaß zuletzt der ganze Ausschuß sich der Havanna erfreute mit Ausnahme des hessischen Gesandten, der entweder das Nicotin oder das Bewußtsein seiner staatlichen Inferiorität nicht überwinden konnte.

„Viel Rauch und wenig Feuer“, – das wäre im Allgemeinen die passende Devise für alle Verhandlungen des Bundestages gewesen, mocht’ es sich nun um den kurhessischen Verfassungsstreit, die Execution in Schleswig-Holstein oder um die Vorbereitungen zum Empfang einer durchreisenden Hoheit, um den Vortritt dieses oder jenes Diplomaten bei der Cour handeln. Bismarck aber bekundete auch bei den geringfügigsten Vorgängen eine Haltung, welche jeden Gedanken an eine – wenn auch nur formelle – Unterordnung seines Staates unter die Präsidialmacht zurückwies. Dazu kam seine liebenswürdige Offenheit im Umgange mit den Collegen, sein sicheres und selbstbewußtes Auftreten auf den diplomatischen Parquetböden, die Gastfreiheit, mit welcher er sein Haus an der Bockenheimer Landstraße nicht allein den Officieren und diplomatischen Würdenträgern, sondern auch Künstlern und Dichtern öffnete, – das Alles bewirkte, daß man ihn in Frankfurt bald mit anderen Augen betrachtete, als irgend einen seiner Vorgänger. Schon die Erscheinung des jungen, hochwüchsigen altmärkischen Edelmanns bot manches Ungewohnte. Wenn er auf seiner dunklen Fuchsstute durch die Anlagen trabte zu einem Besuche an den kleinen Höfen oder in den Badeorten der Nachbarschaft, dann waren es nicht nur die vorüberwandelnden Spaziergänger, deren Aufmerksamkeit der

  1. „Fürst Bismarck, ein Zeit- und Lebensbild für das deutsche Volk, von Fedor von Köppen“. Leipzig 1876, bei Otto Spamer.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_165.jpg&oldid=- (Version vom 10.2.2023)