Seite:Die Gartenlaube (1876) 589.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Sprünge und Verrenkungen gestehen müssen, daß seine Grazie und Gewandtheit nur Stümperei sei gegen die zünftigen Fechtersprünge.

Nach dieser fast burlesken Einleitung ertönt seine Aufforderung, mit dem Fechten zu beginnen. „Jedoch,“ so warnt er nach Fechterordnung, „sollten etliche Gesellen vorhanden sein, welche Haß, Feindschaft oder Neid auf einander haben aus alter Zeit, so sollen sie selbigen hier abthun, auch nicht aus Neid oder Mißgunst auf einander schlagen, sondern aus ritterlicher Kunst fechten, ohne Gift und Groll, wie es der Brauch, und somit:

Heb’ auf, geh’ nit lang umleiern,
Rüst Dich und laß die Wehr nit feiern!
Wohl her, wohl her, frisch, frei zu mir
Und zwägst Du mir, so schir ich Dir!
(Und wäschst Du mich, so scheer’ ich Dich!)“


Fechten mit dem Dussak.
Aus Joachim Meyer’s Fechtbuch von 1570 facsimile nachgebildet.


Mit diesem poetischen Spruche aber ist Apollo bei den Fechtern noch nicht abgethan. Jeder hervorspringende Geselle, Marxbruder sowohl wie Federfechter, wirft seinem Gegner einen Trutzreim entgegen, und daß derselbe oft derbster, nicht immer wiederzugebender Art ist, liegt im Geschmacke jener Zeit.

Es scheint heute eine „große, das heißt heiße Schul“ werden zu sollen. Trotz der Aufforderung, jeden Privatstreit hier zu vergessen, gährt es arg zwischen den zwei Bruderschaften. Drohende Blicke fliegen hin und her; Trutzreime erschallen schon jetzt über den Platz, und die beiden Rathsherren, einen stürmischen Ausgang voraussehend, winken schon jetzt den Platzwärteln, die ledernen Dussake zum Auseinandertreiben des Volkes bereit zu halten. Dem Fechtmeister aber dünkt eine nochmalige und zwar ernste Ansprache nothwendig. Warnend ruft er den aufgeregten Parteien zu:

Der Tod ist gewiß, ungewiß der Tag,
Die stund auch niemand wissen mag.
Drum fürcht Gott und denk darbei,
Daß jede stund die letzte sei!

Den Messerer (Messerschmied) aber, welcher jetzt hervortritt und mit kräftigem Arme das emporgeraffte Schwert durch die Luft schwingt, scheint der ernste Spruch nicht zu kümmern. Er ist Federfechter und ruft den Marxbrüdern zu:

Ich bin ein Kaufmann; klein ist mein Gewinn;
Schläg und Stöß, die geb ich hin.
Streich und Püff nehm ich davon;
Mit eisernem Flederwisch kehr’ ich den Staub darvon.
Schwing Dich, Feder, sieh, wie man thut,
Schreib gern mit Dinten, die sieht wie Blut!

Der ihm mit dem Langschwert entgegenspringende Marxbruder, ein Kürschnergesell, ist galanter Natur, und zweifelsohne hat der Trutzreim, den er dem Gegner zuruft, seine gute Bedeutung:

Ein schönes Maidlein hab ich gefunden;
Die hat mir meinen Kranz gebunden
Und dermalen mich fleißig gebeten,
Ich sollt ihn keinem Federfechter geben.
Mit ihm zu streiten bin ich bereit –!
Frisch her und dran, denn es ist Zeit.

Während Kürschner und Messerer in gewaltigen Hieben und kunstvollen Paraden ihre Kräfte messen, und zwar:

Daß es zusammen ging kling kling,
Ein zwitzert (klirrend, schmetternd) Schwert an’s andre ging,
Knopf an Knopf zu beiderseits,
Faust gegen Faust, Kreutz gegen Kreutz,

springen vom entgegengesetzten Ende des Platzes zwei andere Kämpen gegeneinander. Der eine, Schuhknecht und Federfechter, nimmt das Maul gar voll:

Frisch her, Ihr Marxbrüd’, zu mir g’schwind,
So viel als Eurer zu Nürnberg sind!
Mit Euch zu fechten steht mein Begier;
Drum hebt auf und fecht tapfer mit mir!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_589.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)