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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


dem Fünften dasselbe Amt bekleidet hatte und sich wegen seiner seltenen Bildung und staatsmännischen Vorzüge der ganz besonderen Gunst Philipp’s erfreute.

Gonzalo hatte seinen Sohn als seinen Neffen erziehen und auf das Sorgfältigste ausbilden lassen, und die seltene Befähigung Antonio’s hatte seine Bemühungen auf das Beste unterstützt. Dieser war nicht allein durch eine hohe Bildung, sondern auch durch die liebenswürdigste Persönlichkeit und ein einnehmendes Wesen ausgezeichnet und überdies höchst geschickt in der Erledigung diplomatischer Geschäfte.

Gonzalo unterließ nicht, seinen Sohn sowohl dem Fürsten Eboli, wie auch dem Könige vorzustellen, und es gelang dem jungen Perez, sich sofort in die Gunst des Letzteren zu setzen, sodaß, als Gonzalo Perez bald darauf starb, Philipp ihn zum Staats-Secretair und später sogar zu seinem Staats-Minister erhob und sich ganz von Perez’ Rath leiten ließ.

Perez war bei seinem Erscheinen am Madrider Hofe sogleich der vergötterte Liebling der Frauen geworden, und auch die Fürstin Eboli vermochte dem Zauber des jungen Staatsmannes nicht zu widerstehen. Perez aber empfing von der Fürstin den lebhaftesten Eindruck und entbrannte in leidenschaftlicher Liebe für sie. Trotz der großen Gefahren, welche sich mit einem vertraulichen Umgange für die Liebenden verbanden, siegte dennoch die Leidenschaft, und jener entspann sich bald nach ihrer Bekanntschaft. Unter Beobachtung der höchsten Vorsicht und Klugheit bestand dieses Verhältniß eine gewisse Zeit, als der Tod des Fürsten Eboli dasselbe noch mehr begünstigte. Auch hatte sich Perez nach seiner Erhebung zum Staats-Minister vermählt, sodaß dadurch ein etwa laut werdender Argwohn gegen ihn beschwichtigt werden mußte.

Gestützt auf die höchste Gunst des Königs, hielten die Liebenden sich jede Besorgniß fern, ihr Verhältniß könnte jemals dem Könige verrathen werden, auch dünkten sie sich viel zu mächtig und sicher, um nicht überzeugt zu sein, schon durch ihr Ansehen jeden Verdacht, falls man einen solchen gegen sie etwa laut werden zu lassen wagen sollte, sogleich und für immer zu vernichten. Das sich stets gleichbleibende gütige Verhalten des Königs gegen sie bestärkte sie noch mehr in der Ueberzeugung, daß derselbe auch nicht den leisesten Argwohn hegte und sie daher nichts zu fürchten hätten. Diese Sicherheit, sowie seine bevorzugte Stellung verleiteten Perez jedoch bald zur Ueberschätzung seines Werthes und zu anmaßendem Stolze, sowie zu dem Bestreben, durch Glanz und Pracht die Großen Spaniens zu überstrahlen. In seinem mit dem höchsten Luxus ausgestatteten Landhause bewirthete er seine Gäste mit fürstlicher Verschwendung und umgab sich mit allem Pomp, den man nur bei gekrönten Häuptern zu finden gewöhnt ist. Die nächste Folge von allen diesen Ausschreitungen war eine Menge Neider, die er sich schuf und die zugleich seine Feinde wurden und sich mit jenen Personen verbanden, die Perez schon lange wegen der ihm verliehenen Macht und königlichen Gunst haßten. Es waren dies meist Männer aus den alten Adelsfamilien, die sich durch Perez’ stolzes Verhalten gegen sie um so mehr verletzt fühlten, als er nicht einmal einer legitimen Ehe entsprungen und lediglich ein glücklicher Emporkömmling war, dem sie sich unterordnen mußten.

Schon lange keimte in ihnen das lebhafte Verlangen, den verhaßten Günstling des Königs zu stürzen. Bei der Stellung des Perez und seiner Macht war das jedoch eine schwierige Aufgabe, besonders da dieser klug und vorsichtig genug war, keine Schwächen zu zeigen, welche ihnen für ihre Absicht hätten nützen könnten. Aber Haß und Neid ruhen nicht, und so gelang es auch endlich ihren unaufhörlichen Bemühungen, Perez’ Verhältniß zu der Fürstin Eboli zu entdecken. Nach dem Tode ihres Gemahls hatte dieselbe das königliche Schloß verlassen und ein Palais unweit der Kirche Santa Maria bezogen; hier, dem Auge des Königs mehr entzogen und sich freier und sorgloser bewegend, sah sie ihr Verhältniß zu dem heimlich geliebten Manne sehr bald von den nie ruhenden Spähern und Neidern entdeckt. Perez’ Feinde frohlockten über diese Entdeckung; sie sagten sich, daß der König bei seiner großen Zuneigung zu der Fürstin, bei seinem Stolz und seiner Eitelkeit durch diesen Betrug auf das Empfindlichste getroffen werden müßte und daß damit auch Perez’ Sturz nun gewiß wäre.

Es wäre jedoch ein sehr gewagtes Unternehmen gewesen, auf ein bloßes Gerücht hin gegen Perez und die Fürstin vorzugehen; denn es fehlten alle Beweise, welche zu einer offenen Anklage in diesem Falle durchaus nothwendig waren.

So sahen die Feinde des Perez sich gezwungen, zu warten, bis ein glücklicher Zufall irgend einen Vorgang herbeiführte, der ihrem Zwecke entgegen käme. Sehr bald trat ein ganz Madrid in den höchsten Aufruhr setzendes Ereigniß ein, das ihrer Absicht dienen konnte. Seit einiger Zeit befand sich nämlich der Secretair von Philipp’s Bruder – dieser selbst, Don Juan d’Austria, lebte damals in Flandern – zur Erledigung von Staatsangelegenheiten in Madrid; eines Morgens fand man denselben, von mehreren Degenstichen durchbohrt, todt in der Nähe seiner Wohnung liegen. Dieses Verbrechen, an einem Diener von Philipp’s Bruder begangen, mußte um so folgenschwerer erscheinen, als Escobedo – so hieß der Secretair – sowohl bei Hofe wie überhaupt sehr geachtet war. Da man dem Manne überdies nichts Uebles nachsagen konnte, so verbreiteten sich die verschiedensten Gerüchte über die Veranlassung zu seiner Ermordung. Diesen Vorfall ergriffen nun Perez’ Feinde, um, unterstützt von sorgsam gesammelten scheinbaren Beweisen, ihre Absicht auszuführen.

Sie bezeichneten Perez öffentlich als den Urheber dieses scheußlichen Mordes und als Grund dafür die Besorgniß des Perez und der Fürstin, ihr vertrauliches Verhältniß von Escobedo verrathen zu sehen, womit dieser der Fürstin gedroht, nachdem er Kenntniß von demselben erhalten hatte. Nachdem sie dieses Gerücht zu verbreiten bemüht gewesen, traten sie mit einer förmlichen schriftlichen Anklage gegen Perez und die Fürstin hervor, welche sie dem Könige einreichten. Sie begründeten ihre Anklage folgendermaßen: Perez stünde schon seit längerer Zeit mit der Fürstin in einem vertrauten Verhältniß; Escobedo, mit dem verstorbenen Gemahl der Fürstin befreundet, hätte jenes zufällig entdeckt, sei darüber in hohem Grade entrüstet gewesen und habe der Fürstin Vorstellungen deshalb gemacht und sich bemüht, sie zum Aufgeben desselben zu bewegen, da dasselbe die Ehre ihres verstorbenen Gemahls befleckte. Seine gute Absicht sei jedoch von der Fürstin sehr übel aufgenommen und er mit den hochmüthigen Worten abgewiesen worden: „daß Kammerdiener nicht darein zu reden hätten, was vornehme Frauen thäten.“

Escobedo, durch eine so schnöde Antwort tief verletzt, aber auch von der wohlmeinenden Absicht erfüllt, dem übeln Treiben der Fürstin ein Ende zu machen, hätte darauf gedroht, dem Könige dasselbe zu verrathen, wenn sie davon nicht lassen würde. Die Folge dieser Drohung sei nicht nur die heftigste Feindschaft zwischen dem Secretair und der Fürstin gewesen, sondern Escobedo habe diese auch auf Perez, den Theilnehmer des Vergehens, übertragen. Aber es habe damit nicht sein Bewenden gehabt, sondern Perez sowohl wie die Fürstin, von der Besorgniß erfüllt, Escobedo könne seine Drohung wirklich ausführen, hätten den Entschluß gefaßt, den Secretair so rasch wie möglich zu beseitigen, um sich die angedrohte Gefahr fernzuhalten. Zu diesem Behufe habe Perez seinem vertrauten Haushofmeister den Befehl gegeben, Escobedo bei einem in seinem Hause gegebenen Gastmahle zu vergiften. Dies sei jedoch mißlungen, so auch andere ähnliche Versuche, sodaß Perez endlich befohlen, Escobedo niederzustechen.

So lautete die Anklage, welche feindliche Rachsucht ersonnen.

Der König kannte das Gerücht, das Perez als den Anstifter des Mordes bezeichnete. Er hatte auch mit Perez, der sich darüber bei ihm beklagte, gesprochen und ihn dieserhalb beruhigt, aber dennoch blieb die Anklage nicht ohne Wirkung. Denn kaum hatte Philipp die veranlassende Ursache zu dem Morde – Perez’ vertrauliche Beziehungen zu der Fürstin – aus der Anklage entnommen, als sein Zorn gegen seine Günstlinge in hellen Flammen ausbrach. Wenige Stunden schon nach Empfang der Anklage ließ er Perez verhaften und gegen denselben eine Untersuchung wegen Escobedo’s Ermordung einleiten. Man wird aus dieser Maßnahme die ganze Wuth des Königs gegen Perez entnehmen, wenn man erfährt, daß Escobedo lediglich auf Befehl des Königs ermordet und Perez damit beauftragt worden war.

Dies hing so zusammen: Perez hatte vom päpstlichen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_435.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)