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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

kennt, welcher erfahren hat, wie genau sie Männer und Frauen unterscheiden, wie bestimmt sie ihre Zuneigung zum anderen Geschlechte bekunden, wie männliche Affen Frauen entschieden Männern, weibliche dagegen Männer den Frauen vorziehen. Auch die noch in neuester Zeit wiederholten Angaben, daß die Menschenaffen, wenn sie können, Kinder stehlen, mit ihnen in den Armen einen Baum erklettern, sich mit der Betrachtung des jungen Menschenvetters vergnügen, durch ihnen vorgehaltene Leckerbissen sich aber wieder vom Baume herablocken lassen und dann das Kind hier niederlegen, halte ich nach den von mir an anderen Affen gemachten Beobachtungen für glaublich. Anders verhält es sich mit den Geschichten, welche über grimmige Zweikämpfe zwischen Eingeborenen wie Weißen und Menschenaffen gegeben werden. Daß ein Gorilla im Stande ist, einen Menschen zu tödten, wird Niemand bezweifeln, welcher die ungeheuere Stärke, erstaunliche Gewandtheit und grenzenlose Wuth eines erregten Affen überhaupt kennen gelernt hat; daß selbst der verhältnißmäßig harmlose Schimpanse oder der furchtsame Orang-Utan, angegriffen, sich ihrer Haut wehren und im Zweikampfe mit dem Menschen letzterem sehr ernsthafte Verwundungen beibringen können, geht aus übereinstimmenden Berichten gewissenhafter Beobachter zur Genüge hervor; daß jedoch irgend ein Menschenaffe, und namentlich der Gorilla, aus angeborener teuflischer Böswilligkeit beim Anblicke eines Menschen unter allen Umständen zum angreifenden Theile werden sollte, wie Du Chaillu, Ford und Savage behaupten, muß nach Reade verneint werden.

Alle die in grellen Farben aufgetragenen Erzählungen Du Chaillu’s über seine und Anderer Kämpfe mit dem Gorilla, welche gerade ihrer Schauerlichkeit halber in die verschiedensten Blätter übergegangen und dadurch in weiten Kreisen bekannt geworden sind, erledigen sich wohl am besten durch die auf fast unantastbare Gründe sich stützende Behauptung Reade’s, daß Du Chaillu niemals einen Gorilla erlegt hat. „Laßt ihn allein, so läßt er Euch auch allein,“ sagten die von dem letztgenannten Forscher befragten Jäger, unter denen er keinen einzigen fand, welcher erzählen konnte, daß seit Menschengedenken ein Mann von einem Gorilla wirklich umgebracht worden wäre. Und unter diesen Jägern befand sich einer, welcher einst mit einem Gorilla gekämpft, von ihm verwundet worden war und eine gänzlich verkrüppelte Hand davongetragen hatte. Der Leopard gilt allgemein für ein gefährlicheres Thier als der Gorilla.

Alle Menschenaffen, mit denen wir engeren Verkehr pflegen und in ein näheres Verhältniß treten können, sind als Säuglinge eingefangen und mehr oder minder mühselig aufgezogen worden. Alte Thiere werden nirgends gefangen und zwar aus dem einfachen Grunde, weil weder die Neger, noch die Bewohner der früher genannten Sundainseln Mittel besitzen, sich der Thiere zu bemächtigen. Selbst die Niamniam, welche die Jagd auf Schimpansen in höchst eigenthümlicher Weise betreiben, machen hiervon keine Ausnahme. Wie diese gewandten und fleischgierigen Jäger unserem trefflichen Schweinfurth mittheilten, gehören zur Jagd auf den Schimpanse zwanzig bis dreißig entschlossene Männer, denen die heikle Aufgabe zufällt, in den verschiedenen Laubschichten, welche die Wälder über Wäldern aufbauenden Bäume darstellen, mit den Menschenaffen um die Wette umherzuklettern und dabei die gewandten und kräftigen Thiere in Fangnetze zu locken, in denen sie sich verwickeln, ohne wie sonst im Stande zu sein, kräftigen Widerstand zu leisten. Trotzdem wagt man es nicht, sie zu fesseln, sondern bringt sie einfach mit Lanzenwürfen vom Leben zum Tode.

Wer gleich mir den Ingrimm und die außerordentliche Stärke größerer Affen aus eigener schlimmer Erfahrung kennen gelernt hat, begreift dies vollständig. Alle in die Enge getriebenen Menschenaffen wehren sich verzweifelt, gebrauchen ihr furchtbares Gebiß in gefährlicher Weise, sollen sich sogar zur Abwehr des ihrem Angreifer entrissenen Speers bedienen und wüthend um sich schlagen. Die überraschende Gewandtheit der Thiere, die Schnelligkeit und Behendigkeit ihrer Angriffe wird vielleicht von kaum einem Raubthiere überboten, vielleicht noch nicht einmal erreicht. Der Besitz der kräftigen, gebrauchsfähigen, klammernden Hand verleiht ihnen außerdem Vortheile, welche kein anderer thierischer Gegner des Menschen im Kampfe mit diesem zur Geltung zu bringen vermag. Meine Ansicht stützt sich auf eine lange Reihe von Beobachtungen, welche ich an Pavianen gemacht habe. Du Chaillu’s Schilderung des angreifenden Gorilla verdient daher in dieser Beziehung Glauben. Schon Schimpansen von zwei bis drei Jahren überwältigen dreifach so alte Knaben ohne sonderliche Anstrengungen und machen selbst einem Manne zu schaffen. Ich glaube deshalb, daß man nur in seltenen Fällen ein oder zwei Jahre alte Menschenaffen einfängt, vielmehr sich einzig und allein an Säuglinge hält und dieser sich bemächtigt, indem man ihre Mutter tödtet.

Wären die Negerinnen oder Dajakinnen ebenso thierfreundlich wie die Indianerinnen Südamerikas, welche jungen Thieren mit gleicher Mutterlust die Brust reichen wie ihren eigenen Kindern und um so stolzer sind, sich um so gehobener fühlen, je mehr junge Thiere sie neben ihren eigenen Kindern nähren können, so würden wir wahrscheinlich weit kräftigere und gesündere Menschenaffen für unsere Käfige erhalten, als dies bis jetzt leider der Fall ist. In der Regel begnügt man sich, den unter die Gewalt des Menschen gelangten Affensäugling einfach mit verschiedenen Waldfrüchten oder mit der Nahrung erwachsener Menschen zu füttern, behandelt ihn nebenbei, nach Negerart, so gleichgültig als möglich und bereitet so dem beklagenswerthen, der Mutterpflege noch höchst bedürftigen Affenkinde ein jammervolles Schicksal. Wie dankbar es später jede ihm erwiesene Zärtlichkeit anerkennt, mit welcher Zuneigung und Hingabe es an einem auf seine Wünsche eingehenden Pfleger hängt, beweisen uns alle verständnißvoll gepflegten Menschenaffen zur Genüge; wie bald es sich nach Kinderart über den Verlust der Mutter tröstet, an das ihm fremde Wesen sich anschließt und in die Rolle eines verhätschelten Lieblings sich einspielt, beweist jeder gefangene Menschenaffe.




Allerlei Lichter im Botendienst.


Es werden demnächst zwei Jahre, daß mir an einem Fenster meines Straßen-Gegenüber ein gar seltsamer Umstand aufgefallen war. Allabendlich zwischen zehn und elf Uhr wechselte ein Fenster des dritten Stockes zeitweise unaufhörlich zwischen Licht und Dunkelheit so schnell, daß es in der Minute wohl dreißig Mal finster und dreißig Mal hell erschien. Als ich die vorher niemals wahrgenommene Erscheinung zum dritten oder vierten Male bemerkte, fing sie an, mich lebhaft zu beschäftigen und ich nahm ein Opernglas, um zu sehen, was denn da drüben eigentlich los sei. Aber das Opernglas machte mir die Sache erst recht unklar. Da saß im Hintergrunde der einfenstrigen kleinen Stube ein junges Mädchen vor einem Tische und senkte ein Hohlgefäß – wie es schien, ein ausgedientes blechernes Quartmaß – alle Augenblicke über die brennende Kerze, so daß sie selbst fortwährend verschwand und wieder auftauchte. In gewissen Pausen ergriff sie den Leuchter mit der Hand und hob ihn in die Höhe. Dieses seltsame Spiel dauerte eine Viertelstunde und länger, erlitt Unterbrechungen und begann oft nach längeren Pausen von neuem.

Nachdem ich mich mehrere Tage mit der Frage herumgeschlagen, was denn das eigentlich zu bedeuten habe, trieb mich eine jedenfalls noch unklare Ahnung zu meinem Zimmernachbar, einem jungen Telegraphenbeamten, mit dem ich auf dem Nachbarfuße stand, um ihn zu fragen, ob das merkwürdige Licht- und Schattenspiel drüben auch bereits seine Aufmerksamkeit erregt habe. Meine Frage jagte eine flüchtige Röthe in seine Wangen; er schüttelte indessen den Kopf und sagte, er werde darauf achten. Mir war bei seinem Erröthen die dunkle Ahnung plötzlich zu einem hellen Lichte aufgeflammt: ihm selbst galt der Licht- und Schattenwechsel; die jungen Leute bedienten sich desselben als einer Sprache, um über die Köpfe der brausenden Menge unten sich mit einander zu unterhalten und ohne Zweifel ihre gegenseitigen Empfindungen auszutauschen.

Mit einer noch lebhafteren Theilnahme stand ich am Abend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_196.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)