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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


mit den langen Haaren den Ring des jungen Mannes mit Gewalt abnahmen und ihn seinem Eigenthümer überbrachten, dessen Verbindung mit der höllischen Welt auf diese Weise gelöst wurde.

Häufig geschah es im Mittelalter, daß man „unserer lieben Frau“ einen Ring verehrte. Monstrelet erzählt, daß Ludwig von Luxemburg bei seiner Hinrichtung unter Ludwig dem Elften von seinem Finger einen mit Diamanten besetzten Ring nahm und ihn seinem Beichtvater mit dem Begehren übergab, er wolle ihn dem Gnadenbilde der Jungfrau Maria an den Finger stecken, was jener zusagte.

Cäsarius von Heisterbach berichtet eine Geschichte ähnlichen Charakters wie die römische Venussage. Ein gewisser Priester, Philipp mit Namen, war ein arger Zauberer. Eines Tages nahm er mehrere schwäbische und baierische Jünglinge mit sich nach einem einsamen Orte auf dem Felde draußen, wo er auf ihr Verlangen sich dazu verstand, durch Beschwörungen Geister zu citiren. Zunächst zog er den Degen und machte damit einen Kreis um sie, wobei er ihnen streng verbot, aus demselben hinaus zu treten. Dann ging er ein wenig abseits von ihnen und begann seine Beschwörungsformeln herzusagen. Darauf erschienen plötzlich vor dem Kreise, in welchen die Jünglinge standen, zahlreiche wild aussehende Männer, welche Waffen schwangen und sie zum Kampfe herausforderten. Als es den bösen Geistern nicht gelang, sie auf diese Weise aus ihrem Zauberkreise heraus zu locken, verschwanden sie, um einer Schaar schöner Mädchen Platz zu machen, welche den Ring des Zauberers umtanzten und durch ihre Stellungen und Geberden die Jünglinge an sich zu ziehen bemüht waren. Eine von ihnen namentlich, die alle anderen an Schönheit und anmuthiger Geberde übertraf, hatte es auf einen bestimmten jungen Mann abgesehen, den sie dadurch an sich zu locken suchte, daß sie auf ihn zutanzte und ihm einen goldenen Ring hinhielt, ihm schmachtende Blicke zuwarf und auf jede Weise seine Leidenschaft zu entzünden strebte. Endlich streckte der junge Mann, nicht mehr im Stande zu widerstehen, seinen Finger über den Zauberkreis hinaus, um den Ring in Empfang zu nehmen, und augenblicklich ergriff ihn das Gespenst, riß ihn an sich und verschwand mit ihm.




Nachdruck verboten.
Fritz Reuter an de Himmelsdöhr.
Zum 7. November.[1]


 Wat ick vertell’n will, is keen Bild van ünnen,
 Keen Bild, wie et up Eerden wol ward sehn;
 En Bild van baben is et, jensiets der Sünnen –
 En Droombild. wie et süht nicht Jedereen.

An sienen Dodesdage wöör’t; de Nacht sünk all heraf;
Fritz Reuter’s Liew der Eerd wöör öwergewen –
Da, Afscheed nehmend van dat dustre Graw,
Steeg siene helle Seele up tum Hewen.[2]
De Reis duur ook nich lang – et stiggt geswinder
So’n Dichterseel as ann’rer Minschenkinder
Tum Himmel up, – den Weg kennt se all lang,
All often dröög se upwarts ehr Gesang.

As Fritz nu ankummt an de Himmelsdöhr,
– He wundert sick, – steiht Petrus nich davör;
En junger Engel is’t, so’n recht Gröönsnabel,
De kuum noch drägen kunn Petrus sien Sabel.
Doch patzig keek he – he wöör keen Gemeen,
Nä, as Eenjährger af sien Jahr he deen’,
Denn’t Himmels-Miletär – wat sick erklärt –
Ward ook ganz Preußisch exerceert.

Petrus to sien Spazeergang weg wöör gahn,
Un diß Jungkeerl müß vör em Posten stahn.
„Gu’n Abend!“ – sprickt Reuter – „na, wo is de Ohl?“
Un dabi wies’t he fragend up den Stohl,
Den grooten Lehnstohl an’r Döhr, wovan he weet,
Dat Petrus drup gewönnlick seet.
„Wat hult em af? – Geiht he villicht spazeern?
Dann sluut Du up! Ick laat mi nich upholen geern,
Ook mutt ick stracks tum Herrn der Welt;
Per Telegramm vun güstern bün ick herbestellt.“

Alleen, de Schildwach-Engel starrt em an un swiggt;
Sien Lewdag harr he hört so’n Spraak noch nicht.
Wat schull he dohn? – He winkt Een’ her van sien Collegen,
Bedütt em gau tum Herrgott hintoflegen,
To melden, dat vör’n Himmelsdohr Een stünn,
Deß Spraak Keen van jüm all verstahen künn. –
De leewe Gott, de Allens weet, däh längst et weten,
Fritz Reuter wöör et, de sien letzte Reis’ antreden.
„Nich Een, de Plattdütsch kann von all mien Engels?!“
Sprickt Gott – „Herrje! Wat sünd dat doch vör dumme Bengels!
Da leernt se Fransch und Spansch un annern solken Snack,
Un nicks verstaht se von de schönste Spraak,
De mien troohartig noorddütsch Volk dar sprickt,
Wat globensvull noch up tum Himmel blickt.“

Gott süht sick üm, dann winkt he in de Feern;
En Engel flüggt[3] heran – et wöör en junge Deern
Mit blaue Oogen, geel kruus Lockenhaar,
En Mecklenbörgisch Kind – dat seeg man apenbar.
0 Bi’n leewen Gott is’t nu nich Mohd, veel Wöörd to maken;
He süht; he winkt, un so vollendet sick de Saken.
Gott winkt ehr denn, dat’s fleegen schull stracks foort –
En Landsmann luur’[4] dar an’r Himmelspoort.
Hin flöög de Engelsdeern – kuum däh se sehn,
Wer dorten stünn – mit Jubelschreen
Rööp[5] se: „Leew Vader, büst Du et? – Kumm mit, geswind!“ –

Wer wöör et, de so rööp? – Fritz Reuter’s Geisteskind,
Lütt Pudel[6] wöör’t, dem ewig Lewen
Fritz Reuter sien Gedicht hett gewen.




Ick bün to End’ – un fragt Ji, wat de Lehr
Van disset Droombild uut’n Jensiets wöör?
De Lehr is, dat et, siet Fritz Reuter schriwwt,
In’n Himmel ook plattdütsche Engels giwwt.

Willem Schröder van Hannover. 

  1. Der 7. November ist Fritz Reuter’s Geburtstag.
  2. Himmel.
  3. fliegt,
  4. warte.
  5. rief.
  6. Die Hauptfigur in „Hanne-Nüte“.




Kein Herz.
(Fortsetzung.)


Die junge Frau drunten fuhr zusammen, blieb stehen und hob den Kopf. Aber konnte dies wirklich Monika sein? Dieses blasse, fast weiße Gesicht, das jede Fülle verloren hatte, diese träge Bewegung stimmte so gar nicht zu dem Bilde, das in Valentinens Gedächtniß lebte. Und doch, sie hatte sich nicht getäuscht. Nachdem die junge Frau zu ihr aufgeschaut, ging mit einem Mal ein Erkennen in diesem Gesichte auf, das ihm etwas von seinem natürlichen Ausdrucke zurückgab. Der stets bereite Gedanke an den Krieg und seine Opfer durchblitzte Valentinens Kopf. Weshalb war Monika hier? Sollte sie Wittwe geworden sein? In diese verstörten Züge war ein frischer, noch in voller Herbe wühlender Kummer allzu leserlich eingeschrieben. Mit jenem unwiderstehlichen Tone, der innigen Gemüthern zu Gebote steht, rief sie ihr zu: „Kommen Sie doch herauf, bitte! Erst seit einer Stunde bin ich hier –“

Monika zögerte einen Augenblick, dann wandte sie sich um und ging dem Hauseingange zu. Valentine empfing sie mit herzlichem Worte:

„Welche Ueberraschung, Sie hier zu treffen, Frau Huber! Sind Sie zu Besuch beim Vater? Vielleicht in Folge des Brandes, der Ihnen die eigene Heimath zerstört hat? Ihr Mann, Ihr Kind sind gesund?“

Die junge Frau, welche stumm vor ihr stand und sie mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_744.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)