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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Eigenthum der deutschen Künstler und Kunstfreunde wurde. Unser Gesandte, Herr von Keudell, ließ zum Schutze gegen unbefugtes Betreten von Weidevieh eine staggionata (Umzäunung) darum ziehen, die indessen in keiner Weise störend wirkt. Ein Pächter in Uniform mit dem deutschen Wappen auf der Brust schützt das Heiligthum unserer Künstler vor jeglichem Frevel. Um aber dieses kleine Eigenthum deutscher Nation in den allerbesten Händen zu wissen, baten die Erwerber unseren hochverehrten Kaiser Wilhelm, dasselbe als Schenkung anzunehmen, der denn das Ersuchen freundlich gewährte und sofort die fernere Erhaltung und Bewachung der Serpentara durch einen Wächter verfügte, denn ein solcher thut allerdings sehr noth im Lande Italien. Unsere Serpentara – so nennen wir sie gern in patriotisch gehobenem Gefühl – mißt übrigens nur achtundzwanzigtausendundvierzig Quadrat-Meter und ist mit nur etwa hundert Eichen bestanden, allein die herrlichen auf ihrem mageren Grund langsam, gedrungen und in markigster und dennoch zierlichster Form gewachsenen, nicht sehr hohen Bäume bieten dem suchenden Auge des Künstlers immerfort Neues, Ueberraschendes, Schönes; sie geben eine unerschöpfliche Fundgrube vortrefflichster Einzelstudien, und wie die Lorelei am Rhein den Schiffer, lockt die Serpentara den deutschen Künstler. Betrachten wir die so großartig zu unseren Füßen sich ausbreitende Landschaft, welche in der Form und der satten südlichen Farbe wie für den Maler geschaffen ist, betrachten wir den gewaltigen Felskamm, der sich in die Tiefe stürzt, das hoch auf dem Felsen ragende Civitella, das malerische Olevano und die anmuthigen Linien der Volskerberge, so müssen wir den scharfen Künstlerblick eines Koch bewundern, des Entdeckers dieser italischen Pracht und Herrlichkeit,[1] dessen Manen befriedigt auf die That Kanoldt’s niederschauen, die zu künden man uns nicht tadeln wird.

Edmund Kanoldt, ein Künstler in den dreißiger Jahren, zählt zu den tüchtigsten Schülern Preller’s. In seinen Bildern tritt unverkennbar jener ideale Zug hervor, den wir bei seinem Meister bewundern und welcher unerläßlich ist, um der classischen Landschaft jene Vollendung zu geben, durch welche sie sich vor dem Stimmungsbilde und der bloßen „Ansicht“ auszeichnen soll. Aus Kanoldt’s Mappe, die er mit fleißigen und interessanten Studienblättern, außer in Olevano und in der Serpentara, in der römischen Campagna, dem Sabinergebirge, in den Abruzzen, in Apulien, in der Basilicata und in Calabrien bei mehrjährigem Aufenthalte in Italien füllte, werden eine große Anzahl Bilder dem Publicum in Erinnerung sein, die im Prachtwerke „Italien“ (Stuttgart 1875), in der „Leipziger illustrirten Zeitung“ und anderswo durch den Holzschnitt zur Vervielfältigung kamen. Ein großes Oelbild von Kanoldt: „Eichen im Winde“, schuf der Maler nach Motiven einer Landschaft bei Olevano; wir erwähnen desselben, weil es in der Concurrenz des deutschen Künstlervereins in Rom den Preis erhielt und für die Erxleben’sche Stiftung angekauft wurde. Ein größeres Oelbild Kanoldt’s ist im Besitze der Frau Seeburg in Leipzig; ein anderes befindet sich in Moskau in Privathänden, wo der Künstler vor seiner Uebersiedelung nach Karlsruhe einige Zeit lebte.

Gern erkennen wir Kanoldt’s That an, durch Energie und rastlosen Eifer „des Malervolkes wahren Himmel“, die Serpentara, gerettet und hoffentlich für alle Zukunft dem deutschen Künstler erhalten zu haben.V.     


  1. Auch Scheffel rühmt in seinem „Abschied von Olevano“ (Gaudeamus V)
         „– der Serpentara kühne, immergrüne Eichenpracht.“

Erleichterungen beim Telegraphen-Verkehr. Seitdem Post und Telegraphie im Deutschen Reiche zu einer Verwaltung verschmolzen sind, werden dem Publicum mannigfache Vortheile geboten, welche die Benutzung beider Verkehrsmittel wesentlich erleichtern. Mehr und mehr hört die räumliche Trennung der Post- und Telegraphen-Aemter auf, und man kann bereits bei vielen dieser Verkehrsanstalten sowohl Postsendungen wie auch Telegramme einliefern, was namentlich für die Bewohner großer Städte, wo die Entfernungen beträchtlich sind, eine erhebliche Ersparung an Zeit und Mühe ist. Zwei neue Einrichtungen der deutschen Verkehrsverwaltung verdienen aus denselben Gesichtspunkten hier besonders hervorgehoben zu werden, zumal sie noch wenig bekannt geworden sind.

Wer ein Telegramm empfängt, ist häufig genöthigt, sofort telegraphisch zu antworten. Wenn er nun eines eigenen Boten entbehrt, so besorgt ihm auf sein allerdings unmittelbar nach dem Empfange der Depesche auszudrückendes Verlangen der überbringende Telegraphen-Unterbeamte die Depesche zu dem Verkehrsamte. Die Telegraphenboten sind verpflichtet, fünf Minuten lang auf die Ausfertigung eines Telegramms zu warten, auch über die Gebühren etc. Auskunft zu geben und sodann die Depesche zur Telegraphen-Anstalt mitzunehmen. Außer den Gebühren für das Telegramm sind für diese Dienstleistung nur zehn Pfennige an den Boten zu entrichten.

Eine andere Einrichtung verspricht besonders in der Reisezeit einen nicht zu unterschätzenden Vortheil für das mit Bahnzügen reisende Publicum. Seit Kurzem werden nämlich von den sämmtlichen Bahnposten der Reichspost – wie solche sich fast in jedem Zuge befinden – unterwegs Telegramme angenommen und an die nächsten Telegraphen-Anstalten weiter befördert. Die Bahnpost, welche durch die Aufschrift „Kaiserl. Deutsche Reichspost“ auf den Postwaggons oder durch die Bezeichnung „Post“ mit einem Briefmodell darunter in den Bahnzügen kenntlich und daher leicht aufzufinden ist, nimmt die Telegramme jedesmal nach derjenigen Station mit, von welcher die Beförderung nach dem Bestimmungsorte am schnellsten erfolgen kann. Man hat daher nur einfach eine Postkarte zu nehmen, das Telegramm darauf auszufertigen und solches der Bahnpost im Zuge zu übergeben. Die Bezahlung der Gebühren erfolgt entweder baar oder kann durch Aufkleben von Postfreimarken bewirkt werden. Selbst solche in den Briefkasten der Bahnpost gelegte Telegramme, für welche die Gebühren nicht voll bezahlt sind, befördert die Bahnpost gleichwohl unverzögert; die Nachtaxe wird vom Empfänger eingezogen.

Erwägt man, wie oft unterwegs die Nothwendigkeit sich ergiebt, in wichtigen Fällen Versäumtes durch ein Telegramm nachzuholen und wie andererseits die Telegraphen-Aemter auf den Bahnhöfen bei Zügen, die kurze Haltestellen haben, wie die Schnellzüge, nur schwer oder unter Gefahr des Zurückbleibens zu erreichen sind, so wird der große Nutzen, welcher aus dem Vorhandensein einer bequemen Annahmestelle für Telegramme bei den Bahnposten für das reisende Publicum hervorgeht, von selbst einleuchten.

Eine weitere Verkehrserleichterung ist am 1. Juni 1876 in’s Leben getreten, indem es von diesem Zeitpunkte ab gestattet ist, Geldbeträge, welche telegrafisch überwiesen werden sollen, unmittelbar bei den Reichs-Telegraphen-Aemtern einzuzahlen, während dies früher nur bei den Postämtern zulässig war. Die Einrichtung ist nach dem Grundsatze: „Zeit ist Geld“ als Fortschritt anzusehen, der ebenfalls dem Publicum zu Gute kommt.G. T.     


Billiges Fleisch aus überseeischen Ländern. Die alte, durch Liebig’s Fleischextract doch nur sehr unzureichend gelöste Aufgabe, die unermeßlichen Viehweiden Südamerikas und Australiens für das bedürftige Europa nutzbar zu machen, ist gegenwärtig von drei verschiedenen Richtungen her in erfolgreichen Angriff genommen. Der eine Lösungsversuch des Problems, frisches Fleisch unverdorben über den Ocean zu bringen, gründet sich auf die von der neueren Physik geschaffene Möglichkeit, ohne großen Kostenaufwand dauernde Frosttemperatur in allen mit Fleisch beladenen Räumen eines Transportschiffes erhalten zu können. Es ist hier zuvörderst zu bemerken, daß Verpackung des Fleisches in Eis den beabsichtigten Zweck nicht erfüllt; erst vor Jahr und Tag verdarb eine ganze Schiffslast in Eis verpackten australischen Fleisches, ehe sie den Ort ihrer Bestimmung erreichte. Es ist eben trockene und stärkere Kälte nöthig, als schmelzendes Eis gewähren kann. Der Wunsch, das während der Belagerung von Paris öfter im Ueberfluß vorhandene Pferdefleisch für längere Zeit vor dem Verderben zu bewahren, führte damals den Physiker Tellier dazu, Kältekammern einzurichten, in denen die Temperatur durch zweckmäßige Verdampfung von Methyläther beständig mehrere Grade unter Null erhalten wird. Da dieselben sich sehr gut bewährten, um Fleisch ohne irgend welche Präparation mehrere Monate frisch zu erhalten, so hat er neuerdings nach seiner Methode ein großes Dampfschiff von neunhundert Tonnen zu einem Frostmagazin (Frigorifique) umgestaltet, welches inzwischen wohl seine Probefahrt angetreten haben wird und gleichzeitig bestimmt ist, kühl zu haltende Delicatessen der alten Welt (Biere, Weine, Gemüse, Obstarten etc.) über den Aequator zu schaffen. – Aehnliche bauliche Einrichtungen würde ein Fleischerhaltungsverfahren beanspruchen, welches die Pariser Physiker Paul Bert und Alvaro Reynoso im vergangenen Jahre entdeckt und zuerst probirt haben, und welches darin besteht, das frische Fleisch unter einem sehr erhöheten Luftdrucke in gasdichte Behälter einzuschließen. Die Genannten haben nämlich gefunden, daß in verdichteten Gasen aller Art die Fäulniß vollkommen unterbleibt, und ein Rinderviertel, welches am 20. September vorigen Jahres in einen derartigen Behälter eingeschlossen worden war, wurde am 27. März dieses Jahres so wohlerhalten daraus hervorgezogen, daß es ohne Beanstandung als frisches Fleisch hätte verkauft werden können. Das Fleisch scheint in der verdichteten Luft sogar „den Weg alles Fleisches“ halb und halb zu vergessen, denn nachdem es eine Weile in dem Behälter zugebracht, widersteht es, herausgenommen, auffallend lange dem Verderben. Man sollte denken, daß es nicht schwer sein könnte, aus Metall umfangreiche luftdichte Räume für den Transport größerer Lasten herzustellen, und daß ein solches Verfahren vortheilhafter sein müßte, als beständige Abkühlung. – Am schnellsten hat sich die Praxis eines dritten Verfahrens bemächtigt, welches auf der fäulnißwidrigen Kraft der borsauren Salze beruht und erst im vorigen Jahre von dem Chemiker A. Herzen in Florenz bekannt gemacht worden ist. Derselbe fand nämlich, daß Fleischstücke, die man ohne besondere Vorsichtsmaßregeln in eine saure Boraxlösung eingelegt hatte, nachdem sie zwei tropische Seereisen mitgemacht, nach dem Abwaschen und Kochen oder Braten eine prächtige, gesunde Speise lieferten. Es hat sich sogleich eine Gesellschaft gebildet, die aus Südamerika so präparirtes Fleisch nach Frankreich und Belgien einführt und bereits einen wohlerhaltenen Transport erhalten hat. Man läßt das Fleisch der frischgeschlachteten und geviertheilten Thiere in Buenos-Ayres 24 bis 36 Stunden lang in einer Auflösung von 8 Theilen Borax, 2 Theilen Borsäure, 3 Theilen Salpeter und 1 Theile Kochsalz in 86 Theilen Wasser liegen und packt es dann in Fässer. Der Salpeter- und Salzzusatz hat sich zur Erhaltung der rothen Farbe günstig erwiesen, doch ist natürlich von keiner Pökelung die Rede. Vor der Zubereitung wird es gut gewässert, um die übrigens fast geschmacklose und unschädliche Boraxmischung zu entfernen, und im Uebrigen wie frisches Fleisch behandelt. Für beide Erdtheile dürfte damit ein bedeutsamer nationalökonomischer Fortschritt angebahnt sein, für den einen durch Verwerthung eines bisher fast werthlosen Naturproductes, für den andern durch billige Beschaffung des werthvollsten Nahrungsmittels.C. St.     


Julius Otto-Bund. In Dresden wurde am 6. Mai zu Ehren des Componisten Julius Otto – weltbekannt ist sein Lied „Das treue deutsche Herz“ – bei Gelegenheit seines Jubiläums und Rücktrittes vom Amte durch die bedeutendsten Gesangvereine Dresdens unter Vortritt der „Liedertafel“ ein Bund gegründet, welcher den Namen „Julius Otto-Bund“ führen und die ihm beigetretenen Vereine jährlich zweimal zu gemeinsamem und Wettgesange vereinigen soll. Der gefeierte Jubilar, Sängervater Otto, war zugegen und leitete die Hauptgesänge.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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