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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Presse „die fünfte der verbündeten Mächte“ und that lange vor der Wirksamkeit des ihm feindlichen „Rheinischen Merkur“ die Aeußerung: „Vier feindliche Zeitungen thun mehr Schaden als vierhunderttausend Mann im offenen Felde.“ Und doch was war die Presse jener Zeit im Vergleiche zu derjenigen unserer Tage! Heute ist sie die Schule der Erwachsenen, großartig in ihrer technischen Entwickelung, unberechenbar mächtig in ihrem Wirken, das stärkste Verkehrsmittel des Ideenaustausches der Völker, der Sammelplatz tüchtiger Geister und der Lehrer und Erzieher des Volkes. Einen der hervorragendsten Publicisten und Redacteure der deutschen Presse führen wir dem Leser in Bild und Schrift vor, Einen aus der großen Zahl der Streiter, einen Mann, der aus der ungezählten Menge bekannter und anonymer Journalisten hervorragt, dessen Ruf weitverbreitet ist, und dem dankbare Anerkennung für sein Wirken von der Mitwelt geschenkt wird.


Michael Etienne.


Am 2. Februar dieses Jahres feierte man in Wien zu Ehren des Herausgebers und Chef-Redacteurs der „Neuen Freien Presse“, Michael Etienne, ein glänzendes Fest, an welchem Tage Etienne, noch nicht fünfzig Jahre alt, ein Vierteljahrhundert seines unermüdlichen Schaffens als Journalist und Schriftsteller beendet hatte. Das Fest galt einem Helden der Feder, einem Manne, der fünfundzwanzig Jahre lang mit der ganzen Macht seines Geistes, mit der vollen Wärme seines Herzblutes Tag für Tag auf dem politischen Schlachtfelde für die höchsten Güter der Menschheit, für die geistigen und materiellen Interessen seiner Mitbürger gekämpft, zur Hebung der politischen Volksbildung in Oesterreich wesentlich beigetragen, unter den ungünstigsten Verhältnissen, unter dem Drucke des Absolutismus das Lehramt von der Tribüne der Zeitung geübt und sich als ein Schöpfer der großen Presse in Oesterreich ein außerordentliches Verdienst erworben hat. Zahllos waren die Beweise der Sympathie und Verehrung, welche dem Jubilar an seinem Ehrentage von seinen schriftstellerischen Collegen,[1] von der Stadtgemeinde, den Körperschaften, den Kunstinstituten Wiens, von Staatsmännern, Gelehrten, Dichtern und Künstlern, dem Vororte des deutschen Journalistentags, den bedeutendsten Journalen des deutschen Reiches, in Form von Adressen, literarischen Festgaben, in Versen und Prosa, und Beglückwünschungsschreiben dargebracht wurden. Wir übernehmen daher eine dankbare Aufgabe, wenn wir im Nachstehenden den Lesern der „Gartenlaube“ ein Bild von dem Leben, Wesen und Wirken des gefeierten Mannes bieten.

Michael Etienne (geboren in Wien am 21. September 1827) ist bekanntlich der Sohn Claude Etienne’s und Therese Hugelmann’s, eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter. Dieser Umstand wirkte entscheidend auf seine Erziehung und Ausbildung. Frühzeitig beherrschte er beide Idiome und wählte sich, ein Jüngling noch an Jahren, den Beruf eines Vermittlers der Literaturen beider Völker. Mit sechszehn Jahren lieferte er eine treffliche Uebersetzung eines Romans der George Sand, und von 1843 bis 1850 eine ganze Reihe von Bänden deutscher Uebersetzungen der Romandichtungen von Alexander Dumas und Eugen Sue für Hartleben’s „Lesecabinet“, sodaß man nicht zu viel behauptet, wenn man sagt, daß ein großer Theil des österreichischen und deutschen Lesepublicums die sensationellen Werke der genannten Romanciers durch Etienne vermittelt erhielt. In belletristischen Zeitschriften erschien er

  1. Bei dieser Gelegenheit wollen wir einen unliebsamen Druckfehler berichtigen, welcher sich in unserer dem Jubelfeste vorangegangenen Notiz findet (Gartenlaube Nr. 5). Dort ist von der Ehrengabe der Redaction der „Neuen freien Presse“, einem Schreibzeuge, in Silber und Gold künstlerisch ausgeführt, im Werthe von hundert Gulden die Rede. Es soll an der betreffenden Stelle heißen: „von tausend Gulden“.
    Die Redaction.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_501.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)