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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


da, wie von Geisterhand hervorgerufen, mit seinem goldig verklärenden Scheine. Und doch hatte Wanda mit der ganzen Leidenschaft und Energie ihres Charakters dagegen gekämpft. Sie hatte Trennung und Entfernung zwischen sich und den Mann gestellt, den sie hassen wollte, weil er nicht der Freund ihres Volkes war, hatte in dem jetzt wieder so wild aufflammenden Streite der beiden feindlichen Nationen ihre Rettung gesucht – was nützte all’ das verzweiflungsvolle Kämpfen, der Sieg war ja doch nicht errungen worden. Jetzt, galt es keinen Traum und keine Selbsttäuschung mehr. Sie wußte jetzt, welch ein Zauber es gewesen war, der sie damals auf dem Buchenholm umfangen, dessen halb zerrissene Fäden jene Stunde am Waldsee auf’s Neue und diesmal unzerreißbar geknüpft hatte – sie kannte endlich die Schätze, welche ihr die alte Wunderstadt gezeigt, nur auf flüchtige Minuten, um sie dann wieder mit sich hinabzunehmen in die Tiefe. Nur in Einem hatte die Sage wahr gesprochen: die Erinnerung wollte nicht verlöschen, das Sehnen nicht schweigen, und mitten hinein in Haß und Streit, in Kampf und Widerstand klang es süß und geheimnißvoll wie der Glockenklang Vinetas aus dem Meeresgrunde. – – –

Wanda erhob sich langsam. Der furchtbare Widerstreit in ihrem Innern, der Kampf zwischen Pflicht und Liebe war zu Ende. Die letzten Minuten hatten ihn entschieden. Sie eilte nicht zum Schreibtische, und die Feder blieb unberührt. Es galt keine Nachricht und keine Warnung mehr, sie schob nur den Riegel von der Thür zurück, und in der nächsten Minute rief der helle, scharfe Laut der Klingel den Diener herbei. Gräfin Morynska stützte sich auf den Tisch, an dem sie stand – ihre Hand zitterte, aber ihr Antlitz trug die Ruhe eines unabänderlichen Entschlusses.

„Und wenn es wirklich zum Aeußersten kommt, so werfe ich mich dazwischen,“ sagte sie mit zuckenden Lippen. „Seine Mutter läßt ihn kalt und gleichgültig der Gefahr entgegengehen – ich werde ihn retten.“

(Fortsetzung folgt.)




Aus der Wandermappe der Gartenlaube.
Nr. 10. Ausflug zu den Dolomiten.
Mit Abbildung.


Im Atelier des großen Landschaftsmalers Hummel zu Weimar stand ich in Betrachtung eines prachtvollen Alpensees, den sein Pinsel auf die Leinwand gezaubert hatte. Das glänzende Grün der stillen Wasserfläche und ringsum die seltsam geformten, wunderbar zerrissenen kahlen Gebirge über der üppigen, frischen Vegetation der See-Ufer erschienen so eigenartig, so fremd und doch wieder so treu und wahr, daß ich, von dem Anblicke gefesselt, mich schwer wieder losreißen konnte. Es war, wie der Meister mir verrieth, der Raibler See und seine Dolomiten in Kärnthen, und mit diesem einen Worte war es entschieden, daß der lang geplante Ausflug nach dem schönen Oesterreich, zur Donau, nach Pest, Wien, Steiermark, und Kärnthen nunmehr zur Ausführung gebracht wurde. Der gute Meister Hummel selbst gab uns die nützlichsten Reisewinke auf den Weg, und wer anders könnte über die malerisch-schönsten Punkte, über die heimlich-stillen Plätzchen, über Land und Leute und die erquicklichsten Quellen des edeln Rebensaftes so sichere Auskunft und Reisewinke geben, wie ein Landschaftsmaler?

Alles traf später ein und wurde mit vollen Zügen von uns genossen.

Wie in Pest und Ofen hatten wir in Wien und Umgegend uns sowohl der Natur und Kunst wie auch des frischen, frohen Volkslebens erfreut. Mit besonderem Behagen hatten wir in Graz und dessen romantischer Umgebung verweilt. Jetzt aber zog es uns, auf raschem Dampfroß an steilen Alpenabhängen hin, an Schlössern, Klosterruinen und Capellen vorüber durch das schöne Drauthal und Miesthal nach den Dolomit-Gebirgen zu eilen. Bald winkten uns von fern jene bekannten himmelanstrebenden, grauweißen, kahlen und schroffen Gebirgsmassen mit den zerrissenen Zinnen, Zacken und Spitzen. Ihren magnesiahaltigen Kalkstein hatte einst, in den Jahren 1789 und 1790, der berühmte Geolog und Mineralog, dessen Namen sie tragen, der Malteser Dolomieu, auf seinen Fußwanderungen durch Italien, Tirol und Graubündten, den Hammer in der Hand, den Sack auf dem Rücken, durchforscht und untersucht. In Villach endlich standen wir ihnen gegenüber. Es war die Gebirgskette, welche das Drauthal vom Thale der Gail scheidet. Als wir von dem alten Ritterhause aus, welches jetzt das Gasthaus zur Post bildet, durch die hübsche, reinliche Bergstadt, die am Fuße des Dobracz sich ausbreitet, an der Statue vorbei, welche dem talentvollen Bildhauer Gasser gesetzt worden, hinauf nach St. Martin gewandert, waren wir von dem mächtigen Alpenpanorama, das sich dort den Blicken bietet, wahrhaft überwältigt. Ringsum diese Gebirgskolosse, zum Theil in den frappantesten, phantastischen, grotesken Gestalten, und der Beschauer wie im Mittelpunkte einer Riesenburg.

Von Villach führt die durch kühn überwundene technische Schwierigkeiten äußerst interessante Villach-Laibacher Bahn an dem höchst malerisch gelegenen Arnoldstein mit seinem ehemaligen Benedictinerkloster vorüber; jetzt erschallt der grelle Pfiff der Locomotive; wir halten hoch und frei im Gebirge vor dem Bahnhofe von Tarvis. Wir steigen in den Ort hinunter und wandern hinein in das schöne Thal nach Raibl zu. Wie lustig rauscht der Gebirgsfluß uns zur Seite, wie köstlich duften die rothen Alpenveilchen im dunkeln Grün am Wege, wie frisch weht uns die reine Alpenluft an! Rasch ist ein duftiger Veilchenstrauß den Damen gepflückt, und scherzend und singend ziehen wir weiter.

Mit jedem Schritte wird das Thal romantischer und schöner. Der Fluß bricht sich durch Steinblöcke, welche sein Bett versperren, wildbrausend und schäumend Bahn. Weidende Kühe mit ihrem harmonischen Geläute beleben die Gegend, und kühn empor, in mächtigen Formen, ragen die Alpen. Plötzlich bietet sich dem Auge der gewaltigste Anblick dar: der schroffe, riesige Mangart (über achttausend Fuß hoch), mit seinen fünf zerrissenen Spitzen, zu seinen Füßen das Oertchen Raibl. Nach kurzer Rast wandern wir zum See und stehen nach kaum einer halben Stunde an seinem Ufer. Der kleine Raiblersee kann sich zwar nicht mit seinen größeren und berühmten, schweizerischen und italienischen Brüdern messen, auch nicht mit dem Königsee, der Perle aller deutschen Seen. Es ist nur ein kleines, schmales Wasserbecken, hoch in den Alpen gelegen, aber über diesem kleinen See und seiner Umgebung ruht ein poetischer Hauch, wie ich ihn bei fast keinem andern See, auch nicht am Königsee, nicht einmal am wonnigen Comersee gleich schön und ansprechend gefunden habe. Aehnlich nur dem reizenden Gosausee im Salzkammergute, liegt, von saftigem Grün umrahmt, der Raiblersee hellgrün und still in der kolossalen Umgebung der Alpen. Wie beim Gosausee die Eis- und Schneefelder des Dachsteins und die zahlreichen hohen Zacken der Donnerkogeln, so bildet hier die riesige schroffe Wand des Mangart mit dem vielgespaltenen Gipfel den großartigen Hintergrund, und darüber ruht ein Friede, eine heimliche Stille, als ob die Natur schlafe. Wer jemals dieses Bild gesehen, es wird ihm nie wieder aus seinem Gedächtnisse schwinden können, wird ihm immer eine wohlthuende, beglückende Erinnerung bleiben. Der Meister Hummel hat der schönen Natur hier die schönsten Züge abgelauscht, um sie in seinem großen Landschaftsbilde in meisterhafter Gruppirung und Durchführung wiederzugeben. Als Gruß und Dank sandten wir ihm vom Raiblersee ein Sträußchen Edelweiß. Aber hatte er in seinen Reisewinken nicht auch von einem Ruhetage im reizenden Lienz, hatte er nicht auch von der Großartigkeit des Ampezzothales gesprochen und das Wörtchen „großartig“ in den gesandten Notizen sogar doppelt unterstrichen? Zurück denn nach Villach, auf nach Lienz, auf nach Ampezzo!

Nicht mehr der langsame, ermüdende Post- oder Stellwagen, sondern ein rasch dahinfliegender Zug der neuen Alpenbahn führt uns von Villach durch das obere Drauthal nach Tirols östlicher Grenzstadt Lienz. Die Dolomitgebirge, welche sich bis sechstausend, ja über achttausend Fuß hoch über die freundliche Stadt majestätisch erheben, vor allem der Spitzkofl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 736. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_736.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)