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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

die gebildeten Kreise der Residenz in vielseitiger Weise thätig ist. Mit seiner „Geschichte der französischen Renaissance“ (1868), welcher (1873) die „Geschichte der deutschen Renaissance“ folgte, betrat er in richtiger Erkenntniß dessen, was noth that, das Gebiet einer gerade unserer Zeit besonders sympathischen, unseren heutigen Anschauungen und Bedürfnissen sich besonders gut anschmiegenden Kunstepoche – eine That, deren praktische Bedeutung deshalb augenscheinlich ist.

Indem wir noch der Sammlung „Kunsthistorischer Studien“ Lübke’s (1869), seiner Bearbeitung der fünften Auflage von Kugler’s „Handbuch der Kunstgeschichte“, seines Textes zu dem photographischen Prachtwerke über P. Vischer und zu den Lichtdruckfacsimiles der Dürer’schen Kupferstiche gedenken, freuen wir uns beifügen zu können, daß seiner bewährten Feder neuerdings die Herausgabe des durch den Tod des Verfassers unvollendet gebliebenen Schlußbandes von Schnaase’s „Geschichte der bildenden Künste“ übertragen worden ist.

Einem so rastlosen, umfassenden und nutzbringenden Wirken konnte eine allseitige Würdigung nicht fehlen. Wenn wir daher anführen, daß Lübke neben Ordensauszeichnungen zum Mitgliede der königlich baierischen Akademie der Wissenschaften, der kaiserlichen Akademie der bildenden Künste in Wien, der Académie Royale de Belgique, zum Ehrenmitgliede des amerikanischen Institute of Architecture in New-York und zum correspondirenden Mitgliede des Istituto archeologico in Rom ernannt worden ist, so haben wir damit nur einzelne Momente jener allgemeinen Anerkennung und Werthschätzung genannt, deren sich Lübke im engeren und weiteren Kreise erfreut und die sich durch solche Titel und Auszeichnungen weder vollständig ausdrücken noch verstärken läßt.

t.


Flußleben in der Kuilu-Niederung.

Von Dr. Pechuel-Loesche,
Mitglied der ehemaligen, von der deutschen Gesellschaft zur Erforschung Aequatorial-Afrikas nach der Westküste (Nieder-Guinea) ausgesandten Loango-Expedition.

Wer von Chinchoxo, der Küste folgend, sich nach Norden begiebt und endlich über die Bai von Loango hinausgelangt, sieht sich staunend in ein neues Gebiet versetzt, das, reicher und mannigfaltiger in Flora und Fauna als Chinchoxo und die eben durchmessenen Landstrecken, ungleich großartiger in seinem Charakter, sich als das vielbegünstigte Gebiet eines mächtigen Stromes ankündet. Die Savane mit ihren bald feinen und niedrigen, bald schilfähnlichen und bis zu vier Meter hoch aufschießenden dichten Grasbeständen, deren Einförmigkeit malerisch unterbrochen wird von parkartig vertheilten Gebüschen, Bäumen und Gehölzen, geht zu Ende mit den flachen sandigen Erhebungen jener Küstenstrecke. Die oft groteske Gestalt des riesigen Affenbrodbaumes, der schöne dunkle Blätterdom eines seltneren banyanenähnlichen Ficus, verschwinden aus den gewohnten Formen der Landschaft. Das Reich des Kuilu (Hauptfluß des alten Königreiches Loango, Nord vom Congo) beginnt mit dem Auftreten der charakteristischen Typen der Pandaneen, am Fuße der in warmem Roth herüberschimmernden Steilabfälle des thonigen Plateau von Boala und in dessen wunderbaren Erosionsschluchten und Circusthälern. Nur die vertrauten steifen Gestalten der meerliebenden Fächerpalmen (Deleb-Palme, Borassus Aethiopum), die bald in einförmigen Reihen, bald in dichten Beständen den von sich unaufhörlich überstürzenden Wellenkämmen bespülten Strand einsäumen, geleiten noch den Reisenden.

Endlich ist der breite Strom erreicht. Nach Südwesten hin durch eine von der Brandung angehäufte, vielfach wieder in ihrer Form veränderte Landzunge gehindert, biegt er jetzt in kurzem Bogen nordwärts ab und findet dort, den jenseitigen öden Sandgürtel unterwaschend, einen Ausweg in den Ocean. An diesem Orte kämpfen die Wellen des Meeres mit den aus dem Inneren des Continentes kommenden Gewässern um die Herrschaft und werfen sich ihnen in langen schäumenden Wogen über der hierdurch bedingten Barre entgegen, die Einfahrt in die Mündung verbietend. In der trockenen Jahreszeit werden Fluth und Ebbe eine große Strecke landein, sogar bis in das Gebirge fühlbar, in regelmäßigen Perioden den Lauf des Wassers hemmend, oder umkehrend und ihn dann wieder um so mehr beschleunigend, gleichzeitig auch die faulen Seitengewässer der Niederung und deren weite Sümpfe theilweise füllend und leerend. In der Regenzeit aber behauptet der stolze Strom sein Recht und erzwingt für seine aus dem Gebirge herabbrausenden, die niederen Gelände überschwemmenden Fluthen, mit ihrer Bürde von Sand und Schlamm und riesigen Pflanzenleichen, einen ununterbrochenen Abzug in das Meer.

Von der einkommenden Fluth während der trockenen Jahreszeit begünstigt, gleitet das schwerfällige Canoe des Reisenden stromauf. An den Ufern, auch verschiedene kleine Inseln unfern der Mündung fast gänzlich beherrschend, ziehen die dichtverwachsenen Mangroven sich ununterbrochen entlang: hell[r]indige, meist schlanke, oft bis zu dreißig Meter aufstrebende Hochstämme, getragen von dem wunderlichen Gewirr ihrer bald steifen und knorrigen, bald schön gebogenen und weitgespannten Haltwurzeln, eigenartig behangen mit saftigen geraden Luftwurzeln, die oft noch von den höchsten Zweigen, und zwar von diesen selbst, nicht von den cylindrischen Früchten herniederwachsen. Wo, weiter stromauf, das Salzwasser des Meeres mit dem des Flusses sich nicht mehr willig vermischt, sondern nur auf dem Grunde des Bettes noch einfließt, da werden diese an brakisches Wasser gebundenen Rhizophoren spärlicher. Zwischen ihnen erscheinen anmuthige Gruppen wilder Dattelpalmen (Phoenix spinosa), auf schlanken, schön gebogenen Schäften zierliche Wedelkronen und langgestielte, gelbroth schimmernde Fruchttrauben tragend, – auch, wie auf Stelzen ruhend, die niedrigeren gedrungenen und mehrarmigen Stämme des Pandanus, mit ihren stolzen Endbüscheln von schwertähnlichen Blättern, erst einzeln und in Familien, bald aber in dichten Massen geschaart, bis auch diese endlich wieder verschwinden in den ausgedehnten dichten Beständen der schönen stammlosen Weinpalme (Bambus-Palme, Raphia), deren kraftstrotzende Garbe von zwölf bis achtzehn Meter langen Wedeln sich leise im Winde wiegt. Undurchdringliches Gebüsch, kraus und dornig, schiebt sich an höheren Uferbänken mit seinen einförmigen Umrissen zwischen jene auffallenderen Pflanzentypen ein. Aus dieser noch niederen Vegetation erheben sich, erst einzeln, schnell aber zahlreicher und höher werdend, stattliche Laubbäume, und endlich umgiebt den staunenden Reisenden der Hochwald des Kuilu in seiner ganzen Schönheit. Eine ununterbrochene Blättermasse, reich an Formen und Farben, zieht sich an beiden Ufern entlang; aufstrebende Stämme und Gezweig, niederhängende, oft mit herrlichen Blüthen übersäete Ranken, zwischen welchen hier und dort der anmuthige Wedelstrauß der nutzbringenden Oelpalme hervorlugt, flechten sich zu dem Urwalde zusammen, welcher, undurchdringlich scheinend, wie ein zweites Ufer die weite Wasserfläche begrenzt. Ueber ihn hinaus ragen die weitästigen Kronen einzelner mächtiger Bombax (Baumwollenbaum, Silk-cotton-tree: Eriodendron anfractuosum), und, ungleich zahlreicher und charakteristischer, die feinverzweigten Wipfel mehrerer Baumarten, fast den Typus unserer Buchen repräsentirend.

Tritt man an diese Stämme hinan, die, vom Flusse aus gesehen, so schlank und luftig noch über den Wald emporstreben, so staunt man über die gewaltige Dicke dieser Säulen und erhält nun erst eine Vorstellung von ihrer Höhe. An ihrem Wurzelende zeigen sie fast ausnahmslos eine Neigung zur Flügelbildung, in bestimmterer und regelmäßigerer Form, als der stachelrindige Bombax und die kleineren Urwaldsbäume. Drei bis sechs Meter vom Boden treten aus dem Stamme allmählich tafelähnliche Strebepfeiler wie Wände hervor, nach unten weiter und weiter ausstrahlend, bis zu einer Entfernung von drei und vier Meter. Fest in der Erde wurzelnd, geben sie Halt dem bis sechszig Meter hoch aufstrebenden Schafte. In einer Anzahl von drei bis acht bilden sie auf diese Weise um denselben Nischen und offene dreieckige Kammern, zuweilen so geräumig, daß eine Familie darin hausen könnte. Sie stehen auch nicht immer radiär ab, sondern ordnen sich häufig in einer leichten Spirale,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 838. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_838.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)