Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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Auf der Vorderseite: „Marbach – Stuttgart“.
Friedrich Schiller.
geb. 11. Nov. 1759. gest. 9. Mai 1805.
Auf der Rückseite: „Mannheim“.
„Wie mit dem Stab des Götterboten
Beherrscht er das bewegte Herz;
Er taucht es in das Reich der Todten.
Und hebt es staunend himmelwärts.“
Auf der einen Seite: „Weimar“.
„Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend,
Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.“
Auf der entgegengesetzten Wand: „Jena“.
„Hier ist ewige Jugend bei nimmer versiechender Fülle,
Und mit der Blume zugleich brichst Du die goldene Frucht.“
Bei dem Festessen, an welchem nebst einer großen Anzahl von Ehrengästen
Herr von Gleichen, der Onkel des Verherrlichten, wie die Schwiegertochter
Schiller’s, die Frau des Oberförsters Karl Schiller und deren
Schwiegertochter, die Gattin des Majors von Schiller, Theil nahmen,
fehlte es nicht an schwungvollen Trinksprüchen, Telegrammen aus Nah
und Ferne und fröhlicher Laune. Am Nachmittage hatte sich auf der
Schillerhöhe ein buntes Volkstreiben entwickelt; die Sonne kam sogar für
kurze Zeit hinter der grauen Wolkenschicht hervor, und als der Tag sank,
übergoß das Abendroth den Himmel, die Flur und das Bild auf der
Höhe mit Purpurlicht.
Mutter und Kind – Frau von Estorff und ihre Tochter Agnes
(vergl. Gartenl. 1875. S 472.) haben sich endlich, nach vierzehn
Jahren, wiedergesehen. An dem Tage, an welchem die junge Mutter die
Feier des ersten Geburtsfestes ihres Kindes stillselig vorbereitete, wurde
es ihr und sie ihm entrissen, und als der Reife entgegenblühende Jungfrau
lag dieses Kind beim Wiedersehen in ihren Armen. Der Aufenthalt des
Herrn von Estorff mit seiner Tochter war längst durch die „Gartenlaube“
erforscht, dem edlen Eifer unseres kaiserlich deutschen Gesandten in der
Schweiz, des Herrn Generallieutenants von Roeder, gelang es aber erst
mit Anwendung der ihn auszeichnenden Energie, der Mutter den Weg
zur Tochter zu öffnen. Es läßt sich denken von welcher Sehnsucht vor
dieser Aussicht die so lange unglückliche und noch immer nicht glückliche
Mutter von Mergentheim nach Basel und von Basel nach Vevey am
Genfer See getrieben wurde, wo Herr von Estorff krank darnieder liegt.
„Das Wiedersehen selbst,“ so schreibt uns Frau von Estorff, „dieses Wiedersehen zwischen mir und Agnes war selbstverständlich besonders für mich so erschütternd, wie es sich nur empfinden, nie beschreiben läßt.“ Es war durch die Cantonsbehörde in die Macht des Herrn Gesandten gelegt, der Mutter die Tochter ohne Weiteres zu übergeben, da man aber das Kind, auf dessen Bitte, bei dem kranken Vater vor der Hand noch lassen wollte, um für die Zukunft allen bitteren Gefühlen, die der Zwang verursachen könnte, bei der Tochter vorzubeugen, so wurde durch die deutsche Gesandtschaft ein Vertrag zwischen den geschiedenen Eltern des Kindes festgesetzt, kraft dessen der Vater sich verpflichtete, der Tochter in keiner Weise hinderlich zu sein, den Verhältnissen nach mit der Mutter in steter Verbindung zu bleiben und ihr allmonatlich von ihrem Aufenthalte und Ergehen Kenntniß zu geben; ebenso verpflichtete Herr von Estorff sich, der Tochter eine standesgemäße Erziehung auf seine Kosten geben zu lassen. Frau von Estorff verpflichtete sich dagegen, dem Vater die Tochter, so lange er ihrer Hülfe bedürfe, zu lassen und sie ihm nicht zu entfremden.
Wir dürfen nicht verschweigen, daß der deutsche Gesandte zu den amtlichen Schritten gegen Herrn von E. mehr durch einen Gefälligkeitsbeweis der Cantons-Regierung von Waadtland, als durch einen Rechtsact autorisirt wurde, weil die deutschen Behörden keine Abschrift von den angeblich in Oesterreich verloren gegangenen Original-Urtheilen der deutschen Gerichte gegen Herrn von E. erlangen konnten; ebendeshalb sah sich die kaiserl. Gesandtschaft auf Das beschränkt, was sie diplomatisch zu erreichen vermochte. Am schwersten empfindet Frau von E. den Verlust der Originale der entscheidenden richterlichen Urtheile gegen Herrn von E. in Bezug auf ihr von Herrn von E. ihr vorenthaltenes Vermögen; gerichtlicher Zwang ist aber unter solchen Umständen gegen ihn ausgeschlossen. Der Verlauf dieses Processes vor den österreichischen Gerichten verdient eine strenge Prüfung, welcher wohl ein deutscher Jurist ihn unterzieht; hier haben wir nur bekannt zu machen, daß die österreichischen Gerichte die ihnen von 1862 bis 1869 eingesandten Original-Urtheile, Dokumente, Briefe, Photographien u. dgl. an die deutschen Behörden bis jetzt noch nicht wieder haben zurückgehen lassen.
Der dadurch unwiederbringlich gewordene Vermögensverlust zwingt Frau von Estorff, noch immer die Hoffnung auf eine ihrem sprachlichen und gesellschaftlichen Wissen und Können entsprechende Stellung zu hegen; als Gesellschaftsdame würde sie ihre feine Bildung in höheren Kreisen am besten verwerthen können.
Eine Weckuhr gegen Kohlengasvergiftung im Schlafe. In der
guten, alten Zeit, als die Gifte noch in der Politik eine große Rolle
spielten, führten die Fürsten auf ihren Reisen und Feldzügen Trinkbecher
aus Rhinoceroshorn mit sich, die in dem Rufe standen, sogleich in Stücke
zu zerspringen, wenn Jemand Gift hineinthue. Im Dresdener historischen
Museum befinden sich ein Paar solcher „Giftpokale“, von denen der eine
ein Geschenk der Kurfürstin Magdalena Sibylla an Johann Georg den
Zweiten und der andere ein solches des Leibarztes Dr. Gangland sein
soll. Es war in alten Zeiten doppelt gefährlich, vergiftet zu werden,
denn starb man nicht am Gifte, so konnte man leicht durch die ärztliche
Behandlung um’s Leben kommen; denn diese bestand darin, daß man den
Vergifteten mit den Beinen an die Zimmerdecke hing, damit das Gift
aus Augen, Nase und Mund herauslaufen könnte, wenn man nicht vorzog,
zur Erleichterung dieses Auslaufens dem Kranken auch noch ein Auge
auszustechen, wie es dem nachmaligen deutschen Kaiser Albrecht dem
Ersten geschehen war, als er sich auf dem Reichstage von Nürnberg
(11. November 1295) vergiftet glaubte.
An jene giftwarnenden Becher, die natürlich ebenso wie die erwähnte barbarische Cur dem Gebiete des Aberglaubens angehören, erinnert mich eine elektrische Klingel gegen Kohlengasvergiftung, welche ein englischer Physiker, Ansel, neuerdings empfohlen hat, deren Idee aber, wenn ich mich recht erinnere, von einem deutschen Chemiker herrührt. Dieser getreue Eckhard und automatische Schutzengel der Schlafenden beruht darauf, daß das giftige Kohlengas in ein ringsgeschlossenes Gefäß mit poröser Thonwandung schneller eindringt, als die in demselben befindliche atmosphärische Luft austreten kann. Es entsteht daher in einem solchen Gefäße vorübergehend ein Ueberdruck, der das Quecksilber eines U-förmigen Glasröhrchens aus dem Gleichgewichte bringt und aus dem mit obigem Gefäße in Verbindung stehenden Schenkel in den anderen, freien treibt. Dort steigend schließt es durch Berührung eines über dem Gleichgewichtsniveau befindlichen Platindrahts einen galvanischen Strom, der sofort ein Läutewerk in Thätigkeit setzt, ganz wie bei dem im Jahrgang 1874 dieses Blattes, Seite 813. beschriebenen Alarmthermometer. Wir thun des Apparates als eines Exempels menschlicher Erfindungsgabe Erwähnung, nicht aber weil wir von seiner allgemeinen Einführung die Verminderung der Kohlengasvergiftungen erwarten. Denn hiergegen halten wir ein polizeiliches Verbot aller Ofenklappen für das einfachste und beste Mittel.
Eine deutsche Humanitätsbestrebung im Auslande. Wir sind
immer erfreut. wenn wir über eine frische Bethätigung deutschen Lebens
und Strebens im Auslande berichten können. Hierzu giebt uns diesmal
das an deutschen Elementen nicht arme Antwerpen eine willkommene
Veranlassung. Unsere dortigen Landsleute haben in zugleich nationaler
und kosmopolitischer Humanität zum Besten der Ueberschwemmten in
Deutschland und Belgien am 20. und 22. April im vlämischen Stadttheater
von Antwerpen zwei echt deutsche Stücke. „Hans Lange“ von
Paul Heyse und „Doktor Wespe“ von Roderich Benedix, unter der
Mitwirkung von Frau Polyxena Rocke. Fräulein Toni Jenke und
Fräulein Louise Hagen. Alle von der Mannheimer Hofbühne, zur
Aufführung gebracht.
Es ist ein gewagtes Unternehmen für Theaterliebhaber, auf öffentlicher Bühne neben erprobten und berühmten Künstlern aufzutreten, aber die Antwerpener Dilettanten haben sich, wie uns von kompetenter Seite geschrieben wird, mit seltenem Geschicke, ja mit unbestrittenem Erfolge dieser schwierigen Aufgabe entledigt. Fast die ganze deutsche Colonie Antwerpens wohnte den Vorstellungen bei. Auch mancher Flamländer hatte sich eingefunden. Der Stadtrath sandte einen besondern Deputirten mit dem Auftrage, den Deutschen seine Sympathien für das von ihnen unternommene Werk auszusprechen.
Der Reinertrag der Vorstellungen, zusammen mit den eingesammelten Beträgen, beläuft sich auf ungefähr 2700 Franken, von denen die Hälfte nach Deutschland an die Nothleidenden in Ingelheim und die andere Hälfte für Belgien nach Lüttich an die in dortiger Umgegend durch Ueberschwemmung Heimgesuchten gesandt worden ist.
Zur Beachtung. Der Schluß des Artikels „Die Corruption des amerikanischen Beamtenthums“ erfolgt in der nächsten Nummer.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_376.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)