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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

So hat der Dichter, dessen wohlgetroffenes Bild den Lesern in der gegenwärtigen Nummer der „Gartenlaube“ dargebracht wird, überall den echten Volkston getroffen und unzweifelhaft unter den deutschen Dialektdichtern einen der ersten Plätze und unter den Freunden deutscher Volksdichtung in Thüringen und ganz Deutschland zahlreiche Freunde sich erworben. Möchte Anton Sommer’s heitere Muse noch lange nicht schweigen und der Kreis der Freunde deutscher Volksdichtung innerhalb Thüringens und über dessen Grenzen hinaus noch oftmals durch neue Bilder und Klänge erfreut werden, wie Sommer dies selbst in dem Abschiedsgedichte seines Buches in Aussicht gestellt hat!

Richard Keil.




Menschenaffen.


Von Brehm.


II. Häusliches und geselliges Leben.


(Schluß.)


Abweichend von fast allen Ordnungsverwandten sind die Menschenaffen wenig gesellig. Ausnahmsweise nur begegnet man einmal einer starken Gesellschaft, solche hat sich aber, wie behauptet wird, immer blos dann zusammengefunden, wenn irgend eine günstige Gelegenheit, beispielsweise ein der Fruchternte entgegenreifender Baum, die Vereinigung vieler veranlaßte. Wie unter Menschenkindern geschieht es dann, daß die jungen Affen, während die alten ernsterer Beschäftigung sich widmen, gegenseitig Bekanntschaften anknüpfen und munter und lustig mit einander spielen, niemals aber läßt sich unter einer solchen Heerde ein ebenso inniges Verbandsverhältniß wahrnehmen wie unter anderen Affen, welche, streng geschlossen, unter der Leitung eines in allen Lagen des Lebens geprüften, erfahrenen, weisheitsvollen Männchens ihre Geschäfte betreiben, wochen-, monate-, vielleicht jahrelang fest zusammenhalten und unter Umständen gemeinschaftlich eintreten für das Wohl der Gesammtheit oder zu Gunsten des Einzelnen. Der Menschenaffe erinnert in dieser Beziehung mehr als an die übrigen Affen an den ungesitteten, noch in seiner ursprünglichen Rohheit verharrenden Wilden, welcher ein paarweises Zusammenhalten dem Verbandsleben vorzieht. Wie unter Säugethieren die Regel, leben die alten Männchen der Menschenaffen wahrscheinlich einsam, alten, mürrischen Junggesellen vergleichbar, welche ebenfalls vorgeben, den Freuden der Welt entsagt zu haben. Gesellen sich einzelne, so sind es Weibchen mit ihren Jungen, welche vielleicht von einem Männchen geführt werden. Daß zwei alte Männchen gelegentlich mit Wuth und Ingrimm um die Weibchen kämpfen, und daß unter Umständen dabei einer den andern tödtet, scheint durch glaubwürdige Beobachtungen erwiesen zu sein: die Angabe würde übrigens auch kaum zum Zweifeln herausfordern können, da sie ja mit dem, was wir an anderen Thieren und selbst an dem hochstehenden Menschen beobachten, durchaus übereinstimmt.

Wie alle übrigen Affen und ebenso die wilden Menschen haben unsere Thiere keinen bestimmten Aufenthaltsort, sondern schweifen von einer Oertlichkeit zur anderen. Finden sie an einer Stelle Lieblingsnahrung in Menge, fruchttragende Bäume, erntereife Felder oder Pflanzungen z. B., so verweilen sie wohl auch tagelang an einer und derselben Oertlichkeit; wird die Nahrung knapp, so machen sie sich auf den Weg und ziehen weiter. Am Morgen gehen sie auf Nahrung aus; Mittags ruhen sie, und die Nacht verbringen sie auf einen bestimmten Lager. Der Orang-Utan verläßt letzteres erst, wenn die Sonne schon ziemlich hoch steht und den Thau auf den Blättern getrocknet hat; er frißt daher in den mittleren Stunden des Tages.

Falls die vorliegenden Berichte als erschöpfend betrachtet werden dürfen, besteht die Nahrung der Menschenaffen in Fruchtstoffen: Knospen, Blättern, Gras, Kraut, Sämereien und Getreide, zumal aber in Früchten. Nach Reade liebt der Gorilla eine in kleinen Büschen wachsende Grasart so, daß man seine Anwesenheit da, wo dieses Gras vorhanden ist, fast mit Sicherheit annehmen darf, nach Savage nährt sich der Schimpanse wahrscheinlich mit denselben Pflanzenstoffen, welche der Gorilla frißt: mit Früchten, Nüssen, Blatt- und Blüthenschößlingen, vielleicht auch mit Wurzeln und dergleichen; nach Wallace verzehrt der Orang-Utan mit Vorliebe Obst, und in Ermangelung desselben Blätterknospen und junge Schößlinge, zieht, wie es scheint, unreife Früchte den reifen vor, ißt auch sehr saure und stark bittere, genießt zuweilen nur den kleinen Samen einer großen Frucht und zerstört dann weit mehr, als er bedarf, bevorzugt aber vor Allem die köstliche Durian, eine ausgezeichnete, fast kopfgroße, mit furchtbaren Stacheln bewehrte, für den Menschen nur mit Hülfe eines starken Messers theilbare Frucht, deren fünf Zellen mit einem rosenfarbenen, äußerst wohlschmeckenden Brei und einigen Samenkörnern angefüllt sind. Nur der letztgenannte Menschenaffe scheint die Pflanzungen des Menschen nicht zu besuchen. Alle übrigen fallen bei passender Gelegenheit raubend und plündernd in sie ein und richten dann oft großen Schaden an, werden auch aus dem Grunde besonders lästig, weil sie dem sie angreifenden Menschen häufig als grimmige und gefährliche Gegner sich stellen.

Bei allen Raubzügen, welche Menschenaffen unternehmen, bei dem Erwerbe ihrer Nahrung überhaupt, in ihrem Auftreten dem Menschen und anderen Thieren gegenüber, in ihren Sitten und Gewohnheiten, ihrem Wesen und Gebaren, mit einem Worte in jeder ihrer Handlungen bekunden sie einen außerordentlich hohen Verstand, nämlich ebenso viel Ueberlegung wie List und Schlauheit, ein vortreffliches Gedächtniß, eine überraschende Fähigkeit, von Einem auf Anderes zu schließen etc. Ich glaube jedoch die Schilderung des geistigen Wesens der Affenmenschen besser für den letzten Abschnitt aufsparen zu dürfen, weil gefangene Menschenaffen ungleich mehr Gelegenheit zu diesbezüglichen Beobachtungen geben, als die freilebenden. Von diesen mag jetzt noch das Eine erwähnt sein, daß sie sich Nester errichten, welche als der erste Entwurf oder erste Gedanke einer Hütte im menschlichen Sinne angesehen werden müssen, also, streng genommen, nicht mit den Nestern anderer Thiere verglichen werden dürfen, weil sie, wie es scheint, nicht allein als Lager, sondern mehr noch als Schatten- oder Regendächer dienen. Einen Schutz gegen Regen oder Sonnenstrahlen schafft sich aber nur der Affe, kein anderes Thier. Diese sogenannten Nester sind nichts weniger als ordentliche Bauten; die Zweige werden abgebrochen oder geknickt und kreuz und quer über einander geschichtet. Ein von Wallace angeschossener Orang-Utan kletterte zur Spitze des Baumwipfels empor, begann ringsum Zweige abzubrechen, griff außerordentlich schnell mit seinem unverwundeten Arme nach jeder Richtung hin, brach mit der größten Leichtigkeit starke Aeste ab und legte sie rückwärts quer über einander, sodaß er in wenigen Minuten eine geschlossene Masse von Laubwerk um sich gebildet hatte, welche ihn den Blicken gänzlich entzog. Nach Versicherung der Dajaks soll sich derselbe Affe bei Regenwetter mit Blättern bedecken.

Ueber die Fortpflanzung der Menschenaffen sind wir noch nicht genügend unterrichtet und wissen eigentlich nur so viel, daß das Weibchen ein Junges, in seltenen Fällen Zwillinge zur Welt bringt, besagtes Junge auf oder in den Armen trägt, dasselbe außerordentlich liebt und seinetwegen ohne Bedenken und Zögern ersichtlicher Todesgefahr entgegentritt. Das Junge wächst unter so treuer Pflege annähernd mit derselben Schnelligkeit heran wie ein Menschenkind, wechselt etwa zwischen dem fünften und sechsten Jahre die Schneidezähne und vollendet sein Wachsthum ungefähr in derselben Zeit wie der Mensch. Wie lange das Leben eines solchen Affen währt, wissen wir noch nicht, dürfen aber dreist annehmen, daß es dem des Menschen annähernd gleichkommt.

Die alten Geschichten von Liebesverhältnissen zwischen Menschenaffen und Malaiinnen oder Negerinnen werden heutigen Tages noch überall ziemlich übereinstimmend erzählt, stoßen auch kaum auf Widerspruch bei demjenigen, welcher größere Affen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_195.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)