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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


„Männersachen, mein Kind! Kümmere Dich nicht darum!“

Sie sah ihn an wie ein erschrockenes Kind, und ihre dunkeln Augen füllten sich mit Thränen. Dann ging sie still, ohne ein Wort zu sagen, hinaus. Urban schien es gar nicht zu bemerken. –

Die Droschke mit dem Geheimrath Rehling als Insassen rollte bereits wieder zum Rathhause zurück. Als er in sein Arbeitscabinet trat, traf sein Blick in die warmen, klugen blauen Augen Zehren’s.

„Mein Name ist Rehling. Bitte, behalten Sie Platz, Herr Zehren!“ sagte der Geheimrath verbindlich. Er zog sich, nachdem er den Hut weggelegt, einen Stuhl in die Nähe und sah ziemlich erstaunt auf, als der Fabrikant stehend sein Täfelchen aus der Tasche nahm und bemerkte:

„Sie wünschten meine Gegenwart, Herr Geheimrath, und ich muß Sie nur bitten, mir aufzuschreiben, womit ich Ihnen dienen kann, denn ich habe durch einen unglücklichen Zufall mein Gehör verloren.“

„Teufel, das hatte ich vergessen,“ warf der Beamte hin und schlug sich leicht vor die Stirn. Er nahm die Tafel an sich und lud den Fabrikanten mit einer Handbewegung zum Sitzen ein.

„Ihre Stellung an der Spitze der demokratischen Partei in dieser Stadt ist mir kein Geheimniß,“ schrieb er. „Die Stadt ist in Aufregung, und mir liegt es ob, für die öffentliche Ordnung unter allen Umständen zu sorgen und Unheil zu verhüten. Sind Sie geneigt, ein paar Worte von mir anzunehmen, welche den Zweck haben, eine Verständigung zwischen uns anzubahnen?“

Zehren las; die Adern an seinen Schläfen schwollen über dem Lesen an, und sein Gesicht röthete sich.

„Es giebt hier einen Menschen,“ stieß er hervor, „der sich das boshafte Vergnügen macht, mich dem Gesetze als Haupt einer regierungsfeindlichen Partei hinzustellen. Ich kenne ihn und die Ursache seines Hasses.“ Er besann sich ein paar Augenblicke und fuhr dann ruhiger und mit fast melancholischem Tone fort: „Ich bin kein Parteimann, Herr Geheimrath, und es wird Niemandem gelingen, mich in das Getriebe des Parteiwesens zu ziehen. Ich kann keine politische Rolle spielen, denn ich bin taub. Ich vermag so gut wie viele Andere auf theoretischem Wege eine politische Ansicht zu construiren, welche mir richtig scheint, und ich habe in der That meine Ansicht, aber ob das Leben um mich herum, ob die Menschen und die Verhältnisse geeignet sind für die praktische Durchführung meiner Ansicht, das vermag ich nicht zu entscheiden; dazu muß man alle fünf Sinne gesund haben, und mir fehlt ein Hauptsinn. Ich bin ein Kaufmann und will weiter nichts sein; wenn mein Geschäft durch mein Gebrechen Schaden leidet, so habe ich allein den Schaden. Im Uebrigen achte ich die bestehenden Gesetze und bin stolz, wenn mir Niemand nachsagen kann, daß ich eines derselben mit Wissen oder Willen verletzt habe. Das ist Alles, was ich Ihnen zu sagen habe, Herr Geheimrath.“

Der Beamte nickte, stand auf und schrieb an seinem Tische etwas nieder. Als er fertig war, klingelte er.

„Zu Herrn Hornemann!“ sagte er kurz zu einem eintretenden Schreiber. Dann schritt er, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und nieder.

Plötzlich stand er wieder vor dem Fabrikanten, diesen mit einer artigen Handbewegung um die Tafel bittend.

„Würden Sie sich weigern, im Interesse des Gesetzes sich einer kurzen Haft zu unterwerfen?“

„Wenn es sein muß –“

„Es muß sein, aber damit Sie sehen, daß wir Ihre Zustimmung als einen Act der Gefälligkeit betrachten, werde ich sorgen, daß Ihnen einer meiner Beamten in diesem Hause sein Logis einräumt und daß allen billigen Ansprüchen Ihrerseits an Comfort und Unterhaltung genügt wird. Ihrer Frau Gemahlin notiren Sie vielleicht in einem Billet, daß Sie plötzlich zu einer kurzen Reise Veranlassung erhalten hätten.“

Das Gesicht des Fabrikanten verrieth nicht eben Freude, aber das „Muß“ des Beamten mochte ihn von der Nutzlosigkeit eines Widerstandes überzeugt haben, und die Gutherzigkeit, mit welcher derselbe ihn behandelte, hatte etwas so Entwaffnendes, daß Zehren nickte. Der Geheimrath führte ihn in höflichster Form in das Nebenzimmer, ein Empfangszimmer in elegantester Ausstattung, und entfernte sich wieder.

„Ich darf ihn nicht entlassen, soviel Vertrauen er mir auch persönlich einflößt,“ sagte der Beamte im Arbeitscabinet für sich; „der Verdachtsmomente sind zu viele, und er ist zu intelligent.“ Er griff wieder zur Klingel.

„Der Polizeicommissar Donner soll kommen.“

(Fortsetzung folgt.)


Vorstehhunde im Thiergarten zu Karlsruhe.
(Mit Abbildung.)

Der städtische Thiergarten zu Karlsruhe, welcher in jüngster Zeit durch den angrenzenden Park mit seiner im großartigsten Maßstabe erbauten neuen Festhalle wesentlich erweitert und durch einen erst kürzlich geschaffenen See erheblich verschönert worden, beherbergt seit Kurzem eine ebenso schöne wie zahlreiche und interessante Thierfamilie, die Leo’schen Vorstehhunde, welche wohl erst in den letzten Jahren in ferneren Gegenden bekannt geworden sind.

Der Vorstehhund ist bei den heutigen Jagdverhältnissen der geschätzteste aller Jagdhunde, denn auch da, wo reicher Wildstand den Betrieb der Jagd mit Hatzhunden zuließ, ist der Jäger zu der Einsicht gekommen, daß er mittelst Vorstehhund seine Jagd schonender und mit besserm Erfolge auszuüben vermag. In den letzten dreißig Jahren wurden nach dem Continente, insbesondere nach Deutschland, die englischen Vorstehhunde eingeführt, weil der alte (deutsche) Hühnerhund nicht mehr geeignet war, die gering besetzten Jagden vortheilhaft zu betreiben, allein weder der langhaarige englische Setter, noch der kurzhaarige englische Pointer waren dazu geschaffen, unsern continentalen Jagdverhältnissen zu entsprechen, weil sie nur reine, zwar mit guten Geruchsorganen versehene Vorsteher, aber keine Apporteure und Würger waren; dabei hatten diese reinblütigen Thiere mit den klimatischen Verhältnissen schwer zu kämpfen. – Vom Jäger wurden diese großen Mängel längst erkannt, und jeder bemühte sich, nach seiner Idee durch Kreuzung mit einheimischen Hunden dauerhafte und brauchbare Thiere zu erzielen; so entstand ein wahres Chaos von Mischlingen, die alle mehr oder weniger in Form und Eigenschaften unbefriedigende Geschöpfe blieben, weil bei der Anpaarung der vermiedenen Objecte meist die Kenntniß und namentlich auch die große Ausdauer fehlte, welche so unerläßlich nothwendig ist, nur einen so vielen Anfordernden entsprechenden Vorstehhund hervorzubringen, wie er vom Jäger gewünscht werden muß. Kein Waidmann wußte sich ein derart erzüchtetes Thier zu beschaffen und blieb darauf angewiesen, seine Hunde, so gut es eben ging, selbst zu erzielen.

Unsere Illustrationen führt nun zwei Racen vor Augen, die durch systematische Anpaarungen eigens für die heutigen Jagdverhältnisse erzüchtet sind, und beginnen wir mit der Beschreibung des Leo’schen Setters, der durch Kreuzung von Gordon-Setter mit dem Retriever und dem deutschen Hunde entstanden, d. h. es wurden Gordon-Setters mit gewellten Haaren, die bekanntlich etwas Retrieverblut tragen, mit dem deutschen Hunde gepaart. Die vorzüglichen Geruchsorgane des Ersteren, die Apportlust des zweiten wie der Muth und die Ausdauer des Letzteren sind in diesem neuen Vorstehhunde trefflich vereinigt; seine Figur ist stämmiger und meist größer als die des englischen Hundes; sein Gliederbau ist mäßig hoch, der Kopf wuchtig, der Behang ziemlich groß, die Lippen (Luppel) tief, sein Körper schmäler und die Rippen weniger hoch gewölbt als die des altdeutschen Hundes, den er an Größe erreicht; seine Brust ist breit, die Hungergrube etwas aufgezogen; die dünne, fast horizontal getragene Ruthe wird durch eine reiche Fahne geziert, die wie die ganze Behaarung meist etwas gewellt ist; seine Farbe ist gewöhnlich schwarz oder braun mit rostgelben Abzeichen, doch kommen auch andere Zeichnungen, wie weiß, schwarz und braun gefleckt, nicht selten vor.

Der Leo’sche Pointer ist aus einer Kreuzung des englischen Pointers mit dem deutschen Hühnerhunde und dem alten Leithunde hervorgegangen, das heißt: es wurden solche deutsche Vorstehhunde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_346.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2019)