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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

„Genießen will ich, glühend heiß genießen.“

(Frei nach einer bekannten Faust-Tragödie.)




und die noch losen Fichtenäste der halbfertigen Laube knisterten unter seinem wilden Odem. Durchsichtig wie ein Schemen stieg ihr Astgeflecht empor – wenn einst das schattige Grün voll und dicht über dem Holzgerippe hing, wie stand es dann wohl um Alles, was in diesem Augenblick unentwirrt unter der gestaltenden Hand des Schicksals lag? Saß die Tante je dort in dem heißgewünschten grünen Sommerasyl, stillbeglückt, frohen Gemüthes, wie einst im kleinen Pfarrgarten? Wenn ihr Liebling unglücklich wurde, wenn sie ihn verlor, niemals!

Mit scheuem Blick bog Käthe um die westliche Hausecke. Der gedämpfte Schein einer Nachtlampe fiel aus den Fenstern des Krankenzimmers. Noch war der Kampf nicht zu Ende. In der einen Fensternische stand der Doctor, den Rücken dem jungen Mädchen zugewandt, ungebeugt, aber den rechten Arm gehoben, als fordere er Schweigen. Was mochte sie eben gesagt haben, die im dunklen Hintergrund stand, nicht so hoch von Gestalt, daß man mehr hätte sehen können, als die trotzig schüttelnde Bewegung der weißen Spitzenkante über dem goldblonden Schein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_177.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)