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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

überall ungesund, und es ist daher für den Fremden rathsam, nur im Winter die Insel Sardinien zu besuchen.

Es war ein Sonntag bei unserer Ankunft in Sassari, dieser zweitgrößten Stadt Sardiniens. Bald nach dem vortrefflichen Dejeuner im „Hotel Bertrand“ an der Piazza Castello, wo wir uns einquartiert, machten wir uns auf, Sassari zu besichtigen. Die Bewohner der Stadt haben schon längst das Costüm ihrer Heimath mit der modernen französischen Tracht vertauscht. In der Hauptstadt des Landes, in Cagliari, fanden wir später das Gegentheil. Dort trugen sich, im Mittelstande wenigstens, noch Viele in der Tracht der Sarden.

Die Sassaresen können, wie ihre ganze Stadt, wenig Interessantes bieten. Aber heute, als an einem Sonntage, waren Landleute massenhaft in der Stadt; sie durchzogen die Straßen Sassaris theils zu Pferde, theils zu Fuße. Im Gegensatz zu den schon oben beschriebenen Costümen der Männer, die fast immer dieselben sind, fielen die Trachten der Frauen durch ihre Verschiedenheiten und zum großen Theile schreienden Farben auf. Die Kleidung der Frauen von Osilo ist mit Recht als eine der schönsten bekannt. Dieselben tragen einen rothen Unterrock, eine vorn offene rothe Jacke und ein hellblaues Mieder, das mit Silberfäden geschlossen ist; auf dem Kopfe haben sie einen hellen Schleier von Flor. Nicht minder schön kann man auch das Costüm der Frauen von Ploaghe nennen, welches höchst malerisch ist. Dieselben trugen dreifarbige Röcke und zwar unten blau, in der Mitte schwarz und oben roth. Eine rothe Jacke mit geschlitzten Aermeln, ähnlich denen der Mexicanerinnen, ließ das faltige weiße Hemd hervorquellen. Ihr Kopfputz bestand aus hellblauem Stoffe, auf welchem ein gelbes Kreuz aufgenäht war. Die Costüme der sardischen Frauen sind von unendlicher Mannigfaltigkeit; ich führte hier nur die in Sassari am meisten auffallenden an. Auf einer Tagereise kann man eine ganze Masse verschiedener Frauentrachten bewundern.

Unter all’ diesen Beobachtungen war uns der Nachmittag ziemlich schnell und angenehm vergangen. Andern Tages zeigte sich Sassari jedoch bedeutend langweiliger, und es unterschied sich auf seinen Hauptverkehrsadern durch nichts von einer Stadt des italienischen Festlandes. Nur etwas war stark in die Augen fallend und originell, die unzähligen, winzigkleinen Esel, welche den Sassaresen das Wasser zutragen. Diese Thiere tragen je zwei kleine lange Fässer, welche an einen Holzpack befestigt sind, der auf dem Rücken der Langohre liegt. Den ganzen Tag gehen sie mit ihren Führern zu den zwei Brunnen Sassaris, deren einer, der größte, die „Fontana del Rosello“, immer belagert ist von einer ganzen Anzahl Esel, die gar oft in edler Einigkeit ihr trauriges Schicksal in herzzerbrechenden Tönen dem Himmel klagen. Von da aus tragen sie in fleißig trippelndem Schritte das Wasser in alle Theile der Stadt. Wird ein Fäßchen heruntergenommen, so stützt der Führer unter das andere das Marterinstrument der Esel, den Stock, damit das Thierchen, dessen einer Vorderfuß bei dieser Gelegenheit in die Höhe gebunden ist, nicht das Gleichgewicht verliere und umfalle. Das übrige Leben an dieser Fontana del Rosello, Pferde, die da getränkt werden, Frauen, die ihren Bedarf an Wasser in Krügen holen, und was sonst noch Alles, machten mir diesen Platz, zunächst dem Markte, während meines Aufenthaltes in Sassari zu einem Lieblingsaufenthalte.

Regelmäßig Morgens besuchte ich den Markt in Sassari. Die Baulichkeiten bieten nichts des Interessanten. Es ist ein mittelgroßer mit Arcaden umgebener Platz, unter welchen Verkäufer von allerlei Lebensmitteln ihre Plätze haben. Mitten auf dem Platz wird das vom Lande hereingebrachte Gemüse, Früchte etc. auf der Erde feilgeboten.

Das Alles war es aber weniger, was mich anzog. Mein Lieblingsplatz war außerhalb des eigentlichen Verkaufsmarktes. Vor dem Markt, zu dem große Thore führen, waren an Schragen oder zu diesem Behufe in die Mauer eingelassenen Ringen die Pferde der Landbewohner angebunden. Wagen giebt es wenige; der größte Theil der Bauern bringt seine Erzeugnisse auf Pferden. Manch schönes Thier, dem man seine edle Abkunft ansah, befand sich unter den Pferden. Das in Sardinien sogenannte sardische Pferd ist andalusischer Abkunft, jedoch etwas kleiner und härter als seine Stammeltern. Die schöne lange Mähne, der bis zur Erde herabhängende Schweif und das leicht gebogene Nasenbein lassen seine Ahnen erkennen. Eine kleine Art von Pferden sind die Achettone, welche früher auf der Insel waren, ehe die spanische Race eingeführt wurde, so daß eigentlich diesen der Name „sardisches Pferd“ gebührte, den jetzt ausschließlich die von spanischer Abkunft führen. Bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts gab es in Sardinien noch eine Race wilder Pferde, von sehr kleiner Figur. Diese Thiere ließen sich jedoch nie zähmen.

Bunt durcheinander standen da auf dem erwähnten Platze die Pferde, und ich konnte mein Skizzenbuch reichlich füllen. Hier und da sah man auch einen Ochsen mit riesigem Sattel, da diese Thiere in Sardinien theilweise auch zum Tragen und Reiten verwendet werden.

Die mitgebrachten Vorräthe sind verkauft. Es naht die Stunde, wo das Leben auf dem Marktplatze aufhört. Einer nach dem Andern kommt, schaut nach seinem Thier, dann schwingt er sich in den Sattel, und stolz zu Pferde sitzend trabt er ab. Nie habe ich Männer gesehen, welche schöner reiten, als die Sarden. Ich kenne so ziemlich alle Reitervölker bis hinauf zum Beduinen der Wüste, aber Keiner reitet so schön, wie der Sarde. Stolz und ernst sitzt er in bewunderungswürdiger Haltung auf seinem Pferde, welches er, wenn es selbst der älteste Gaul ist, zur schönsten Gangart zwingt.

In der Nähe der oben erwähnten „Fontana del Rosello“ befindet sich ein kleines Local, wo ebenfalls Pferde untergebracht werden und ein guter sardischer Wein zu haben ist. Von da aus theilen sich zwei Landstraßen nach verschiedener Richtung. Dorthin lenkte ich denn oft meine Schritte, wenn sich das Getümmel des Marktes zu lösen begann. An diesem erwähnten Local trafen die meisten der Landleute zusammen. Dann trennte sich Trupp um Trupp, und indem die Männer erst im Trabe dahinritten, bildete sich oft durch die Anregung irgend Eines, der sein Pferd zu schnellerer Gangart zwang, ein Wettreiten daraus. Wild jagten dann die Andern nach. Die Riemen sausten klatschend nieder auf die Thiere; der Sporn wurde auf das Schulterblatt gegeben, und dahin ging es, daß bald nur noch eine Staubwolke zu sehen war. Nur schwach noch tönten die Jauchzer der aufgeregten Reiter zu mir herüber, dann war Alles hinter einem Hügel verschwunden. Goldig schimmerte der Staub in der Sonne; leise, leise senkte er sich wieder auf die Straße und auf die an derselben wuchernden Aloen und Cacteen. Bald wurde er jedoch wieder emporgewirbelt von einer neuen Reiterschaar, Wenn aber die letzten der Reiter davon gesprengt waren, dann herrschte wieder die schöne, sonnige, feierliche Ruhe.

Ich aber lenkte meine Schritte zum Hotel, zum Diner, denn die Arbeit bei diesem gehörte, dank der Fürsorge des freundlichen Monsieur Bertrand, ebenfalls zu meinen Lieblingsbeschäftigungen in Sassari.

Albert Richter.


Der deutsche Béranger.
Eine Skizze nach handschriftlichen Mittheilungen.

„Wir hatten die Romantik so recht eigentlich gepachtet und sogen sie mit jedem Athemzuge ein,“ sagte uns vor längerer Zeit ein hochbetagter Berliner Freund, der, selbst literarisch thätig, in den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Säculums jenem Dichterkreise von Spree-Athen angehört hatte, in welchem der mystisch-katholische Eichendorff, der nordisch-reckenhafte Fouqué und der kosmopolitisch-philosophische Chamisso den Ton angaben.

„Die Romantik gepachtet!“ Diese humoristisch gemeinten Worte des Alten – nun schläft er längst bei den Todten des Jerusalemer Friedhofes zu Berlin – tauchten lebhaft vor unserer Erinnerung auf, als uns neulich vergilbte Papiere durch die Hand glitten, welche die Schriftzüge eines der hervorragendsten Vertreter jener Zeit der Berliner Troubadoure tragen. Es waren Erinnerungsblätter an und von Franz von Gaudy,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_487.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)